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17.09.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Behutsam schnetzeln / Wo USA und al-Kaida gemeinsam feiern, was uns Rösler liefert, wie sie Atomstrom »sauber« machen, und wie man SPD-Kandidat wird

Wäre hübsch, wenn sie den Gaddafi bald in die Finger bekämen. Vielleicht haben sie ihn ja schon, wenn diese PAZ-Nummer bei Ihnen ist. Der Prozess dürfte unterhaltsam werden, dort begegnen dem Ex-Diktator allerhand alte Freunde. Jene Mitglieder des „Übergangsrates“ nämlich, die bis Februar fest an der gut bezahlten Seite ihres Führers standen und dann plötzlich entdeckten, dass alles ein furchtbarer Irrtum war. Für diese ihre Peinlichkeit wollen sie jetzt jemanden büßen sehen, Gaddafi eben.

Doch egal, Hauptsache bleibt, dass endlich die Freiheit gesiegt hat. Wenn nun aber Fanatiker das Heft in die Hand bekommen? Man macht sich ernste Sorgen. Sind die berechtigt? Ach was: Aus Tripolis verlautet, dass man „keine extremistischen Ideologien von rechts oder links zulassen“ werde. Um sich dagegen zu wappnen, wolle man einen Rechts- und Sozialstaat aufbauen, in dem ein moderater Islam herrsche und die islamische Rechtsprechung der Scharia die wichtigste Quelle der Gesetzgebung sei.

Moderate Scharia? Es wäre interessant zu erfahren, wie man beispielsweise „moderat“ steinigt. Und so mancher deutsche Chauvi würde gern mehr über die Möglichkeiten zur „moderaten“ Zurücksetzung von Frauen erfahren. In gewissen Scharia-Ländern ist es zudem Sitte, Übeltätern Gliedmaßen zu entfernen. Wie macht man das auf „moderate“ Weise? Nur einen Finger anstelle der ganzen Hand? Oder behutsam schnetzeln statt brutal abhacken?

Es ist wirklich ärgerlich, dass wir durch die Schuld unseres verblödeten Außenministers nicht mittun durften am Aufbau dieses wunderbaren Gemeinwesens. Wir Deutsche sitzen nun abseits und grämen uns, während alle anderen mit den Libyern feiern: Frankreich, die USA, al-Kaida ...

Ja, der Westerwelle. Ist es nicht Zeit, den armen Kerl endlich zu schonen? Was der alles hat einstecken müssen! Wünscht man seinem bösesten Feind nicht. Dabei sollte es uns nicht schwerfallen, den Gebeutelten in Ruhe zu lassen, schließlich müssen wir nichts missen, wo wir doch nun den Philipp Rösler haben! Beobachter sagen, der sei viel schneller in die Fußstapfen seines Vorgängers getreten, als sie ihm zugetraut hätten. Üblicherweise zollt man Neulingen mit solchen Vergleichen seinen Respekt. In diesem Falle jedoch gleicht es einer Hinrichtung: Der neue FDP-Chef ist schon fertig, bevor er richtig begonnen hat.

Womit hat er denn begonnen? Mit dem Versprechen: „Ab jetzt werden wir liefern!“ Und was liefert er? Nach dem ZDF-Sommerinterview haben wir beobachtet, wie der Mann es schafft, lange 15 Minuten Redezeit mit nichts als schaumigen Sprüchen und nebligen Schwaden totzusabbeln. Immerhin verschont er die Mitarbeiter in seinem Wirtschaftsministerium von dem Geseier. Dort sagte er stattdessen – gar nichts. „Er meldet sich einfach nicht zu Wort“, weint sich ein Beamter im „Focus“ aus. Es ist ein Phänomen, wie rasch so eine ganze Partei vollkommen leer laufen kann.

Das Schlimmste ist, dass selbst die alten Freunde der Liberalen bereits einen Haken hinter die FDP gemacht haben. Selbst in der Wirtschaft will man von Röslers Truppe nicht mehr viel wissen. Gerecht ist das nicht. Schließlich waren die Blaugelben die einzigen, die sich Merkels Standgericht für die Kernkraft zumindest ein wenig in den Weg stellten: Man solle doch wenigstens einen einzigen Reserve-Meiler vorhalten für den Fall, dass es im Winter zu Engpässen komme.

Benötigen wir gar nicht, bügelten die Kraftwerksbetreiber das Hilfsangebot ab. Das tat weh: Ist die FDP wirklich schon so am Ende, dass man nicht mal mehr Geschenke von ihr annehmen will?

