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01.10.11 / »... mehr wie ein Theaterdonnerwetter« / Bevor E.T.A. Hoffmann als Schriftsteller Karriere machte, suchte er sein Heil in der Musik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-11 vom 01. Oktober 2011

»... mehr wie ein Theaterdonnerwetter«
Bevor E.T.A. Hoffmann als Schriftsteller Karriere machte, suchte er sein Heil in der Musik

Er gehört zu den bedeutenden Doppelbegabungen der deutschen Kulturgeschichte. Der Königsberger E.T.A. Hoffmann hat mit seinem schriftstellerischen Werk eine große Lesergemeinde in seinen Bann gezogen. Sein Traum aber war es, ein großer Komponist zu werden.

„Dass es zuweilen etwas exzentrisch in meinem Gehirnkasten zugeht, darüber freue ich mich eben nicht beim Besinnen – dies exzentrische setzt mich offenbar herunter in den Augen aller, die um mich sind“, schrieb Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann (1776–1822) einmal an seinen Freund Theodor Gottlieb von Hippel. Gewiss, exzentrisch war dieser Mann mit den vielen Begabungen, dieser Komponist, der aus Verehrung für Mozart seinen dritten Vornamen in Amadeus abwandelte, der jedoch nur ein großes Werk, die Oper „Undine“, hinterließ. Dieser seltsame Jurist, der um alles in der Welt ein bedeutender Komponist werden wollte, der hingegen als Schriftsteller schon zu Lebzeiten einen unendlich großen Leserkreis begeisterte und noch heute in aller Welt gelesen wird.

Kaum eine Persönlichkeit der deutschen Kultur ist so schillernd wie der Ostpreuße E.T.A. Hoffmann. Zeichner, Komponist und Schriftsteller ist er gewesen. Er selbst sah seine Begabung jedoch vor allem als Komponist, der Nachwelt aber ist er heute in erster Linie als Autor unheimlicher Geschichten und Märchen bekannt.

„Ob ich wohl zum Mahler oder zum Musiker gebohren wurde?“ notierte er in seinem Tagebuch, das er in Plock zu schreiben begann, wohin er 1802 verbannt worden war. In Posen, seinem bisherigen Wirkungsort als Jurist, hatte er mit der ihm eigenen, bissigen Art die Spitzen der Gesellschaft in Karikaturen aufs Korn genommen. In Plock nun fiel für Hoffmann die Entscheidung: „Die Mahlerey habe ich ganz bey Seite geworfen, weil mich die Leidenschaft dafür, hinge ich ihr nur im mindesten nach, wie ein griechisches Feuer unauslöschlich von innen heraus verzehren könnte ... Die Musik mit ihren gewaltigen Explosionen ist mehr wie ein Theaterdonnerwetter ... man kann sich mit ihr ohne Gefahr vertrauter machen, darum habe ich sie zu meiner Gefährtin und Trösterin erkieset auf diesen dornige, steinigen Pfad!“

1804 erlöste Freund Theodor Gottlieb Hippel d. J. den geplagten Hoffmann und beschaffte ihm eine Stelle als Regierungsrat in Warschau. Bis 1807 entstanden dort Klaviersonaten, Singspiele, die Musik zu dem Schauspiel „Das Kreuz an der Ostsee“ von Zacharias Werner, ebenfalls aus Königsberg stammend, die Messe d-Moll und die Sinfonie Es-Dur. Letztere wurde am 3. August 1806 zum Geburtstag von Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. in Warschau uraufgeführt. Auch in Warschau fühlte sich der Königsberger nicht sonderlich wohl. So schrieb er an Hippel. „Wie es mir in Warschau geht, fragst Du. Mein teurer Freund? – Eine bunte Welt! – zu geräuschvoll – zu toll – zu wild – alles durcheinander. – Wo nehme ich die Muße her, um zu schreiben – zu zeichnen – zu komponieren!“

Hoffmann beschrieb eine Szene voller Kakophonie, die ihn am Himmelfahrtstage überraschte. Er hatte sich ans Klavier gesetzt, um eine Sonate zu komponieren, als unter seinem Fenster in der Ulica Freta zwischen Mehlweibern, Karrenschiebern und Schifferknechten ein lautstarker Streit entbrannte. Dann läuteten auch noch die Glocken der nahen Pfarrkirche, worauf „die Hunde der ganzen Nachbarschaft bellten und heulten – in dem Augenblick kam auch der Kunstreiter Wambach mit Janitscharenmusik ganz lustig daher gezogen – ihm entgegen aus der Neuen Straße eine Herde Schweine.“

Als es daraufhin zu einem Stau kam und dabei sieben Schweine unter die Hufe des Pferdes gerieten, ließ Hoffmann unter dem unsäglichen Quieken der Tiere alles stehen und liegen und floh in die ruhigere Krakauer Vorstadt. – Eine Szene, die sich der Dichter nicht besser hätte ausdenken können.

Wer einen Eindruck von den Kompositionen Hoffmanns bekommen will, der kann zu verschiedenen Tonaufnahmen greifen, etwa zu einer CD mit Kammermusik, die zwischen 1804 und 1809 entstanden ist. Interpretiert vom Hoffmeister Quartett und vom Trio Margaux finden sich vier Stücke: Harfenquintett c-Moll, Klaviersonate A-Dur, Klaviersonate f-Moll und das Grand Trio E-Dur.

Der Hoffmann-Biograph Eckart Kleßmann urteilt kritisch über die Sonaten, sie brächten wenig Eigenes. „In ihnen greift Hoffmann sogar zurück auf die von Carl Philipp Emanuel Bach entwickelte Sonatenform. Keines dieser Stücke überzeugt unmittelbar als großer originärer Wurf, jedem haften epigonale Züge an. Und dennoch gibt es auch in diesen Sonaten kleine Schönheiten … Was Hoffmann in Warschau komponiert trägt die Züge eines bedeutenden Talents, nicht aber die Insignien des Genies, und diese werden einzig dem Dichter Hoffmann vorbehalten bleiben, den es aber jetzt noch nicht gibt.“

Über die Musik ist Hoffmann schließlich zum Wort gekommen. Er verfasste musikwissenschaftliche Essays und Rezensionen, und auch später in seinen Romanen und Novellen spielte die Musik (oder der Musiker) oft eine wichtige Rolle. Und so mag denn der begeisterte Leser der phantastischen Geschichten eines E.T.A. Hoffmann auch Gefallen an den Kompositionen des Königsbergers finden. Silke Osman

E.T.A. Hoffmann: „Kammermusik“, produziert vom Deutschen Kulturforum östliches Europa, Profil Medien GmbH, CD, Laufzeit etwa 70 Minuten, 13,99 Euro


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