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15.10.11 / Erst verachtet, dann geliebt / Max Liebermann hat sich die Zuneigung seines Publikums hart erkämpft – Hamburger Kunsthalle zeigt große Retrospektive des Malers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

Erst verachtet, dann geliebt
Max Liebermann hat sich die Zuneigung seines Publikums hart erkämpft – Hamburger Kunsthalle zeigt große Retrospektive des Malers

Bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war Hamburg ein beliebtes Reiseziel – nicht nur für Vergnügungssüchtige. Auch Künstler aus dem restlichen Deutschland und ganz Europa kamen in die Hansestadt, um sich dort inspirieren zu lassen. Einer der Gründe, um die Jahrhundertwende nach Hamburg zu reisen und dort zu malen, war Alfred Lichtwark (1852–1914). Der Gründer und Direktor der Hamburger Kunsthalle wollte dem Publikum zeitgenössische Kunst vermitteln und er hoffte, dies durch wiedererkennbare Motive leicht zu erreichen. Und so bat er ab 1889 bedeutende Maler wie Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt, für die Kunsthalle Werke mit Hamburger Motiven zu schaffen.

Die erste Begegnung mit Hamburgs Kunstfreunden war für Max Liebermann (1847–1935), den Berliner, allerdings keine erfreuliche. Schon 1872 hatten seine „Gänserupferinnen“ auf einer Ausstellung große Entrüstung beim Hamburger Publikum hervorgerufen – Liebermann war bald als „Arme-Leute-Maler“ verschrien. Und gar erst das Porträt, das er 1890 im Auftrag Lichtwarks von Bürgermeister Carl Friedrich Petersen malte. Die Hamburger Kunstwelt – und auch der Porträtierte – waren derart entsetzt von der Darstellung, dass Liebermanns Werk bis 1905 hinter einem Vorhang in der Kunsthalle verborgen werden musste.

Ganz anders dieser Tage, da innerhalb von nicht einmal zwei Jahrzehnten eine dritte große Liebermann-Ausstellung in dem Hamburger Museum gezeigt wird. Dort beherbergt man mit 40 Werken des deutschen Impressionisten die größte Sammlung des Malers. Liebermann wird mittlerweile vom Hamburger Publikum geliebt: „Mein Liebermann, war das schön!“ – Diesen wonnevollen Seufzer las man als Kommentar im Gästebuch der Hamburger Kunsthalle zu einer Ausstellung 2004.

Schön sind auch die 115 Gemälde sowie die 35 Pastelle und Zeichnungen, die nun in der großen Retrospektive „Max Liebermann – Wegbereiter der Moderne“ ausgestellt werden. Schon als diese Schau in modifizierter Form in der Bundeskunsthalle in Bonn gezeigt wurde, gab es Kritik an dem Titel, war doch dieses Etikett schon vielen Künstlern zugedacht worden.

Hubertus Gaßner, Direktor der Kunsthalle, machte jedoch deutlich, wie sehr der Titel stimmig sei, schließlich seien vor allem im Frühwerk des Malers deutlich moderne Spuren zu entdecken. Auch wies er darauf hin, dass Liebermanns Einfluss als Präsident der Berliner Secession nicht zu unterschätzen sei. Als ein Motor gegen die akademisch geprägte Malerei eines Anton von Werner schaffte er jungen Künstlern die Möglichkeit, sich frei auszudrücken. Er selbst schilderte in seinen Gemälden wirklichkeitsnah die einfache ländliche Arbeit und verzichtete dabei auf literarische und historische Bezüge. Zu sehen sind in Hamburg unter anderem „Die Netzeflickerinnen“ aus dem Jahr 1889, das Lichtwark auf der Pariser Weltausstellung 1889 für Hamburg erwarb, den ersten regulären Ankauf eines Liebermann-Werks für ein deutsches Museum überhaupt.

Beeindruckend auch das Gemälde „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“, das 1879 große Empörung ausgelöst hatte. Die ungewohnt naturalistische Darstellung des Jesusknaben wurde als unerhört empfunden, zumal mit Liebermann auch noch ein jüdischer Maler es gewagt hatte, sich dieses christlichen Motivs anzunehmen. 1911 konnte Lichtwark das Gemälde für 60000 Reichsmark erwerben; 1912 wurde es zum erstenmal in der Kunsthalle gezeigt. 1935 fiel auch dieses Meisterwerk der Aktion „Entartete Kunst“ zum Opfer und wurde 1941 verkauft. Erst 1989 konnte es für die Kunsthalle zum zweiten Mal gekauft werden. So hat fast jedes in Hamburg gezeigte Werk eine eigene besondere Geschichte.

Wer durch diese Ausstellung geht, muss Zeit mitbringen, zu viel gilt es zu entdecken in diesem reichen Lebenswerk – und zu bewundern. Spielende Kinder, holländische Waisenmädchen in ihrer frischen schwarz-weiß-roten Tracht, Strand- und Gartenbilder, Hamburg-Motive und Porträts bekannter Zeitgenossen wie Lovis Corinth, Gerhart Hautpmann oder Paul von Hindenburg sind zu sehen. Bürgermeister Carl Fried-rich Petersen ist in all seiner Pracht ebenfalls zu bestaunen. Aber auch Arbeiten von anderen Künstlern, die Liebermann beeindruckten und deren Werke er sammelte wie Renoir, Menzel, Degas, Manet oder der Bromberger Walter Leistikow. Blätter seines ersten Lehrers Carl Steffeck, der als Pferdemaler seinerzeit besonders geschätzt wurde und der später an die Königsberger Kunstakademie ging, sind außerdem zu sehen. Das Sujet Pferd interessierte Liebermann ebenfalls, wenn er auch keine Pferdeporträts wie Steffeck malte, sondern Polospieler, Pferderennen oder Reiter am Strand.

Wer ein wenig verweilt in den einzelnen Räumen, mag sich manches Mal beobachtet fühlen. Keine Sorge, es ist nur der Meister höchstpersönlich, der von einem seiner Selbstbildnisse herab die Besucher nachdenklich betrachtet. Silke Osman

Die Ausstellung „Max Liebermann – Wegbereiter der Moderne“ in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, ist bis 19. Februar 2012 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 12/5 Euro, Katalog 29,95 Euro.


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