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15.10.11 / Entmündigt im eigenen Land

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

Gastkommentar:
Entmündigt im eigenen Land
von Franz Kromka

Wilhelm Röpke, ein Vater unserer Marktwirtschaft, stellte vor mehr als 50 Jahren fest, dass „eine Welt wandernder Nomaden das letzte wäre, was wir wünschen sollten“. Ein Blick in einschlägige Statistiken zeigt indes, dass es diese Welt – auch bei uns – längst gibt: 2009 waren rund 28 Prozent der in Deutschland lebenden Personen Ausländer, Eingebürgerte oder Personen mit „Migrationshintergrund“. Gegen die Zuwanderung wäre wenig einzuwenden, wenn sie nicht vielfach an die Grenzen integrativer Kraft stieße und sie nicht nur den Einwanderern, sondern auch den Einheimischen nützte.

Die Gründerväter haben deutlich gemacht, dass der oft geforderte „liberale Patriotismus“ (Eibl-Eibesfeldt), der mit der Wertschätzung fremder Kulturen einhergeht, nur auf der Grundlage fester Heimatbindungen möglich ist. Wer nicht heimatlich verankert ist, dem mangelt es oft an jener festen kulturellen Identität, die für den angstfreien Umgang mit den Immigranten erforderlich ist. Die einem falschen Fortschrittsglauben zu verdankende Beseitigung vertrauter Sozialgebilde beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität vieler Bürger, sie treibt auch den Prozess der Vereinzelung der Menschen voran, der seinerseits Misstrauen und Furcht vor fremd­ethnischen Personen zeitigt. Sollte die multikulturelle Gesellschaft die heimatliche Integration weiter schwächen, dann wird sich das Maß an Weltoffenheit und Aufnahmebereitschaft nicht vergrößern, sondern im Gegenteil verringern.

Den Gestaltern unserer Wirtschaftsordnung ging es nicht um einen „europäischen zentralen Überstaat“ (Alfred Müller-Armack), sondern um einen das Heimatgefühl und die Eigenverantwortung fördernden Dezentrismus. Das Beispiel der relativ autonomen Schweizer Gemeinde und des damals gewöhnlich inländischen Zuwanderers vor Augen, schien es Röpke vernünftig, „wenn den Gemeinden und Kantonen oder Ländern eines Staates eine gewisse Geschlossenheit dadurch bewahrt wird, dass nicht jeder, der zuzieht, von vornherein die gleichen Rechte wie die Einheimischen genießt“. Alexander Rüstow forderte ein kommunales Kooptationsrecht; denn wenn die Gemeinde „den Zuzug jedes beliebigen Fremden dulden muss, wirkt das auf ihren Gemeinschafts­charakter schlechterdings sprengend“.

Nach deutschem Gesetz, das mehr und mehr von sogenannten nichtdiskriminierenden EU-Vorgaben geprägt wird, dürfen Gemeinden Rechte und Ansprüche, die sie den Ortsansässigen zugestehen, den inländischen, aber sehr oft auch den ausländischen Zuwanderern von allem Anfang an nicht vorenthalten. Die Heimatgemeinde ist nicht mehr das Ultimum refugium ihrer Heimatbürger. Im Notfall verlässt sich dieser Bürger auf jene staatliche Hilfe („Hartz IV“), die nicht nur ihm, sondern gewöhnlich auch dem Ausländer garantiert wird. Die äußerst verlockenden Sozialleistungen sind neben der Hoffnung auf gut bezahlte Arbeit denn auch die Hauptursache dafür, dass vornehmlich größere Kommunen zur Zufluchtsstätte von Wirtschaftsflüchtlingen geworden sind – nicht selten gegen den Willen vieler Bürger.

Den Königsberger Philosophen Immanuel Kant hat nicht auf seiner Seite, wer einer möglichst unreglementierten Zuwanderung und mit materiellen Ansprüchen verbundenen Aufnahme in unser staatliches Sozialsystem das Wort redet. Nach Kant „soll das Weltbürgerrecht auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein“. Aber im Sinne Kants ist dieses Recht auf Hospitalität lediglich ein „Besuchsrecht“, ein für jedermann geltender Anspruch auf zeitweiligen unverbindlichen Aufenthalt. Von dieser Verpflichtung unterscheidet Kant das „Gastrecht“, das die Bürger bestimmten Ausländern, die sich in ihrem Land dauerhaft aufhalten, als besonderes Privileg gewähren können. Doch bei der Gewährung oder Nichtgewährung dieses Rechtes können die Bürger längst nicht mehr mitsprechen.

