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01.10.11 / Neuer Stolz der Kriegsmarine / Mit der »Scharnhorst« verstieß Deutschland offen gegen das Versailler Diktat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-11 vom 01. Oktober 2011

Neuer Stolz der Kriegsmarine
Mit der »Scharnhorst« verstieß Deutschland offen gegen das Versailler Diktat

Gemäß dem deutsch-britischen Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 durfte das Deutsche Reich wieder Kriegsschiffe mit mehr als 10000 Tonnen Verdrängung bauen, nachdem das Versailler Diktat ihm dieses verboten hatte. Mit der „Scharnhorst“ machte das Dritte Reich von diesem wiedergewonnenen Recht erstmals Gebrauch. Vor 75 Jahren lief das Schiff bei der Kriegsmarinewerft in Wilhelmshaven vom Stapel.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Siegermächte den Deutschen von ihrer einst stolzen Hochseeflotte nur wenige und größtenteils alte Kriegsschiffe belassen. Nicht nur dies, gemäß dem Versailler Diktat durften zukünftige Ersatzbauten nur eine Verdrängung von höchstens 10000 Tonnen haben. Die Weimarer Republik stand vor der Frage, wie sie zukünftige mit Einheiten von höchstens 10000 Tonnen Größe Polen und das mit ihm verbündete Frankreich davon abschrecken sollte, Deutschland seine ostpreußische Exklave zu entreißen. An eine Verteidigungsfähigkeit gegenüber Großbritannien war gar nicht erst zu denken, so dass die deutschen Seekriegsszenarien davon ausgingen, dass England im Kriegsfall neutral bleibe.

Die Wahl traf auf ein Schiff, dass stärker sein sollte als schnellere und schneller als stärkere. Dieses sogenannte Panzerschiff sollte stark genug sein, um feindliche Kreuzer niederzukämpfen, und schnell genug, um sich durch Flucht oder geschicktes Ausmanövrieren des Gegners der Vernichtung durch feindliche Schlachtschiffe zu entziehen. Die Umsetzung dieser Idee war allerdings leichter gesagt als getan und stellte eine große Herausforderung für die deutsche Ingenieurs­kunst dar.

Für Schlachtschiffe hatte sich eine schwere Artillerie vom Kaliber 28 Zentimeter durchgesetzt. Ein größeres Kaliber war gegen­über den Siegermächten auch nicht durchsetzbar. Damit war das Kaliber klar. Nun ging es darum, möglichst viele Geschütze dieses Kalibers auf dem Schiff unterzubringen. Drillingstürme galten als unpraktisch, weil man zum Nachladen des mittleren Geschützes immer wieder in die Null-Stellung fahren musste. Bei der Verwendung von Zwillingstürmen hätte man sich jedoch auf vier Geschütze beschränken müssen, da bei drei Türmen die 10000-Tonnen-Obergrenze kaum einzuhalten gewesen wäre. Der Ausweg bestand in der Entwicklung eines Drillingsturms, bei dem man zum Nachladen nicht in die Null-Stellung zurückfahren musste. Diese Innovation gehörte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu den bestgehüteten militärischen Geheimnissen Deutschlands. Das Panzerschiff erhielt also zwei Drillingstürme mit sechs Geschützen des Kalibers 28 Zentimeter. Diese starke Bewaffnung auf vergleichsweise wenig Raum ließ die Angelsachsen von einem „pocket battleship“ sprechen, woraus im Deutschen das „Westentaschenschlachtschiff“ wurde.

In Verbindung mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 28 Knoten war die obengenannte Vorgabe, stärker als schnellere und schneller als stärkere Schiffe zu sein, weitestgehend erreicht. Nur die drei britischen Schlachtkreuzer „Hood“, „Renown“ und „Impulse“ waren sowohl schneller als auch stärker bewaffnet, aber Großbritannien wurde ja ohnehin als Gegner ausgeschlossen.

