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24.09.11 / Extremisten sehen ihre Chancen / Der »Arabische Frühling« hat ein Machtvakuum geschaffen, das nun Islamisten nutzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-11 vom 24. September 2011

Extremisten sehen ihre Chancen
Der »Arabische Frühling« hat ein Machtvakuum geschaffen, das nun Islamisten nutzen

In vielen arabischen Ländern, in der Türkei, in Ägypten und in Nordafrika ist der militante Islamismus auf dem Vormarsch. Seine Anhänger streben immer unverhohlener islamische Gottesstaaten an. Dabei scheint die neue Demokratiebewegung das Trojanische Pferd zu werden, mit dem sie ihr Ziel erreichen wollen. Kritiker wie der israelische General Eyal Eisenberg fürchten deshalb, dass sich der sogenannte „arabische Frühling“ mit dem Sturz der meist westlich orientierten Diktatoren in einen „radikalen islamischen Winter“ und in einen ähnlichen Bumerang verwandeln könnte, wie bei der Vertreibung des Schahs von Persien. Diese endete mithilfe des Westens schließlich im Mullah-Regime des Ayatollah Chomeini und gebar mit dem heutigen, nach atomarer Macht strebenden Iran einen mächtigen Feind des Westens. Die Ankündigung des libyschen Übergangsrates, die Scharia einzuführen, scheint ihm Recht zu geben.

Die Re-Islamisierung der Türkei unter Regierungschef Recep Tayyip Erdogan ist im vollen Gang. Das konstatiert selbst die ehemalige und aus Protest zu- rückgetretene oberste Richterin des Landes Emine Ülker Tarhan. Sie prangert zunehmend diktatorische Entwicklungen an, eine Beschneidung der richterlichen Freiheit mit der Folge des Verlustes von Rechtssicherheit, einen wachsenden Einfluss der islamischen Rechtsordnung Scharia, eine Gleichschaltung der Medien, eine exorbitante Bespitzelung der Bürger und die Verfolgung und Einkerkerung von Regierungskritikern.

In Ägypten kooperieren radikale Salafisten mit den militanten Muslimbrüdern, der gegenwärtig stärksten gesellschaftlichen Kraft. Zu den bevorstehenden Parlamentswahlen wollen sie mit einer eigenen Partei, vielleicht der bereits gegründeten „Hisb al-Wasat“ („Partei der Mitte“) antreten. Bereits jetzt kündigten sie an, in den Touristenresorts am Roten Meer das öffentliche Trinken von Alkohol und den Bikini zu verbieten.

In Teheran legitimierte zeitgleich der ranghohe Geistliche und Mentor von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, Ayatollah Mohammad Taghi Mesbah Yazdi, Selbstmordattentate auch gegen Zivilisten und bezeichnete sie als Pflicht für jeden Muslim, wenn sie der Verteidigung des Islam und einer Nation muslimischer Gläubiger diene. Insbesondere treffe dies für Israel zu. Der irakische Dschihadist und Al-Kaida-Führer Abu Suleiman al-Nasser schlug ebenfalls vor, als Touristen getarnte Attentäter nach Europa zu senden. Zudem gewinnt der radikale Prediger Muktada al-Sadr immer mehr Einfluss und hat der Regierung in Bagdad ein Ultimatum für Änderungen gesetzt, andernfalls werde er die Massen mobilisieren.

Solche Appelle verfehlen ihre Wirkung nicht. Allein im Juni dieses Jahres wurden in 18 Ländern 184 islamisch motivierte Attentate verübt, bei denen 930 Menschen umkamen und über 1500 schwer verletzt wurden.

Auch im benachbarten Syrien sitzen die Extremisten in den Startlöchern. 30 Jahre lang hatten sie kein politisches Gewicht. Nun hoffen sie auf Veränderungen nach einem Sturz Al-Assads. In Algerien, einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit, herrscht ein politisch geduldeter Islamismus. „Al-Kaida im islamischen Maghreb“, jetzt in „Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC) umbenannt, eine Gruppierung unter Führung von Abou Hamza, fasst über die Südränder der nordafrikanischen Staaten auch hier Fuß. Unter Diktator Ben Ali waren islamistische Bewegungen in Tunesien verboten. Sein Sturz durch die sogenannte Jasmin-Revolution, die den politischen Erdrutsch in Nordafrika auslöste, ließ ihre Hoffnungen auf Macht erneut sprießen. Rund 70 Parteien wetteifern um die Gunst der Wähler, lediglich die Partei der Islamisten tritt geeint auf und wird so zum Orientierungspunkt einer zersplitterten Gesellschaft. Ein Favorit ist der aus dem Exil zurückgekehrte Rachid al-Ghannouchi, der sich zu den Wahlen am 23. Oktober stellen will. Ghannouchi gilt als Islamist, der der palästinensischen Hamas und der ägyptischen Muslimbruderschaft nahesteht.

Auch das Libyen der Zeit nach Gaddafi muss kritisch betrachtet werden. Die Befreiung von Tripolis erfolgte schließlich durch frühere Mitglieder der islamistischen Kampfgruppe „Libyan Islamic Fighting Group“ (LIFG), die in der Vergangenheit mit Al-Kaida verbunden war. Rebellenführer Abdelhakim Belhadj, der neue Held des libyschen Umsturzes, war früher Anführer einer extremistischen Islamistengruppe. Er hat offiziell dem Terrorismus abgeschworen. Joachim Feyerabend


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