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24.09.11 / Banditen und Salafiten / Das Risiko-Potenzial im Sinai-Gebiet wird unterschätzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-11 vom 24. September 2011

Banditen und Salafiten
Das Risiko-Potenzial im Sinai-Gebiet wird unterschätzt

Was heute vom Westen als „arabisches Erwachen“ und vom Iran nicht minder simplifizierend als „islamisches Erwachen“ etikettiert wird, ist in Wahrheit durch eine Vielzahl lokal oft höchst unterschiedlicher Faktoren bestimmt. Auch auf der Halbinsel Sinai, die durch die Vorfälle an der ägyptisch-israelischen Grenze jüngst wieder Schlagzeilen machte.

Die wüstenhafte Landbrücke zwischen Asien und Afrika war immer schon ein Durchzugsgebiet, über das wechselnde Mächte nie völlige Kontrolle hatten. Was bis heute gilt, denn gemäß dem Friedensvertrag von 1979 hat Israel das 1967 eroberte Gebiet zwar schrittweise geräumt, doch Ägypten darf dort kein Militär stationieren. Erst jetzt, nach den jüngsten Problemen, wurden – mit israelischer Erlaubnis – wieder einige Soldaten und Panzer hingeschickt.

Schlechtbezahlte Polizisten sind aber keine verlässlichen Staatsorgane – vor allem, wenn sich auch Vorgesetzte bis hinauf zum Staatspräsidenten bereichern. Das erklärt, wie in den blockierten Gaza-Streifen hunderte Tunnels gebaut werden konnten, durch die nahezu alles transportiert wird, bis hin zu Lebendvieh und Autos. Es erklärt auch, wie die Extremisten zu den ägyptischen Uniformen kamen, in denen sie bei den Anschlägen nahe Eilat auftraten. Seit dem Sturz des Mubarak-Regimes ist die Polizei aber allgemein so demoralisiert, dass sich die Sicherheitslage in ganz Ägypten dramatisch verschlechtert hat.

Trotz massiver Zuwanderung in die Gebiete, die heute durch eine Unterführung unter dem Suez-Kanal mit Nilwasser bewässert werden, ist immer noch die Hälfte der etwa 1,3 Millionen Sinai-Bewohner Beduinen. Und Beduinen kennen nur eine Loyalität: die zum eigenen Stamm. Sie sind ideale Komplizen von Schmugg­lern, sogar über die ägyptisch-israelische Grenze, über die jährlich tausende Afrikaner gelangen. Drüben leben ja ebenfalls 120000 Beduinen – mit israelischen Pässen und teilweise für die Armee tätig.

Schon das gestürzte Mubarak-Regime sprach von „Banditen“ auf dem Sinai – womit man ein uraltes Vorurteil der Ägypter gegenüber den Nomaden bediente. Heute stehen eher die Salafiten, die den Sinai als Rückzugsgebiet nutzen, im Visier der Propaganda, denn sie sind Konkurrenz für die Muslimbrüder – die sich gemäßigt geben, bald in der Regierung sitzen dürften und freudig miterleben, wie der We-sten in Libyen ihre Kollegen hofiert, die dort die Scharia zur „wichtigsten Rechtsgrundlage“ machen wollen.

Die in Gaza herrschende Hamas, die bekanntlich einst von Israel unterstützt wurde, um Arafats PLO zu schwächen, kooperiert heute stillschweigend mit der neuen Regierung Ägyptens im Kampf gegen gemeinsame Feinde: Splittergruppen wie etwa die Eilat-Attentäter und Salafiten, die beide innerarabische Konflikte fördern und indirekt Israel nützen. Die Gefahr, dass lokale Konflikte außer Kontrolle geraten, ist heute jedenfalls auch am Sinai wieder ziemlich groß. R. G. Kerschhofer


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