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15.10.11 / Samt und Seide nicht nur für die Dame / In Chemnitz würdigt man Luxusstoffe aus Frankreich – Auch in Preußen einst sehr gefragt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

Samt und Seide nicht nur für die Dame
In Chemnitz würdigt man Luxusstoffe aus Frankreich – Auch in Preußen einst sehr gefragt

Zwei besondere Ausstellungen widmen sich in Chemnitz den Luxusstoffen Samt und Seide. Gemälde des französischen Impressionisten Pierre-Auguste Renoir werden ergänzt durch Bespiele aus der Textilsammlung des Museums.

Die Kunstsammlungen Chemnitz präsentieren derzeit eine in Deutschland einmalige Schau. Zu sehen sind im Museum am Theaterplatz über 90 Gemälde und Grafiken des französischen Impressionisten Pierre-August Renoir (1841–1919). Die Ausstellung, die ausschließlich in Chemnitz gezeigt wird, steht unter dem Titel „Wie Seide gemalt“. Ein Motto, das besonders gut zu dem Werk des Franzosen passt, ist es ihm doch auf unvergleichliche Weise gelungen, diesen kostbaren Stoff und seine Eigenschaften mit dem Pinsel auf der Leinwand festzuhalten.

Der Blick für den typisch fließenden Faltenwurf und den seidigen Schimmer edler Roben war dem Künstler geradezu in die Wiege gelegt worden. Schließlich kam er als Sohn eines Schneiders und einer Näherin in Limoges zur Welt. Früh war er mit der spezifischen Optik und der Oberflächenstruktur der einzelnen Stoffe, mit Farben und Dekors vertraut. Samt und Seide standen von Anbeginn im Mittelpunkt seiner künstlerischen Inspiration. Wie kaum einem anderen Maler des Impressionismus gelang es ihm, das Sinnliche der luxuriösen Gewebe einzufangen. Er liebte den metallischen Glanz ebenso wie traditionelle Stickereien. „Wie Seide gemalt“ waren seine Bilder und sie faszinieren die Betrachter damals wie heute.

Parallel zu den Werken von Renoir zeigt das Museum eine zweite Ausstellung, die Aufmerksamkeit verdient: „Samt und Seide – Französische Luxusstoffe aus der Epoche von Pierre-Auguste Renoir“. Erstmalig zeigt das Haus am Theaterplatz diese Beispiele aus seinem reichen Bestand der Textilsammlung. Rund 70 französische Seidenstoffe und Samte wollen bewundert werden. Sie stammen alle aus der Belle Epoque Frankreichs (etwa 1880 bis 1914) und sind dem avantgardistischen Stil L’Art Nouveau zuzuordnen. In Deutschland nannte man diese Stilrichtung Jugendstil, während man in England von Arts and Craft Movement sprach.

Die Dessins der französischen Version des Jugendstils sind meist gewebt und „fügen sich in die lange Tradition der Lyoner Seidenweberei ein, die über Jahrhunderte die Spitze der europäischen Seidenstoffe verkörperte“, wie die Veranstalter betonen. „Zu sehen sind Samte und Seidenstoffe, die mit dem neuen Design des Art Nouveau um 1900 verbunden sind und in Lyoner Seidenwebereien hergestellt wurden. Frankreichs Ruhm als herausragender Produzent von Luxusstoffen insbesondere von Samten und Seiden basierte auf einem jahrhundertelangen Ruf, Stoffe in bester Qualität und in bewährten und gefragten Mustern vergangener Epochen herzustellen, die Lyoner Seidenwebereien waren führend auf dem Weltmarkt.“

Auch in Preußen wusste man schon gute 100 Jahre zuvor um die Fertigkeit der Franzosen, feine Stoffe herzustellen. Und so war man durchaus angetan, als die aus ihrer Heimat aus Glaubensgründen vertriebenen Hugenotten in Preußen Fuß fassten und dort ihrem Gewerbe nachgingen. In seinen „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“ beschrieb Friedrich der Große die Situation: „Als Friedrich Wilhelm (1620–1688) zur Regierung kam, machte man in diesem Lande weder Hüte noch Strümpfe, noch Serge und sonst ein wollenes Zeug, alle diese Waren lieferte uns der Kunstfleiß der Franzosen. Sie fabrizierten Tuch, Serge, Beuteltuch, leichte Zeuge, Krepp, gewebte Mützen und Strümpfe, Biber- und Kaninchenhüte, hasenhärene Hüte und legten Färbereien aller Art an.“ Allein in Berlin waren bald über 800 Webstühle in Betrieb.

Natürlich gab es auch Begehrlichkeiten, schöne Seidenstoffe selbst herzustellen. Man versuchte sich im Anbau von Maulbeerbäumen und der Kultur von Seidenraupen. Indes das raue Klima spielte nicht mit. Schließlich führte man die Rohstoffe ein, um sie dann in Preußen zu verarbeiten. Seidenfarbiken entstanden und machten guten Umsatz. Der Stoff, aus dem die Träume der edlen Damen sind, war nicht nur am Hofe begehrt.

Zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert gehörte Chemnitz zu den wohlhabenden Städten Deutschlands und war besonders als Zentrum der Textilindustrie bekannt. 1898 wurde die Textilsammlung des Museums als sogenannte „Vorbildersammlung“ für angehenden Gestalter und Musterzeichner gegründet. Dort sollten sie Anregungen für ihren zukünftigen Beruf finden. „In einer Stadt wie Chemnitz, die in jenen Jahren maßgeblich von der Textil- und Textilmaschinenindustrie geprägt wurde, ist es naheliegend, dass hier ein umfangreicher und qualitätvoller textiler Sammlungsbestand zusam-mengetragen wurde, der weit über die Grenzen der Region ausstrahlte und heute zu den großen europäischen Textilsammlungen zählt“, hört man aus dem Haus am Theaterplatz.

Und so erfreut man sich noch heute an den vielfältigen Gestaltungsformen der L’Art Nouveau, an Bouquets aus Mohn, Seerosen, Veilchen, Orchideen, Iris, Flieder und Lilien, an Stängeln und Blüten, die sich kunstvoll ineinander verschlingen. Jedes Detail ist präzise ausgeführt und macht das Können des Webers noch heute anschaulich. Derart kostbare Stoffe sind lichtempfindlich und können wie Grafik nicht auf unbestimmte Zeit gezeigt werden. Umso mehr lohnt der Weg nach Chemnitz.

Silke Osman

Die Kunstsammlungen Chemnitz, Theaterplatz 1, sind täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 7 / 4,50 Euro. Beide Ausstellungen sind bis zum Januar 2012 zu sehen.


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