25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.09.11 / Streit um Reusch-Skulpturen / Der gebürtige Siegerländer Friedrich Reusch war in Königsberg schlicht »der Meister«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Streit um Reusch-Skulpturen
Der gebürtige Siegerländer Friedrich Reusch war in Königsberg schlicht »der Meister«

In seiner Geburtsstadt Siegen im südlichen Westfalen gibt es zurzeit Streit um zwei Skulpturen Friedrich Reuschs, die zu den Wahrzeichen Siegens zählen. Wer einmal die Stadt verlässt, nimmt Kopien davon gern als Andenken an die Heimat mit. Nun sollen die Bronzefiguren eines Bergmanns und eines Hüttenmannes von ihrem angestammten Standort auf der Siegbrücke an der Bahnhofstraße vertrieben werden. Der Grund: Nach den Bausünden der 70er Jahre, bei der der Fluss begradigt und von der „Siegplatte“, einer riesigen Parkplatzfläche, fast gänzlich verdeckt wurde, soll der gesamte Bereich der Innenstadt nun „renaturiert“ werden. Dabei ist auch ein Neubau der Siegbrücke geplant. Die seit ihrer Aufstellung im Volksmund liebevoll „Frieder und Henner“ genannten Denkmäler sollen nach der Umgestaltung des Stadtzentrums jedoch nicht wieder ihren alten Platz auf der Bahnhofstraße einnehmen, sondern − nach Plänen der Kulturbehörde der Stadt − an anderer Stelle. Die beiden Bronzeskulpturen entstanden 1902 im Rahmen der damals größten Industrieausstellung in Düsseldorf. Die Skulpturen eines Hüttenmanns und eines Bergmanns stellten zwei Berufsgruppen dar, die jahrhundertelang das Wirtschaftsleben der Region geprägt haben.

Ihr Erschaffer Johann Friedrich Reusch ist ein Sohn der Stadt. Am 5. September 1843 erblickte er als Spross einer alteingesessenen Handwerkerfamilie das Licht der Welt. Eigentlich war es dem jungen Friedrich vorbestimmt, bei seinem Vater das Schreinern zu lernen, um im Familienbetrieb mitzuarbeiten, doch seine Schnitzereien und Zeichnungen fielen August Kiß, Schüler von Christian Rauch und Schöpfer des Reiterdenkmals Friedrich Wilhelms III. auf dem Königsgarten in Königsberg positiv auf, so dass dieser den Eltern riet, nachdem er die ersten Schnitzversuche des Knaben gesehen hatte, diesem eine künstlerische Ausbildung zu ermöglichen. Tatsächlich schickte ihn der Vater 1863 auf die Kunstakademie nach Berlin. 1866 war er Schüler im Meisteratelier von Albert Wolff. Reusch machte schon früh durch sein Schaffen auf sich aufmerksam. Aufgrund seiner guten Leistungen erhielt er ein Stipendium, das es ihm ermöglichte, 1872 nach Italien zu reisen, wo er zwei Plastiken, „Amor“ und „Psyche“ schuf. Nach zweijährigem Aufenthalt in Italien ließ er sich als freier Künstler in Berlin nieder. Aufgrund der zahlreichen Meisterwerke, die Reusch schuf, erhielt er 1881, 38jährig, einen Ruf nach Königsberg, um an der dortigen Kunstakademie die erste Bildhauerklasse einzurichten. Friedrich Reusch wurde Professor für Bildhauerei und später wurde ihm der Ehrendoktor der philosophischen Fakultät verliehen. Reusch sollte ein Vierteljahrhundert in der Pregelstadt bleiben. Er wurde geschätzt und von seinen Schülern bald schlicht „der Meister“ genannt. Die Zeit seines Schaffens in Königsberg war die „Ära Reusch“.

Neben seiner Lehrtätigkeit schuf der Künstler zahlreiche Denkmäler in Königsberg, die er im Auftrag des Kaisers, von Universitäten und Städten entwarf. Eine der bekanntesten Skulpturen des „Meisters“ war die des „Deutschen Michel“, der den Wrangelturm zierte. Die meisten seiner Werke wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. An die von ihm erschaffenen Büsten, Denkmäler oder Allegorien werden sich die Menschen der Erlebnisgeneration jedoch noch erinnern können. Sie zierten das Landeshaus, das Wilhelmsgymnasium, die Städtischen Kunstsammlungen, die Universität und auch das Regierungsgebäude.

Zu den bekanntesten Werken Reuschs gehört das 6,80 Meter große Denkmal Wilhelms I. Die Darstellung des Königs stand auf einem 1900 Zentner schweren Granitfindling aus dem Samland und wurde 1894 auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz enthüllt. Ein gewaltiges weiteres Werk war das in zweifacher Lebensgröße ausgeführte Denkmal für Herzog Albrecht, das 1891 im Beisein des Kaiserpaares am Haberturm enthüllt wurde. Reusch hat Kaiser, Gelehrte und ehrenwerte Bürger dargestellt. Für eine Arbeit hat er jedoch sehr lange gebraucht: die des „Deutschen Michel“. Die Pläne für die kräftige Bauerngestalt mit einem Dreschflegel über der Schulter hatte der Künstler schon zehn Jahre mit sich herumgetragen, ehe er sie schuf. Als sie fertiggestellt war, entsprach sie mit ihrer Größe von 2,20 Metern nicht mehr dem Geschmack der Zeit, so dass Reusch sie der Stadt Königsberg schenkte. Dort zierte der „Deutsche Michel“ den Wrangelturm.

Auch für die beiden Skulpturen für seine Heimatstadt benötigte Reusch mehere Jahre. So lange hatte es gedauert, bis er die geeigneten Modelle eines Hüttenmannes und eines Bergmannes gefunden hatte. Er fertigte unzählige Modelle von beiden an, bevor er die beiden lebensgroßen Skulpturen in seinem Königsberger Atelier gestaltete.

Friedrich Reusch erkrankte 1902 so schwer, dass er nach Italien reiste, um sich zu erholen, doch kurz nach seiner Ankunft verstarb er am 15. Oktober in Agrigent auf Sizilien. Friedrich Reuschs Leichnam wurde in seine Geburtsstadt Siegen überführt, wo er im Familiengrab auf dem Lindenbergfriedhof seine letzte Ruhestätte fand, unter dem von ihm geschaffenen Todesengel. Manuela Rosenthal-Kappi


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren