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22.10.11 / Ideologisches über den »grässlichen Militärstaat« / Absonderliches Preußenbild an Volkshochschule Schaumburg – Offener Brief einer getäuschten Seminarteilnehmerin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-11 vom 22. Oktober 2011

Ideologisches über den »grässlichen Militärstaat«
Absonderliches Preußenbild an Volkshochschule Schaumburg – Offener Brief einer getäuschten Seminarteilnehmerin

In der Zeit vom 5. bis zum 9. September 2011 habe ich einen Bildungsurlaub Ihrer Volkshochschule zum Thema „Preußische Geschichten in Potsdam“ besucht. Das Seminar wurde von Florian Heidtmann gehalten. Ich habe mich für das Seminar aufgrund meines ausgeprägten Interesses an Geschichte entschieden.

Dem Titel folgend hatte ich mir vorgestellt, dass wir in dieser Veranstaltung preußische Geschichten und Anekdoten vorgetragen bekommen, etwas über den preußischen Lebenswandel der damaligen Zeit und über die Rolle Potsdams erfahren sowie vorhandene Geschichtskenntnisse am Rande mit aufgefrischt bekommen.

Herr Heidtmann hat zu dem vorgegebenen Seminarthema in den ganzen fünf Tagen nichts gesagt. Sein Unterricht bestand daraus, uns die Geschichte Preußens anhand der Könige vorzutragen, und uns dabei immer wieder zu indoktrinieren, wie schlecht die preußischen Tugenden seien, wie „verschwenderisch die Könige allesamt“ waren und was für ein „grässlicher Militärstaat“ Preußen gewesen ist.

Zu den Königen Preußens wurden uns stets deren Macken vorgeführt, wie etwa bei Fried­rich dem Großen, der seine musikalischen Neigungen angeblich geheim halten musste, da seine „Gefühlsausdrücke nicht zu dem Herrscherbild passten, das er von sich verbreiten wollte“. Friedrich Wilhelm II war nur „Der Dicke“, Friedrich Wilhelm III. „Der Schüchterne“, Friedrich Wilhelm IV. „Der Geistesumnachtete“ und über Wilhelm II. wurde stets geschimpft, da er wegen seines Verkleidungswahns so eitel gewesen sein soll. Ich finde es sehr schade, dass die großen Herrscher des preußischen Landes nur als „dick“ oder „verrückt“ in Erinnerung bleiben sollen. Uns wurde der Eindruck vermittelt, dass keiner der Könige wirklich König sein wollte, sondern musste und sie sich stets auf Kosten des Staates bereichert haben sollen. Zu deren Errungenschaften, wie zum Beispiel deren großartige Bauwerke oder die Details der eingeführten Reformen haben wir so gut wie gar nichts gehört.

Unbestritten ist es eine Tatsache, dass diese Könige auch ihre schlechten Seiten hatten. Allerdings erwarte ich von einem objektiven Unterricht keine derart einseitige Darstellungsweise. Vor allem, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem hier angesprochenen Seminar nicht um einen beliebigen Kurs, sondern um einen vom Bundesland Nordrhein-Westfalen anerkannten Bildungsurlaub handelt.

Auch durch die Auswahl der Unterrichtsmaterialien wurde diese einseitige Sichtweise deutlich. Wir kamen in den „Genuss“ einseitiger, antipreußischer Lieder wie „Die Polizei“ oder das „Badische Wiegenlied“. Wir haben in dieser Bildungswoche kein Lied gehört, das die Liebe der Leute für ihr Land zeigte oder beispielsweise nette Anekdoten erzählte. Eine zweite Sicht aus der damaligen Zeit wurde uns während des gesamten Seminars nicht angeboten. Damit hätte man sich als mündiger Bürger wenigstens selbst ein Bild machen können.

Die als Anschauungsmaterial dienenden Bilder mussten während des Seminars von Herrn Heidtmann mühsam aus unstrukturierten Ordnern zusammengesucht werden. Die gezeigten Filme konnten aufgrund technischer Probleme nur wenige Minuten angeschaut werden. Eine bessere Vorbereitung des Unterrichtsmaterials sowie eine technisch einwandfreie Präsentationsumgebung wären aus meiner Sicht absolut notwendig gewesen. Uns wurden unter anderem zwei Gemälde gezeigt, das der „Schlacht von Leuthen“ von Adolf von Menzel und „Die Belagerung von Paris“ von Ernest Meissonier, zu denen er zitierte „Gott hilf mir, dass ich meine Pflicht erfülle“. Diese Bilder seien die „Realität Preußens und zwar nur das“. Denn „Preußen war ein reiner Militärstaat, in dem es ausschließlich um Pflichterfüllung ging“, so Herr Heidtmann. Auf meine Nachfrage hin, was denn mit anderen Bildern sei, die ein gemütliches Beisammensein zeigen, sagte er, solche Bilder seien „böse Propaganda“.

