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08.10.11 / Allein unter Linken / Die Berliner CDU ist nach dem Abgang der FDP im Abgeordnetenhaus weithin isoliert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-11 vom 08. Oktober 2011

Allein unter Linken
Die Berliner CDU ist nach dem Abgang der FDP im Abgeordnetenhaus weithin isoliert

Mit 23,4 Prozent hat die Berliner CDU bei den vergangenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus zwar um zwei Prozentpunkte zulegen können. Machtpolitisch hat die Union, und mit ihr das gesamte bürgerliche Lager, an der Spree aber nichts mehr zu sagen.

In der Berliner CDU ist man zufrieden. Stellvertretend für viele andere beschreibt der innenpolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion Robbin Juhnke die Stimmung: „Die CDU sieht sich aus den Wahlen gestärkt, die Stimmung in der Partei ist gut und der Landes- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel wird unangefochten weiter Fraktion und Partei führen.“ Die Union sei nun die einzige bürgerliche Kraft im Berliner Landesparlament.

Tatsächlich fangen dort aber die Probleme der Union an. Zwar höhnten noch vor Monaten die linken Tageszeitungen der Stadt von „Frank wer?“, wenn von dem Spitzenkandidaten der CDU die Rede war. Tatsächlich aber gelang es dem so Geschmähten nach der schweren Niederlage – und dem Machtverlust – im Jahr 2000, die zerstrittene Partei zu einigen und dahingehend zu „modernisieren“, dass sie wieder als wahrnehmbare Größe auftreten konnte. Insider wissen zu berichten, dass Angela Merkel lieber die linke Bundestagsabgeordnete Monika Grütters als Nachfolgerin ihres Vertrauten Friedbert Pflüger installieren wollte. Aber die Kreisvorsitzenden waren entschlossen, die Berliner Partei wieder unabhängig von fremden Einflüssen zu machen. So fiel das Los mit Henkel auf einen der ihren.

Das Superwahljahr 2011 wuchs sich für die CDU zu einer Katastrophe aus. Nur in Rheinland-Pfalz (einem konservativen Land) konnte die Partei Stimmen hinzugewinnen. Alle anderen Wahlgänge waren mit teilweise schwersten Verlusten verbunden. In Baden-Württemberg folgte auf den schwarzen Ministerpräsidenten gar ein grüner Landesvater. So nimmt die Berliner Landtagswahl eine Sonderstellung ein. Mit dem Zugewinn von rund zwei Prozent kann sich die dortige CDU als Sieger fühlen.

Strategisch jedoch befindet sich die Spree-Union in einer hoffnungslosen Lage. Auf Bundesebene stehen zwei bürgerliche Parteien (CDU und FDP) drei linken oder linksextremen (SPD, Grüne und Linke) Parteien gegenüber. In Berlin hat sich dieses ungünstige Zahlenverhältnis nun noch mehr verschlechtert. Während die moribunde FDP mit einem 1,8-Prozent-Ergebnis das Parlament verlassen musste, hat mit der „Piratenpartei“ eine vierte linke Gruppierung das Parlament erreicht. Daran ändert auch nichts, dass Klaus Wowereit seinem Wunschkoalitionspartner, den Grünen, jetzt mit dem CDU-Knüppel droht. Die Autobahn A100 und die Personalie des kommenden Polizeipräsidenten Udo Hansen werden gewiss nicht die letzten Kröten sein, die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast noch schlucken muss.

Und wenn sie sich weigert? Selbst bei einem Scheitern von Rot-Grün würde sich grundsätzlich nicht viel ändern. Zwar definieren die meisten Deutschen sich in Umfragen als „nicht links“ und 1,5 Millionen haben Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ gekauft. Aber die Parlamente spiegeln dies kaum noch wider. Neue bürgerliche Gruppierungen sind, wie jetzt auch in Berlin, von wenig Erfolg gekrönt. So fehlt der CDU der Partner, während Wowereits SPD aus dem Vollen schöpfen kann und alle Optionen offen hat.

Franz Josef Strauß hatte das Unionsdilemma bereits in den 1970er Jahren vorausgesehen und mit der Gründung einer „vierten Partei“ kokettiert. Die Union konnte seiner Zeit selbst außerhalb Bayerns Ergebnisse von 50 Prozent erreichen. Was Strauß sich nicht traute, realisierte der linksliberale Hamburger CDU-Chef Ole von Beust. Er erklärte die Schillpartei zum möglichen Koalitionspartner. Schill seinerseits hielt frühere Mitglieder der Republikaner oder Rechtsaußen-Veteranen von DVU oder NDP aus seiner Partei fern. Das machte die neue Partei für die CDU koalitionsfähig und zugleich auch für weite Kreise wählbar.

Doch dies blieb ein Einzelfall. Ansonsten gilt bei der Union nach wie vor die Doktrin, jede neue bürgerliche Partei sogar noch härter zu bekämpfen als linke Gruppierungen. Da die Union allein kaum noch mehrheitsfähig ist und die FDP dahindämmert, läuft dies auf den Verzicht auf Macht und Regierungsverantwortung hinaus. Es könnte ein Abschied für lange Zeit werden. In Skandinavien gab es seit Ende des Ersten Weltkrieges bis hinein in die 1980er Jahre sozialistische Regierungen. Sie waren stets nur so stark, wie es eine schwache bürgerliche Opposition zuließ. Dies änderte sich in Dänemark erst mit dem Auftreten einer „rechtspopulistischen“ Partei – der Dänischen Volkspartei.

Berlin bietet sich als Versuchsfeld für eine neue Strategie an. Hier könnte bewiesen werden, dass trotz 70 Prozent linker Parlamentarier durch die Mobilisierung der Nichtwähler eine Veränderung der Verhältnisse möglich ist. Ende der 1980er Jahre hatte die CDU in Berlin mit den damals noch halbwegs seriösen Republikanern eine ähnliche strategische Option. Sie wurde nicht genutzt. Dann schreckte die SPD kurz nach dem Mauerfall noch davor zurück, sich mit den SED-Erben einzulassen, weshalb die CDU in einer Großen Koalition weiterregieren konnte. Als die Schamfrist abgelaufen war, ließ Wowereit das schwarz-rote Bündnis platzen. Seitdem fristet die Union in der Hauptstadt ein Schattendasein. Nur als taktische Drohreserve in den Koaltionsverhandlungen der SPD mit anderen linken Parteien hat sie noch eine gewisse Funktion. Theo Maass


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