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15.10.11 / »Ein Kloß mit Seele und in Pflaumenmussauce« / Der Schlesier Otto Julius Bierbaum schrieb »Zäpfel Kerns Abenteuer«, die jetzt im Schweriner Puppentheater auf die Bühne kommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

»Ein Kloß mit Seele und in Pflaumenmussauce«
Der Schlesier Otto Julius Bierbaum schrieb »Zäpfel Kerns Abenteuer«, die jetzt im Schweriner Puppentheater auf die Bühne kommen

Der alte Meister Gottlieb, der in seinem Leben schon so viele Tische, Stühle, Schränke, Laden, Kommoden, Bettstellen gemacht hatte, dass man das ganze Schloss des Kaisers damit hätte vollstellen können, saß vor seiner Werkstatt und rauchte seine Pfeife. Denn es war Feierabend, und sein Tagewerk war getan. Da klopfte es an die Türe, und ein kleines, buckliges Männchen trat herein, das einen langen weißen Bart und so hellblaue Augen hatte, dass man glauben konnte, es hätte zwei Stücke vom Himmel im Gesicht. Mit diesen Augen lachte das Männchen gar wunderlich, indem es sprach: ,Du, Meister Pflaume, sieh mal, was ich da habe!‘“ So beginnt eine der schönsten Märchen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde: „Zäpfel Kerns Abenteuer“ von Otto Julius Bierbaum.

Ursprünglich war Zäpfel Kern – „Es heißt Zäpfel Kern, weil es aus einem Tannenzapfen oder genauer aus einem Kern in einem Tannenzapfen gekommen ist. Aus einem Kern voller Leben“ – ein Stück Holz, das der Tischler Pflaume geschenkt bekommt. Er trennt sich aber schnell von ihm, denn es kann sprechen und sogar frech werden. Meister Zorntiegel kommt es gerade recht, denn er ist im Begriff, ein Puppentheater berühmt zu machen. Er schnitzt aus dem Holz den frechen Buben Zäpfel Kern, der allerlei anstellt und so manche Abenteuer erlebt.

Zäpfel Kern erinnert doch sehr an den kleinen Italiener Pinocchio, denkt jetzt so mancher. Kein Wunder, Otto Julius Bierbaum hatte 1905 die Geschichte von Carlo Collidi jedoch nicht nur in die deutsche Sprache, sondern auch in die deutsche Welt seiner Zeit übertragen. Im Gegensatz zu seinem italienischen Pendant wird Zäpfel Kern am Ende kein Menschenkind, sondern bleibt eine aufmüpfige Puppe.

Jetzt kommt die Geschichte um den kleinen Jungen aus Holz auf die Bühne des Puppentheaters im E-Werk des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin. Vier Aufführungen sind geplant, die Premiere ist am 30. Oktober.

Die Puppenspielerin Antje Binder wird dann alle Hände voll zu tun haben, denn schließlich wird sie mit Handpuppen und Stock-marionetten sowie Flachfiguren und den bloßen Händen spielen. Die Bühne wird wie ein aufklappbares Pop-up-Buch gestaltet. Eine Inszenierung, die gewiss auch Otto Julius Bierbaum Freude bereitet hätte.

Der 1865 im schlesischen Grünberg geborene Dichter und Journalist schrieb nicht nur vergnügliche Geschichten und Märchen, aus seiner Feder stammen auch unzählige Gedichte, die zum Teil von Komponisten wie Richard Strauss vertont und von Richard Tauber wie auch Dietrich Fischer-Dies-kau gesungen wurden.

Thomas Mann sagte nach dem Tod Bierbaums 1910: „Es könnte sein, dass manch sangbares Lied seines Mundes noch lebt, wenn vieles, was heute gewichtiger dünkt, vergessen ist“.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert war Bierbaum einer der am häufigsten gelesenen Lyriker und ein beliebter Zeitgenosse. Dichterfreund Richard Dehmel nannte ihn einmal „einen Kloß mit Seele und in Pflaumenmussauce“.

Der Herausgeber seiner auf zehn Bände angelegten Bierbaum-Gesamtausgabe, Hans Brandenburg, beschrieb ihn als „dick und rund, aber beweglich, ja, sehr ästhetisch in seiner Fülle: seine Kleidung war bequem und dabei gewählt, sein breites fleischiges Gesicht endigte in einem Doppelkinn, aber unter einer hohen gewölbten Stirn saßen hinter blanken Zwickergläsern tiefblaue, kluge und warmherzige Kinderaugen.“

Sein Landsmann Herbert Hupka würdigte einmal die andere Seite des Lyrikers Bierbaum: „Dieser Allerweltskerl Bierbaum hat übrigens auch das Auto in die Literatur eingeführt, denn er verfasste ,Eine empfindsame Reise im Automobil von Berlin nach Sorrent und zurück an den Rhein‘, geschrieben 1903 als eine Folge von Briefen von einer abenteuerlichen Autofahrt über die Alpen an Freunde im Jahre 1902. Das Auto fuhr nicht schneller als 30 bis 35 Kilometer pro Stunde, ein Fahrzeug der Adler-Werke. Ein bis heute gültiges Wort ,Reisen sage ich, nicht rasen‘ wurde von Bierbaum damals geprägt.“

Ein anderes Wort des Schlesiers Bierbaum ist noch heute in aller Munde: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, erschienen 1909 in Bierbaums Reisetagebuch „Yankeedoodle“ und zu lesen auf der Gedenktafel, die zu seinem 100. Todestag an seinem Geburtshaus in Grünberg am Marktplatz enthüllt wurde. Gestiftet wurde sie von der Deutschen Minderheit in Grünberg, die es sich auch zur Aufgabe gemacht hat, das Werk Bierbaums in seiner Geburtsstadt bekannter zu machen. os

Die Aufführungen von „Zäpfel Kerns Abenteuer“, ein Spiel für Kinder ab vier Jahren nach Otto Julius Bierbaum, im Puppentheater im E-Werk des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin, Alter Garten 2, finden statt am 30. Oktober, 16 Uhr, 1. und November, 9.30 Uhr, sowie am 20. November, 16 Uhr. Kartentelefon (0385) 5400123, E-Mail: kasse@theater-schwerin.de.


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