© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-11 vom 08. Oktober 2011

Krötenwanderung
von Theo Maass

Vor elf Jahren verhandelte die SPD in Berlin mit Grünen und FDP über die Bildung einer „Ampelkoalition“. Rechnerisch wäre damals auch die Bildung eines Bündnisses mit den SED-Erben möglich gewesen. SPD-Parteibasis und Öffentlichkeit waren aber dagegen. Klaus Wowereit offenbar nicht. Was tun? Ganz einfach – es musste der Beweis der „Politikunfähigkeit“ der FDP erbracht werden. Für die FDP als Steuersenkungs-Partei waren Abgaben- und Steuer­erhöhungen sinnbildlich gesprochen „Kröten“. Der Appetit des liberalen Frontmanns Günter Rexrodt auf die politische Variante dieser glitschigen Tierchen war begrenzt. Nach der dritten oder vierten vorgeschlagenen Steuer­erhöhung wollte er nicht mehr. Die SPD konnte danach mit Krokodilstränen in den Augen erklären, sie hätten ja gewollt, aber leider, leider…

Wiederholt sich die Geschichte? Nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus erwarten Parteibasis und Öffentlichkeit von der SPD, dass sie ein rot-grünes Bündnis schmiedet. Aber hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wirklich Lust auf Renate Künast und ihre nervigen Politiklehrlinge? Hat die SPD vergessen, wer die erste rot-grüne Landesregierung 1990 wegen einiger geräumter Häuser zerdepperte? Die Grünen. Und wie hieß die Fraktionsvorsitzende der abtrünnigen Partei, die dem damaligen SPD-Bürgermeister Walter Momper den Scheidebrief überbrachte? Renate Künast.

Diesmal braucht kein ganzes Krötenkabinett auf Wowereits Schreibtisch aufgebaut zu werden – eine scheint zu reichen. Die Autobahn A100 war Wahlkampfthema fast aller Parteien. Die Grünen schworen Stein und Bein: Mit uns? Niemals! So tönte es auch am letzten Wochenende vom grünen Landes­parteitag.

Der Landes- und Fraktionschef der SPD, Michael Müller, schwadronierte dafür am nächsten Morgen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, seine Partei werde auf der Autobahn bestehen. Die Sozialdemokraten haben deswegen die Grünen zu einer dritten Sondierungsrunde einbestellt, um dann doch noch mit den Koalitionsverhandlungen zu beginnen. Schon haben einige Grünen-Funktionäre wie die frühere Fraktionschefin Sybill Klotz davor gewarnt, das „rot-grüne Projekt“ an der Autobahn scheitern zu lassen, es gäbe ja Wichtigeres. Dienstwagen etwa?

Sollte der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann die Autobahnkröte doch noch schlucken, dann steht mit der Personalie Udo Hansen als kommender Polizeipräsident der nächste Tümpelbewohner auf Wowereits Schreibtisch bereit. Denn Hansen wollen die Grünen auch nicht, er gilt als „Hardliner“.

So kann die SPD genüsslich auskosten, wie viele Kröten die Grünen noch hinunter kriegen. Mal sehen, ob denen der Appetit wirklich beim Essen kommt.