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08.10.11 / Der Pleite selbst so nah / Bezüglich der Euro-Krise kommen aus den USA Ratschläge, dabei haben die Amis genug eigene Probleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-11 vom 08. Oktober 2011

Der Pleite selbst so nah
Bezüglich der Euro-Krise kommen aus den USA Ratschläge, dabei haben die Amis genug eigene Probleme

Eine unverändert hohe Arbeitslosigkeit, bescheidene Wachstumszahlen, fragile Banken und überschuldete Staatshaushalte konterkarieren Tipps aus den USA.

„Die augenblickliche Politik tut so, als sei eine Liquiditätskrise zu meistern, als ginge es darum, nur ausreichend Kredite zu verteilen, bis das Wachstum wieder anspringt“, so der US-Ökonom Kenneth Rogoff zur Euro-Krise. „Aber die Diagnose ist falsch. Wir haben eine Solvenzkrise, wir haben europäische Länder und Regionen, die fundamental bankrott sind. Kein Kredit dieser Welt, und wäre er noch so groß, wird Griechenland retten, auch Portugal nicht und sehr wahrscheinlich auch nicht Irland, und man muss sich auch in Italien große Sorgen machen“, meint der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Während man als Europäer die Aussagen Rogoffs noch anzuhören bereit ist, verärgern die Ratschläge von US-Finanzminister Timothy Geithner und US-Präsident Barack Obama. Wenn Obama den Europäern die Leviten liest und betont, dass die europäische Schuldenkrise die „Welt in Angst“ versetze und nun die US-Wirtschaft bedrohe, dann ist es durchaus berechtigt zu fragen, ob er das ernst meint. „Sie haben sich nie von der Krise 2007 erholt und haben nie umfassend auf die Herausforderungen reagiert, denen ihr Bankensystem ausgesetzt war“, schreibt der Mann den Europäern ins Stammbuch, unter dessen Amtsvorgänger die US-Bankenkrise das weltweite Finanzsystem ins Schwanken brachte. Und auch wenn er Recht hat, dass die Regierungen in Europa die Banken-, Weltwirtschaft- und Euro-Krise nicht gerade vorbildlich meistern, so zeigt ein Blick in die USA, dass der US-Präsident eigentlich genug damit zu tun haben müsste, vor seiner eigenen Tür zu kehren: Nach der Einigung in letzter Minute über die dringend notwendige Erhöhung der Schuldengrenze, da sonst die Zahlungsunfähigkeit gedroht hätte, gibt es genügend Bereiche, in denen es in den USA nicht zum besten steht. Zwar heißt es, die Wirtschaft sei im zweiten Quartal um 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gewachsen, gleichzeitig stagniert aber die Arbeitslosigkeit mit neun Prozent auf einem ziemlich hohen Niveau. Und auch die weiterhin ungebremste Politik des billigen Geldes, die bereits die Bankenkrise 2007/08 ausgelöst hatte, der US-Notenbank Fed ist dazu angetan, die Zukunft der USA skeptisch zu beurteilen.

Belehrungen aus den USA vermitteln zudem den Eindruck, als ob hier jemand dem am Abgrund stehenden Euro-Raum Ratschläge erteilt, der selbst noch dichter am Abgrund steht. Aber auch Washington muss sich derzeit Belehrungen anhören – und zwar von Demonstranten im eigenen Land. „Occupy Wall Street“ – Besetzt die Wall Street – nennt sich die Bewegung, die angibt, dem Vorbild der Revolutionäre des Arabischen Frühlings zu folgen. Per Twitter und Facebook wird zu Demonstrationen aufgerufen und auch wenn es sich noch nicht um eine Massenbewegung handelt, erhöht sich Woche um Woche die Zahl der Personen, die auf die Straße gehen und ihren Unmut kundtun. Inzwischen versammeln sich in immer mehr großen US-Städten Menschen, um vor allem gegen die „Reichen“ zu demonstrieren. Waren es anfangs vor allem die von G8-Gipfeln bekannten, den Kapitalismus verfluchenden Chaoten, so schließen sich inzwischen immer mehr dem Bürgertum entstammenden Personen den Demonstrationen an. Neben US-Schauspielern und dem US-Großinvestor George Soros hat sogar der Nobelpreisträger und Ökonom Joseph Stieglitz den Demonstranten in der Sache recht gegeben. Seiner Ansicht nach würden die Banken die politischen Prozesse immer mehr bestimmen und beeinflussen.

Doch noch während die Demonstranten gegen die bösen Reichen wettern und darauf hinweisen, dass die sozialen Ungleichheiten in den USA mit denen in Entwicklungsländern wie Uganda, Kamerun und Elfenbeinküste vergleichbar seien, versucht US-Milliardär Warren Buffet die Bank of America (BofA) zu retten. Fünf Milliarden Dollar investierte er in Aktien des Unternehmens, um so den Märkten weltweit das Signal zu geben, dass er die Lage der Bank mit Zuversicht betrachte. Das tun allerdings bei weitem nicht alle. Die Ratingagentur Moody’s hatte Anfang September die Bonität der BofA gleich um zwei Stufen herabgesetzt und die Ansicht geäußert, dass, sollte die größte US-Bank stürzen, es inzwischen keineswegs mehr selbstverständlich sei, dass diese von der US-Regierung gerettet würde. Was das bedeuten würde, lässt ein Blick auf die Bilanzsumme erahnen. Die Investmentbank Lehman Brothers hatte kurz vor ihrer Pleite eine Bilanzsumme von 630 Milliarden und löste ein Finanzbeben in bis dahin ungeahnter Größe aus. Die Bilanz der BofA umfasst 2260 Milliarden Dollar. Zudem ist die BofA nicht die einzige US-Bank, die immer noch als instabil beurteilt wird. Gleichzeitig mit der BofA stufte

Moody’s auch Wells Fargo & Co. sowie die Citigroup herab. Und auch JP Morgan and Chase wird kritisch beäugt, denn die Bank sieht sich genau wie die BofA mit Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe konfrontiert, die noch auf die US-Immobilienkrise von 2007 zurückgehen.

Aber nicht nur Klagen aus der Zeit, sondern auch faule Hypothekenkredite in den eigenen Bilanzen plagen die US-Kreditinstitute noch immer massiv. Umso mehr klingt die Kritik Obamas, die Europäer hätten nicht umfassend auf die Krise von 2007 reagiert, wie Hohn. Aber nicht nur die US-Banken sind fragil, auch die Haushalte der Bundesstaaten, Städte und Kommunen sind nahe der Pleite. Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes haben genauso unsichere Jobs wie Bank-Mitarbeiter, überall wird aus Kostengründen entlassen. Die BofA will sogar, nachdem sie nach 2007 30000 Mitarbeiter entlassen hat, weitere 30000 der verbliebenen 280000 Stellen weltweit streichen. Auch sonst will die BofA schrumpfen. Ob das jedoch schnell genug geht, ist zweifelhaft, denn allein im zweiten Quartal machte die Hypothekensparte der Bank ein Minus von 14,5 Milliarden Euro. Rebecca Bellano


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