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01.10.11 / Die bleibenden Botschaften des Papstes / Frage nach der Ökologie des Menschen – Kritik an satter Weltlichkeit der Kirche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-11 vom 01. Oktober 2011

Die bleibenden Botschaften des Papstes
Frage nach der Ökologie des Menschen – Kritik an satter Weltlichkeit der Kirche

Der viertägige Besuch von Papst Benedikt XVI. in seinem „deutschen Vaterland“ ist zu Ende. 300000 Gottesdienstbesucher, 17 Ansprachen und viele Audienzen mutete sich der 84-jährige Pontifex zu. Was bleibt aber von diesem in mehrerer Hinsicht historischen Besuch?

Von Romkritik und Papstskepsis zunächst keine Spur. Die oftmals von Medien thematisierte „Krise der Kirche“ fand in der Wirklich-keit keinen Widerhall. Jubelnde und begeisterte Menschen und Katholiken überall. Selbst die nur halb vertretene Fraktion der Partei „Die Linke“ zollte Benedikt XVI. bei der ersten Rede eines Papstes im Bundestag stehende Ovationen. Eine herzliche Umarmung zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden und dem Papst im Erfurter Augustinerkloster und rund 30000 betende und hörende Jugendliche bei der Abendvigil in Freiburg sind ein Zeichen. Die höchste politische Prominenz des Landes ließ es sich nicht nehmen, den Papst auf nahezu allen Stationen zu begleiten.

Benedikt hielt nicht mit Kritik und deutlichen Worten hinter dem Berg; gleichwohl blieb er bei seinem ureigenen Thema der Evangeliumsverkündigung. Sorgsam enthielt er sich einer vordergründig politisierenden Rede, wie sie zuweilen von protestantischen Kirchenvertretern zu hören ist. Im Bundestag hielt der „Professor auf dem Papstthron“ eine rechtsphilosophische Vorlesung und fragte: Was sind eigentlich die moralischen Grundlagen für die Gesetzgebung? Statt vordergründig und in positivistischer Weise nur nach dem Nutzen bestimmter Gesetze zu fragen, riet er den Parlamentariern, ein „hörendes Herz“ zu entwickeln. Der Papst lobte die ökologische Bewegung und fragte nach der „Ökologie des Menschen“. Der „Mensch hat sich nicht selbst gemacht“, rief Benedikt aus und hatte die ersten Lacher auf seiner Seite, als er es weit von sich wies, für die Grünen Partei ergreifen zu wollen. Die Frage nach dem unaufhebbaren Wert des Menschen als Gottes Ebenbild steckt nun als Stachel im Fleisch aller Bundestagsabgeordneten – seien sie nun für oder gegen Abtreibung und Sterbehilfe.

Gespannt wartete die Öffentlichkeit auf den Gottesdienst auf dem Erfurter Domplatz und die Begegnung mit den Vertretern der kirchlichen Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind. Dort, wo Martin Luther als Mönch vor 500 Jahren gelebt hatte, wollte Papst Benedikt auf eigenen Wunsch ein ökumenisches Zeichen setzen. Doch dieses Zeichen geriet anders, als beispielsweise Bundespräsident Christian Wulff erwartet hatte. Nicht die Zulassung von wiederverheirateten Katholiken zur Kommunion stand auf der Agenda des Papstes, sondern das „ökumenische Gastgeschenk“ seiner Gegenwart. Dankbar nahm auch die EKD-Spitze zur Kenntnis, dass Benedikt die alte und erste Frage Luthers lobte: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ Die Antworten allerdings, die Luther gegeben habe, lobte der Papst nicht. „Glauben kann man nicht selbst machen“, da sei kein Raum für Kompromisse, erteilte der Pontifex einer vordergründigen Ökumene auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eine Absage. Dass zum ersten Mal ein Papst zusammen mit EKD-Chef Schneider diesen ökumenischen Gottesdienst im Augustinerkloster leitete, war dennoch ein Zeichen für das Miteinander, das nicht verloren gehen solle, mahnte der Papst. Die Ökumene mit den orthodoxen Kirchen sieht Benedikt weiter vorangeschritten; eine gemeinsame Eucharistiefeier sei nahe. Die Lehre aus Erfurt: Auf dem Weg zur Wiedergewinnung der sichtbaren Einheit der Kirche werden die Protestanten eher wieder „katholisch“ werden als umgekehrt.

Auf der letzten Station der Reise, in Freiburg im Breisgau, absolvierte der Papst keinen Pflichtbesuch im Heimatbistum des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Benedikt XVI. sorgte für ungeahnte Höhepunkte bei den Predigten vor 30000 Jugendlichen auf dem Messegelände und 100000 Gläubigen auf einem Flugplatzgelände Freiburgs. Er wich der Frage nicht aus, woher denn das Böse komme. Die dem Menschen von Gott gegebene Freiheit beinhalte die Möglichkeit, Ja oder Nein zum Guten und zu Gott selbst zu sagen. Betroffen und aufmerksam lauschten Menschen aller Altersstufen den ruhig vorgetragenen Predigten. Anders als viele Bischöfe, tat sich Benedikt leicht, das „hörende Herz“ der Jugendli-chen und Kinder zu erreichen. „Den ganzen Tag habe ich mich gefreut, Euch hier zu treffen“, sagte der Papst am Beginn der Jugendvigil. Damit war das Eis gebrochen.

Schwierigkeiten dagegen dürften viele katholische Funktionäre und Bischöfe mit der Papstrede im Freiburger Konzerthaus haben. Tatsächlich lobte Benedikt die Säkularisierung (1803), als alle Kirchen nahezu ihren gesamten Besitz verloren, als Erneuerungsimpuls der Kirche. Er sprach von der verweltlichten Kirche von heute und forderte deren „Ent-Weltlichung“. Eine „Krise des Glaubens“ sei die Ursache für die derzeitigen Probleme der Kirche, wo es zu viele Gremien, Strukturen und Funktionäre gebe. Unerhörte Worte aus dem Mund des obersten Hirten, der damit auch dem angestoßenen Reformprozess des gastgebenden Bischofs Zollitsch eine klare Absage erteilte. Hinrich E. Bues


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