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08.10.11 / A bisserl Bakschisch hilft auch in Wien / Ehemalige und heutige Regierungsmitglieder stehen im Verdacht von Amtsmissbrauch und Korruption

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-11 vom 08. Oktober 2011

A bisserl Bakschisch hilft auch in Wien
Ehemalige und heutige Regierungsmitglieder stehen im Verdacht von Amtsmissbrauch und Korruption

Während man sich im Norden Europas anlässlich der Euro-Krise über die Neigung der Griechen zu Schmiergeld mokiert, erschüttert ein neuer Schmiergeldskandal die österreichische Politik.

Der Balkan beginnt am Rennweg, hieß es schon zu Kaisers Zeiten – bezogen auf eine nach Südosten führende Wiener Straße. Und heute beginnt sogar der Orient schon weiter westlich und nördlich. Kein Wunder also, dass die Frage „Brauchn S’ a Rechnung?“ nicht selten und angesichts heutiger Steuersätze auch eine echte Versuchung ist. Neben Leistung ohne Rechnung gibt es auch Rechnung ohne Leistung. Oder für fragwürdige Leistung, und da geht es um ganz andere Beträge: Verdeckte Provisionen, die strafbar sein können, sowie „Parteienfinanzierung“ und „Lobbying“, die – beide in einer Grauzone – derzeit Wellen schlagen. Und wie in den 1980er Jahren, als eine ähnliche Häufung von Fällen – genauer, von deren Aufdeckung – die Gemütlichkeit trübte, fallen wieder Ausdrücke wie „Skandalrepublik“ und „Korruption“. Obwohl sich Österreich mit Deutschland den nicht so schlechten Platz 15 auf dem „Korruptionswahrnehmungsindex“ von Transparency International teilt.

Die jüngste Erregung betrifft Bundeskanzler Werner Faymann persönlich, der in seiner Zeit als Verkehrsminister bei Massenblättern eine freundliche Berichterstattung erkauft haben soll, indem der Sozialdemokrat die ihm unterstellte Österreichische Bundesbahn (ÖBB) und andere zur Vergabe von Inseraten veranlasste. Diese Praxis muss ihm schon als Wiener SP-Funktionär und späterem Wohnbaustadtrat unter seinem Mentor Bürgermeister Michael Häupl vertraut gewesen sein. Denn mit gemeindenahen Betrieben, deren jährliches Inseratenbudget man auf bis zu 180 Millionen Euro schätzt, hält man es bis heute nicht anders. Die FPÖ hat Anzeige erstattet, und – man staune – die Wiener Staatsanwaltschaft, die meist den Eindruck einer SPÖ-Filiale macht, ermittelt tatsächlich.

Die SPÖ spricht von einer Retour-Kutsche für die Aufdeckung von Fällen aus der Zeit der ÖVP/FPÖ-Koalition unter Kanzler Wolfgang Schüssel. Kommt natürlich sehr gelegen, weil dabei auch an der FPÖ etwas hängenbleibt, selbst wenn von der damaligen FPÖ-Riege keiner mehr übrig ist. In Verdacht stehen gleich fünf ehemalige Minister – die alle Anschuldigungen zurückweisen – sowie einige andere, die schon allein deshalb für schiefe Optik sorgen, weil sie mehrfach vorkommen.

Ein besonderer Fall war hier Ex-Innenminister Ernst Strasser, der nach seiner Amtszeit eine Beratungsfirma gegründet, diese aber weitergeführt hatte, als er 2009 EU-Parlamentarier und ÖVP-Delegationsleiter wurde. Ohne hier auf anderes einzugehen: Zum Rücktritt wurde er erst genötigt, als im März aufflog, dass er Journalisten der „Sunday Times“ in die Falle gegangen war, die als Lobbyisten auftraten und ihm für das Betreiben bestimmter Änderungen in Finanzgesetzen Geld, Gratis-Flüge und Aufsichtsratsposten versprachen. Die Gespräche wurden heimlich aufgezeichnet. Er behauptet nun, er habe es unterlassen, den Bestechungsversuch anzuzeigen, nur „um an Hintermänner heranzukommen“. Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung sind im Gange.

Brisant sind auch die Vorwürfe gegen den parteilosen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, den Jörg Haider in die Regierung entsandt hatte und der im zweiten Schüssel-Kabinett in der ÖVP-Riege war. Seine Leistungen als Minister sind unbestritten, aber nun ist er selber im Visier von Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft. Es geht unter anderem um Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung der Bundes-Immobiliengesellschaft Buwog.

Schlüsselfigur ist ein Peter Hochegger, dessen Firmen schon mit SPÖ-Ministerien gut im Geschäft waren. Er hatte auch eine tragende Rolle beim Erwerb eines bulgarischen Mobilfunkbetreibers durch die Telekom Austria – was einem über die Gewerkschaftsbank Bawag finanzierten Konsortium als Zwischenhändler 760 Millionen und der Telekom einen entsprechend höheren Kaufpreis bescherte. Der Jahre andauernde, teure Bawag-Prozess brachte übrigens nur eine einzige Person hinter Gitter, während die für Milliardenverluste verantwortlichen Gewerkschaftsfunktionäre unbehelligt blieben.

Über Hochegger lief auch eine Kursmanipulation der Telekom, die den Telekom-Managern satte Bonuszahlungen brachte. Desweiteren sollen bei der umstrittenen Vergabe des Behördenfunks über ihn Millionen an den internationalen Waffenlobbyisten Graf Mennsdorf-Poully gegangen sein. Dieser ist der Gatte der langjährigen ÖVP-Ministerin und Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, die als Abschiedsgeschenk das „Gendern“ der Bundeshymne mit veranlasste.

Und anderes mehr, darunter Staatsbürgerschaftskauf für Parteispenden sowie mutmaßliche Unterschlagungen eines unabhängigen EU-Parlamentariers, der sich jahrelang als „Aufdecker“ betätigt hatte. Die fünf Parlamentsparteien haben sich nun – wieder einmal – auf Einrichtung eines parlamentarischen Ausschusses geeinigt, der – nach langem Widerstand der SPÖ – sogar die Inseratenaffäre aufklären soll. Parallel zur Staatsanwaltschaft. R. G. Kerschhofer


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