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17.09.11 / Beverly Hills am Griebnitzsee / Alles was zur Glanzzeit der Ufa Rang und Namen hatte wohnte in der noblen Villenkolonie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Beverly Hills am Griebnitzsee
Alles was zur Glanzzeit der Ufa Rang und Namen hatte wohnte in der noblen Villenkolonie

Seeblick, Dampferanleger und Badestelle: Die Anfang der 1870er Jahre gegründete Villenkolonie Neubabelsberg sollte Preußens High Society nach Potsdam an den Griebnitzsee locken. Wer hier siedelte, war dem Kaiser nah. Wenn man den auch selten zu Gesicht bekam, so lebte man immerhin in Schlossnähe.

Obwohl die Besiedlung der reizvollen Landschaft dann doch eher schleppend erfolgte, feierten hier wenige Jahre später die Stars der Ufa in ihren mondänen Häusern rauschende Feste. Reichspropagandaminister Goebbels wusste um die enorme Wirkung des Mediums Film. Warum dann nicht das Studiogelände der Universum-Film AG, kurz Ufa genannt, zu einem deutschen Hollywood ausbauen mit dem Wohnort der Stars gleich um die Ecke?

1912 begannen in den Filmstudios Babelsberg in Potsdam die ersten Dreharbeiten. Es entstand der Stummfilm „Der Totentanz“ mit Asta Nielsen in der Hauptrolle. Die Traumfabrik nahm den Betrieb auf und produziert bis heute noch immer dampfend und schnaufend zunächst schwarz-weiße und später dann rosarote Träume aus Zuckerwatte. Die Villenkolonie Neubabelsberg (ab 1938 eingemeindet zu Babelsberg, ab 1939 offiziell Stadtteil von Potsdam) bot den neuen Filmstars und ihren Ansprüchen ein passendes Ambiente. In zahlreichen Villen lebten die Ufa-Größen direkt am See und sorgten mit ihren Festen für Glanz und Glamour. In einem Haus in der heutigen Karl-Marx-Straße 66 (ehemals Kaiserstraße) steht noch immer ein burgähnliches Anwesen. Otto Lilienthals Bruder Gustav, ein Architekt, hatte dieses Gebäude 1895 erbaut. Der ursprüngliche Besitzer, ein Generalleutnant, verkaufte es an die Ufa, die es als Gästehaus für ihre Schauspieler nutzte. So nächtigten hier unter anderem während ihrer Dreharbeiten Heinz Rühmann, Marlene Dietrich und Hans Albers. Den Leinwandgrößen der damaligen Zeit bot das Leben im vornehmen Berliner Vorort zahlreiche Vorteile. Die Ufa-Studios lagen in unmittelbarer Nähe, der See und die Natur boten Erholung pur. Berlin ganz nah und doch im Grünen und abgeschieden, lebten sie hier in Fortsetzung den mondänen Traum aus ihren Filmen weiter. Nahezu in jeder Straße erzählen die noch erhaltenen Häuser eine Geschichte.

In den 1870er Jahren errichtete man hier die ersten Villen für Bankiers, Industrielle und Künstler. Menschen, die es finanziell „zu etwas gebracht hatten“, ließen sich protzige Bauten von namhaften Architekten bauen. Lilian Harvey, die mit Willy Fritsch das Traumpaar der Ufa bildete, residierte in einer Villa direkt am See. Die Harvey emigrierte 1939 nach Frankreich, musste den größten Teil ihres Vermögens zurücklassen. Magda Schneider, Anny Ondra, Gustav Fröhlich, die Liste der hier einstmals lebenden Schönen und Berühmten ist lang. Viele der ursprünglichen Villen-Eigentümer mussten in den 1930er Jahren fliehen, wurden vertrieben, entgingen so dem sicheren Tod. So konnten danach Filmstars die zurückgelassenen Anwesen günstig erstehen. Von den zahlreichen tragischen Geschehnissen sollen hier nur zwei erwähnt werden, stellvertretend für das unmessbare Unrecht in der Zeit. Der jüdische Ufa-Regisseur Alfred Zeisler wohnte in der Domstraße 28. Nur einen Tag vor seiner Verhaftung konnte er fliehen. Sein Untermieter, der Regisseur Georg Jakoby blieb in dem Haus. Er heiratete 1940 die Schauspielerin Marika Rökk. Beide kauften das Anwesen und lebten dort bis 1944. Ganz in der Nähe, am Johann-Strauß-Platz 11 hatte sich der Seidentuchfabrikant Hans Gugenheim 1922 eine Villa vom Architekten Hermann Muthesius errichten lassen. Unter massivem Druck musste er das Haus verkaufen und emigrieren. Neue Besitzerin wurde 1939 die Darstellerin Brigitte Horney. Es ist nicht klar, ob Gugenheim das Geld für sein Eigentum jemals bekam. Die Horney bot in der Folgezeit dem verbotenen Schriftsteller Erich Kästner Unterschlupf. Dieser schrieb unter dem Pseudonym „Berthold Bürger“ im Giebelzimmer des Hauses, das Drehbuch zum legendären Film Münchhausen. Kästner war mit totalem Schreibverbot belegt worden. Man hatte seine Bücher im Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin verbrannt. Obwohl man ihn mehrfach verhaftet hatte, ließ man ihn per Ausnahmegenehmigung das Drehbuch zum Film für das 25-jährige Ufa-Jubiläum schreiben. Kästner war nicht emigriert wie viele seiner Freunde und Kollegen.

Nachdem Glanz und Glamour vollständig vertrieben worden waren, blieb vom ehemaligen Künstlernobelviertel nicht mehr viel übrig. Bei Kriegsende wohnten hier schließlich die „Großen Drei“ der Potsdamer Konferenz, Churchill, Stalin und Truman. Der britische Premier Churchill hatte sich in der ehemaligen Villa des Bankiers Urbig, einem Bau aus dem Jahre 1917 des noch relativ unbekannten Architekten Mies van der Rohe, niedergelassen. US-Präsident Harry S. Truman wählte als Amtssitz während der Konferenz eine Villa mit Wassergrundstück in der heutigen Karl-Marx-Straße 2.

Der Kalte Krieg, Mauer und Grenzanlagen ließen das geschichtsträchtige Villenviertel schließlich in einen Dornröschenschlaf sinken. An edlen Häusern nagte der Zahn der Zeit und gab diesen nahezu den Rest. Ab 1949 war die Kolonie Sperrgebiet an der Grenze zu West-Berlin. Einen Zugang gab es nur für ausgewählte Menschen mit entsprechendem Passierschein. Die Mauer versperrte die Sicht auf den See. Die innerdeutsche Grenze verlief mitten durch das Gewässer.

Das änderte sich 1989. Neue Besitzer und die Erben der Alteigentümer begannen, das Vergessene unter der Patina wieder sichtbar zu machen. Man restaurierte und polierte wieder auf, so dass es eine Freude ist, sich nun auf die Spuren des Viertels zu begeben. Silvia Friedrich


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