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15.10.11 / Wie einst 1701 Friedrich I. / Vor 150 Jahren krönte sich Wilhelm I. als zweiter und vorerst letzter preußischer König in Königsberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

Wie einst 1701 Friedrich I.
Vor 150 Jahren krönte sich Wilhelm I. als zweiter und vorerst letzter preußischer König in Königsberg

Hätte Wilhelm I., der einen ausgeprägten Sinn für Zeremonie und Symbole hatte und bei der Inszenierung seiner Königskrönung auf kleinste Details achtete, auch das Wetter bestimmen können – eine bessere Wahl wäre kaum möglich gewesen: Nach einer regnerischen Nacht präsentierte sich der 18. Oktober 1861 als sonniger Herbsttag – Kaiserwetter.

Unter den Klängen des von Giacomo Meyerbeer komponierten Krönungsmarsches bewegte sich der Zug vom Königsberger Schloss zur Ende des 16. Jahrhunderts errichteten Schlosskirche. Der König selbst hatte festgelegt, dass die Kroninsignien, die in feierlicher Prozession mitgeführt und zum Altar gebracht wurden, mit Bändern so auf den Kissen befestigt werden müssten, „daß ein Herabfallen nicht zu befürchten ist, denn die Träger sind meist bejahrte Herren“. Wilhelm I. handelte in weiser Voraussicht, so litt etwa Friedrich von Zander, der seit 1856 den Titel „Kanzler im Königreich Preußen“ führte, an einer plötzlichen Schlaglähmung. Seine Ehrenaufgabe – das Tragen des Siegels – konnte er nur erfüllen, weil Staatsminister Rudolf von Auerswald ihn stützte.

Der Domchor sang den 100. Psalm und Hofprediger Karl Wilhelm Snethlage sprach das Krönungsgebet. Es war exakt das selbe Gebet, das bei der vorhergehenden preußischen Königskrönung gesprochen worden war. Diese lag allerdings bereits 160 Jahre zurück. Es handelte sich um die Erhebung des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, der sich am 18. Januar 1701 als Friedrich I. zum König in Preußen gekrönt hatte. Die nachfolgenden Herrscher waren nicht formell gekrönt worden und auch für die beiden letzten Könige – Friedrich III. und Wilhelm II. – gab es keinen Krönungsakt. Somit war Wilhelm I. der zweite und vorerst letzte Preußenkönig, für den eine Zeremonie stattfand. Aufgesetzt hat er sich die Krone selbst, ganz wie sein Vorfahr. Allerdings handelte es sich nicht um die selbe Krone. Für Wilhelm I. hatte eigens eine neue angefertigt werden müssen, da die 1701 verwendete Krone den nicht unbeträchtlichen Ausmaßen der Allongeperücke Friedrich I. angepasst war. Die große Bedeutung, die Wilhelm I. Symbolen beimaß, kam auch darin zum Ausdruck, dass er sich weigerte, eine Anprobe durchzuführen: „Eine Krone wird erst beim Weiheakt aufgesetzt, nicht vorher, als sei sie bloß ein blecherner Hut.“

Nach dem Vollzug der von Glockengeläut und Kanonendonner begleiteten Krönung ergriff Wilhelm I. vom Altar Schwert und Zepter als Insignien der höchsten weltlichen Macht, hob sie empor und wandte sich zu den Anwesenden. Es ist der Moment, den der Maler Adolph Menzel in seinem bekannten Krönungsbild festgehalten und durch überbetonte Lichteffekte in nahezu mystische Sphären versetzt hat. Mehr als die Wirklichkeit des Jahres 1861 ist es wohl dieses Gemälde, das Historiker davon sprechen lässt, dass Romantiker den Moment als Geste des Gottesgnadentums begriffen hätten, nüchterne Preußen als zu belächelnde Pose und Liberale als Bedrohung.

Sind die Empfindungen des Publikums und der Bevölkerung nur bedingt zu belegen, so lässt sich für Wilhelm I. klar zeigen, welch große Bedeutung das Gottesgnadentum in seinem Selbstverständnis spielte. Den Auftakt der dreitägigen Feierlichkeiten in Königsberg hatte am 16. Oktober 1861 eine Ansprache des obersten Kriegsherren an eine Armeedeputation gebildet, in der er betont hatte: „Von Gottes Händen ist mir die Krone zugefallen …“ Einen Tag später führte er vor den zur Krönung geladenen Mitgliedern der beiden Häuser des Landtages aus: „Die Herrscher Preußens empfangen ihre Krone von Gott. Ich werde deshalb morgen die Krone vom Tische des Herrn nehmen und sie mir aufs Haupt setzen. Dies ist die Bedeutung des Königtums von Gottes Gnaden und darin liegt die Heiligkeit der Krone, welche unantastbar ist.“

Ursprünglich hatte Wilhelm I. allerdings gar keine Krönung gewollt. Nachdem er mit dem Tode seines Bruders Friedrich Wilhelm IV. am 2. Januar 1861 die Nachfolge angetreten hatte, wünschte er eine feierliche Erbhuldigung der Stände, wie sie seinen Vorgängern erwiesen worden war. Hiergegen formierte sich erheblicher Widerstand. Die Liberalen beharrten darauf, dass die Zeiten sich gewandelt hätten und es keine Stände mehr gäbe. Eine solche Huldigung sei unvereinbar mit der nunmehrigen Existenz von Verfassung und Parlament. Für Wilhelm I. dürfte es allerdings unvorstellbar gewesen sein, auf eine höhere Weihe seines Königtums zu verzichten. Schließlich konnten sich beide Seiten mit dem „Kompromiss“ einer Königskrönung anfreunden, obwohl diese auch nicht verfassungskonform und in Preußen unüblich war. Bemerkenswerterweise erklärte sich Wilhelm I. bereit, für die Kosten der Krönung selbst aufzukommen. Den Bogen zu der von ihm eigentlich gewünschten Zeremonie, der Huldigung, schlug er in einer sich an den Krönungsakt anschließenden Ansprache im Königsberger Schloss: „Liebe und Anhänglichkeit“, die ihm seit der Thronbesteigung erwiesen worden seien, seien ihm Bürge für „Treue, Hingebung und Opferfreudigkeit“ seines Volkes. „Im Vertrauen hierauf habe ich den althergebrachten Erbhuldigungs- und Untertaneneid meinem treuen Volke erlassen können.“

Der König nutzte die Feierlichkeiten zur Verdeutlichung seiner Positionen. So wurden im Rahmen der Krönung Standarten von Regimentern aufgestellt, für die das Abgeordnetenhaus seit 1859 nur „provisorisch“ Finanzmittel freigab und die eigentlich (noch) nicht existent waren. Im Streit um die Heeresreform und die von Wilhelm I. gewünschte Vermehrung der Truppen sollte es 1862 zum Verfassungskonflikt kommen, der zur Berufung Otto von Bismarcks zum Ministerpräsidenten führte.

Zehn Jahre nach der Königsberger Krönung wurde Wilhelm I. Deutscher Kaiser. Allerdings mit wenig Begeisterung, am Vorabend der Proklamation äußerte er: „Morgen tragen wir das preußische Königtum zu Grabe.“ Ob sich der symbolliebende, manchmal etwas pessimistische Wilhelm I. dadurch bestätigt gefühlt hätte, dass die für ihn angefertigte Königskrone heute verschollen ist? Erik Lommatzsch


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