Die „Deutschland“ hatte jedoch eine Archillesverse: ihre schwache Panzerung. Sie musste schwach ausfallen, um trotz guter Motorisierung und Bewaffnung unter der 10000-Tonnen-Grenze bleiben zu können. Bereits bei den beiden Schwesterschiffen „Admiral Scheer“ und „Admiral Graf Spee“ hatten die Deutschen die Panzerung etwas verbessert, was zu einem moderaten Überschreiten der 10000-Tonnen-Grenze bei diesen Schiffen geführt hatte. Diese Überschreitungen waren unbemerkt, zumindest folgenlos geblieben, und so plante die Marineleitung beim nächsten Panzerschiff eine ordentliche Panzerung mit der Folge einer fast doppelt so großen Verdrängung. Am 14. Februar 1934 erfolgte auf der Reichsmarinewerft Wilhelmshaven die Kiellegung für dieses „aufgeblähte“ Panzerschiff „D“, wie Erich Raeder, Chef der Marineleitung, es nannte.

Die Franzosen, die neben den Polen in den Planungen der Deutschen der vermutete nächste Gegner waren, waren jedoch nicht untätig geblieben und reagierten auf die „Deutschland“ mit dem Bau zweier Schlachtschiffe der „Dunkerque“-Klasse. Am 2. Oktober 1935 lief die „Dunkerque“ und am 12. Dezember 1936 die „Strasbourg“ vom Stapel. Die beiden Schwesterschiffe hatten eine Verdrängung von 26000 Tonnen und besaßen zwei Vierlingstürme mit 33-Zentimeter-Geschützen. Das deklassierte die deutschen Panzerschiffe mit ihren sechs 28-Zentimeter-Geschützen. Als die starke Bewaffnung der neuen französischen Großkampfschiffe publik wurde, forderte Raeder bei Adolf Hitler für das neue deutsche Schiff mehr und größere Kanonen.

Der Forderung nach einem größeren Kaliber kam Hitler jedoch nicht nach, um die Briten nicht zu provozieren, mit denen er ein Einvernehmen anstrebte. Doch bewilligte er einen zusätzlichen, dritten Drillingsturm mit 28-Zentimeter-Geschützen. Das erforderte jedoch eine Neukonstruktion des Schiffes. So wurden die Arbeiten an ihm abgebrochen und am 15. Juni 1935 wurde ein zweites Mal der Kiel gestreckt. Das, was jetzt gebaut wurde, war kein Panzerschiff mehr. Ob es nun „nur“ ein Schlachtkreuzer war oder bereits ein Schlachtschiff, darüber streiten sich die Gelehrten. Jedenfalls lief es offiziell unter der Bezeichnung „Schlachtschiff“.

Zu den erfolgreichen Innovationen der vorangegangenen Panzerschiffe zählten nicht zuletzt die Dieselmotoren. Sie waren sparsam und erhöhten damit den Aktionsradius der Schiffe. Trotzdem verzichtete man bei dem neuen Kriegsschiff auf diese Antriebstechnik aus Sorge, nicht ausreichend starke Motoren zur Verfügung zu haben. Immerhin war die Verdrängung mit nunmehr 38900 Tonnen fast viermal so groß wie bei der „Deutschland“. Deshalb wurde auf die Turbinentechnik zurückgegriffen, aber in einer modernen Form. Statt mit herkömmlichen Nassdampf- wurde das Turbinenschiff mit drei Hochdruck-Heissdampf-Anlagen von BBC ausgestattet, die dem eine Länge von 229,8 Metern, eine Breite von 30 Metern und einen Tiefgang von 9,91 Metern besitzenden Schiff eine Höchstgeschwindigkeit von 32 Knoten ermöglichten.

Am 3. Oktober 1936 wurde der neue Stolz der neuen Kriegsmarine auf den Namen „Scharnhorst“ getauft. In Anwesenheit Hitlers hielt der Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Werner von Blomberg, die Taufrede. Taufpatin war die Witwe des Vizeadmirals Maximilian Reichsgraf von Spee, der im Ersten Weltkrieg an Bord seines Flaggschiffs „Scharnhorst“ in der Schlacht vor den Falklandinseln untergegangen war. Erst nach ihrem einzigen Schwesterschiff, der „Gneisenau“, aber noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges stellte die „Scharnhorst“ am 7. Januar 1939 in Dienst. Manuel Ruoff


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