Bei der Frage der Zuwanderung kann hierzulande von einer faktischen Entmündigung des Bürgers gesprochen werden. Die Forderung Friedrich A. von Hayeks, dass die Regierung auch im Falle der Einwanderung „nicht die Macht haben darf, eine Gesellschaft zu formen“, wird namentlich von jenen Intellektuellen und Politikern zurück­gewiesen, die weitab von den Ausländervierteln wohnen und deshalb die direkten Folgen ihrer angeblichen Menschenfreundlichkeit nicht zu spüren bekommen. Der bei der Einwanderungsdebatte auch von CDU-Politikern zur Schau getragene und von Helmut Schmidt kritisierte „Menschheits-Optimismus“ überfordert viele Deutsche ebenso wie viele Einwanderer. Die Marktwirtschaftsväter hätten als Irrglauben eingestuft, ein Miteinander von Volksgruppen, denen unterschiedliche, gar einander widersprechende Moral- und Rechtsvorstellungen eigen sind, sei nicht nur wünschbar, sondern auch machbar.

Die Gründerväter hätten sich dagegen ausgesprochen, dass in das „Ideal der komfortablen Stallfütterung“ (Röpke) nun gleichsam grenzüberschreitend alle armen Menschen dieser Welt einbezogen werden. Sie hätten aber nicht die Teilung des heimischen Wohlstandes als das zentrale Problem angesehen – obzwar es auch längst um die Grenzen der materiellen Hilfe geht –, sondern sie hätten uns vor Augen geführt, dass, so Röpke, durch diesen nun immer mehr Menschen zugänglichen „Weg einer mechanisierten Massenfürsorge das Krankheitsbild einer vermassten Gesellschaft“ gewissermaßen globale Züge annimmt. Die staatliche Versorgung hat im Übrigen nichts mit echter Wohltätigkeit zu tun, die immer nur eine freiwillige Hilfe sein kann.

Den Absichten der Marktwirtschaftsväter entspräche es, wenn die immer noch ziemlich planlos verlaufende Einwanderung stärker reglementiert würde. Hinsichtlich der Einwanderung besteht, wie Röpke betonte, „zweifellos nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht jeder Nation, sie einer qualitativen Kontrolle zu unterwerfen, die das geistige Patrimonium (Erbe), die politische Tradition, den ethnisch-sprachlichen Charakter und die soziale Struktur des Landes vor einer unter diesen Gesichtspunkten unerwünschten Einwanderung schützt“. Gewiss kann die Zuwanderung auch positive Folgen haben, vor allem ökonomische. Die gängige Ansicht, die Immigranten könnten immer nur auf Kosten der Einheimischen beschäftigt werden, bedarf einer Prüfung. Nach Röpke ist stets die „Art der Einwanderung und ihr Verhältnis zur Wirtschaftsstruktur des Einwanderungslandes“ zu betrachten. Fügt sich die Immigration hinsichtlich ihrer Qualifikation kompensatorisch in das heimische Beschäftigungsgefüge ein, dann kann sie, so Röpke, „sogar in einer Depression die wirtschaftliche Aktivität beleben“. In dieser Hinsicht trägt die Arbeit eines Teiles der Einwanderer gewiss zum Gedeihen unserer Wirtschaft bei. Aber die vielen, die ohne qualifizierte Ausbildung dem tristen Dasein ihrer Heimat entflohen sind, füllen in den westlichen Staaten keine Lücken im Arbeitsfeld. Sie senken vielmehr die Gesamtelastizität des Wirtschaftssystems.

Aus den Einsichten der Gründerväter folgt, dass der heutigen Einwanderung soziale Sprengkraft innewohnt. Die westlichen Länder sollten sich ihrer Gefährdung bewusst werden und alles tun, damit sich in den armen Ländern die wirtschaftliche Lage bessert – und somit das Verlangen nach Auswanderung abnimmt.

 

Prof. Dr. Dr. habil. Franz Kromka, 67, war bis 2010 Professor für Soziologie an der Universität Hohenheim.


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