Selber schuld, da hätten sich die Liberalen bei der Auswahl des Präsents eben mehr Mühe geben sollen. Was sollen die Energieunternehmen mit einem heimischen Reservemeiler, wenn sie den Atomstrom genauso gut aus Böhmen oder Frankreich importieren können? Gut, bei Eon gehen ein paar Tausend Stellen flöten, aber Arbeitsplätze haben wir in Deutschland doch wirklich genug, oder?

Allerdings waren viele hierzulande recht bekümmert, als sie sich von ihren liebgewordenen Kraftwerken trennen mussten. Angeblich waren sie zu alt und galten ihren Kritikern obendrein als klapprig. Trotzdem: Irgendwie waren sie uns ans Herz gewachsen. Da richtet es uns ein wenig auf, dass wir nunmehr aus dem Ausland von Reaktoren versorgt werden, die teilweise noch älter und vor allem bedeutend klappriger sind als Krümmel & Co.

Der tschechische Meiler in Temelin etwa gilt als besonderes Schmuck­stück unter den Zeitbomben des Atomzeitalters. Ein stattlicher Veteran, der seinen Nachbarn in Bayern und Österreich schon viel Spaß bereitet hat. Von dort kommt heute der Strom fürs bayerische Grenzgebiet.

Hatten wir uns das so gedacht? Nicht doch: Wir wollten sauberen Strom, auch aus dem Ausland. Und da der Kunde König ist, konnten wir das teilweise auch durchsetzen: Nun wird der Atomstrom aus Temelin zunächst nach Österreich geleitet, wo er die Turbinen eines Pumpspeicherkraftwerks antreibt, um das Wasser vom Tal hinauf in den Stausee zu schaffen. Sobald es dann wieder zu Tal rauscht, produzieren die Turbinen blitzsauberen Ökostrom aus Wasserkraft für den umweltbewussten Kernkraftgegner in der Bundesrepublik. Wir sehen, es gibt für alles eine praktikable Lösung. War bloß Angstmache der Atomlobby, dass wir ohne die deutschen Meiler im Dunkeln hocken würden. Unsere Lichter strahlen weiter.

Miesepeter könnten diese besondere Art der Atomstromwaschung als faulen Zauber entlarven. Wirtschaftsminister Rösler müsste dieses Geschenk nur aufsammeln und an die Millionen Wähler liefern, denen Merkels Schwuppdiwupp-Ausstieg von Anfang an nicht koscher vorkam. Und? Was macht er? Nichts. Wieder nichts. Hatten wir etwas anderes erwartet? Nein. Was ja nicht selbstverständlich ist: Vielmehr sollten wir uns darüber wundern, dass wir uns eben nicht darüber wundern, dass Philipp Rösler diese Chance ebenso regungslos liegen lässt wie alle anderen Chancen auch. Die ersten Stimmen in Berlin nennen ihn bereits „FDP-Chef auf Abruf“. Und wer käme nach Rösler? Vorausgesetzt, dass die Liberalen dann überhaupt noch einen Chef benötigen, ist die Auswahl möglicher Kandidaten ziemlich klein geworden.

Da plagen die SPD ganz andere Sorgen. Drei Möchtemal-Kanzlerkandidaten drängeln sich bereits auf dem Podest. Wenn Klaus Wowereit nach diesem Sonntag erneut als Sieger ins Berliner Rathaus schreitet, könnte ein vierter hinzukommen. Ob ihn der Berliner Sieg allerdings qualifiziert, die Sozialdemokraten in den Bundestagswahlkampf zu führen, das steht dahin. Die SPD hat ein Herz für kleine Leute, für die Verlierer unserer Konkurrenzgesellschaft. Das drückt sich auch in der Auswahl ihrer Führungskräfte aus. Beispielhaft dafür steht die Karriere von Hans Eichel.

Eichel war erst Bürgermeister von Kassel, bis er die vormals tiefrote Stadt per Wahl an einen CDU-Kandidaten verlor. Zum Trost machten ihn seine Genossen zum hessischen Ministerpräsidenten, bis er den Posten schon bei der nächsten Wahl an den CDU-Kandidaten verlor. Das qualifizierte ihn fürs Bundesfinanzministerium. Dort sorgte Eichel für seinen historischen Nachruhm, indem er Griechenland in den Euro ließ.

So ähnlich verliefen auch die Karrieren der drei bisherigen Aspiranten auf die SPD-Kanzlerkandidatur 2013: Peer Steinbrück ging 2005 als Ministerpräsident in NRW unter, das zuvor SPD-Stammland war, Sigmar Gabriel verlor ebenfalls gleich seine erste Wahl als Landeschef von Niedersachsen und Frank-Walter Steinmeier fing 2009 mit 23 Prozent das schlechteste Ergebnis ein, das je ein SPD-Kanzlerkandidat verkraften musste. Bei der Auswahl mag mancher Sozi die Liberalen beinahe beneiden.


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