In diversen Dokumentationen findet man, dass sowohl England als auch Frankreich mehr als viermal so viele Kriege geführt haben wie Preußen in seiner gesamten Existenz. Kein einziges Mal hörten wir etwas vom Militärstaat Frankreich oder England aus dem Munde des Referenten. Diese beiden Länder nutze er lieber als „aufgeklärte Vorbilder, an denen sich Preußen häufiger hätte orientieren sollen“. In Frankreich seien die Bürger viel mündiger gewesen, denn sie plädierten auf „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – im Gegensatz dazu sei „Preußen sehr altmodisch gewesen“. In Frankreich kam allerdings dieser Gedanke erst 1789 auf und wurde in die Verfassung der 3. Republik erst 1871 übernommen.

Im Gegensatz dazu tauschte bereits Fried­rich der Große (1712–1786) mit dem Philosophen Voltaire aufklärerische Gedanken aus und brachte diese in seinem preußischen Staat mit ein. Immanuel Kant galt schon 1781 als Vater der Aufklärung, was nicht dazu passt, dass er in einem angeblich autoritär-totalitären Staat voller Einschränkungen leben musste.

Preußen war der erste Staat in Europa, der die Todesstrafe und Folter abschaffte, das Frauenwahlrecht sowie die Schulpflicht einführte. Somit strömten in jener Zeit Glaubensflüchtlinge aus ganz Europa nach Preußen, wo ihnen wie sonst nirgends große Toleranz entgegenwehte. All das wurde von Herrn Heidtmann ausgeblendet. Die wahren preußischen Kerntugenden, nämlich der Toleranz, des Verantwortungsbewusstseins und der Freiheit, die ihren Ausgleich in der Loyalität fanden, wurden nicht erwähnt. Weitergehende Reformen gab es in Preußen bereits 1806. Es sind diese Reformen, die noch heute den modernen Staat in Verwaltung und Strukturen charakterisieren.

Des Weiteren kam es vor, dass Herr Heidtmann in seiner Unstrukturiertheit Tatsachen verwechselte, wie zum Beispiel als er Hohn über Friedrich den Großen verbreiten wollte und dafür Jacob Paul Freiherr von Gundling hinzuzog, um auch dem Alten Fritz grausame Eigenschaften anzulasten. Allerdings sind diese Taten dem Soldatenkönig, also Friedrich Wilhelm I. zuzuschreiben.

Ich bin in das Seminar voller Offenheit und Aufgeschlossenheit gegangen und war sehr gespannt darauf, mit vielen neuen Geschichten Preußens bereichert zu werden, wurde aber leider bitter enttäuscht. An dem Seminar störte mich insbesondere die Einseitigkeit der Sichtweise des Referenten. Den Zuhörern wurden keine neutralen Fakten vorgetragen, sondern nur die subjektiv negative Preußenmeinung des Referenten schier aufgezwungen. Er wiederholte Schlagwörter wie „Pflichtbewusstsein ist schlecht“, „Preuße ist man nicht mit dem Herzen“ oder „Tugenden wurden dem dummen Volk von oben auferlegt“ so häufig, dass ich es nicht hätte zählen können.

Nicht zu vergessen sein alltägliches Schlussplädoyer, welches wahlweise lautete: „Was für eine merkwürdige Geschichte dieses Preußen ist“, „Da bekommt man von den Deutschen das Gefühl, sie mussten alles übertrumpfen. Das ist ein tiefsitzender Minderwertigkeitskomplex“, „Niemand weint Preußen eine Träne nach“ oder „Für mich ist Preußen tot“.

Dass dies auch den anderen Kursteilnehmern aufgefallen war, wurde mir besonders ab Mittwoch klar, als einige Teilnehmer sagten, dass sie am liebsten nach der morgendlichen Schlossführung erst gar nicht mehr zum nachmittäglichen Unterricht erscheinen wollten. Zu diesem Zeitpunkt bemerkte ich, dass nicht nur ich das Seminar als glatte Themaverfehlung und einseitige Propaganda empfunden habe. Die einzigen positiven Erlebnisse waren die Führungen durch Potsdam und das Schloss Sanssouci.

Am schlimmsten fand ich die Aussage des Referenten zum Schluss der Veranstaltung, als er meinte „Es gibt Historiker, die heute die Ehrenrettung Preußens versuchen“. Da frage ich mich: Welche Ehrenrettung? Preußen war ein ehrbarer, hoch entwickelter, weitsichtiger Staat und macht einen Großteil unserer 1000-jährigen deutschen Geschichte aus. Auch wenn wir dazu erzogen wurden, uns für unsere Vergangenheit zu schämen, muss ein Historiker wie Heidtmann doch zwischen zwölf Jahren Diktatur im Dritten Reich und der 600-jährigen preußischen Geschichte unterscheiden können.

Ich verbinde mit Preußen sehr viele positive Dinge, unter anderem die Bewunderung für die Weitsicht und Modernität der Könige zu ihrer Zeit, das harmonische und einfache Leben der Bevölkerung mit all ihren Brauchtümern sowie Aufgeklärtheit und gegenseitige echte Toleranz, die uns heute noch ein Vorbild sein sollte. Es gehört zur originären Aufgabe eines Historikers, nicht das Damals im Licht von heutigen Auffassungen und Blickwinkeln darzustellen, sondern genau umgekehrt: Die Fakten aus historischen Vergleichen unter den damaligen Gegebenheiten zu bewerten.

Wie der Kursleiter gleich zu Beginn der Woche beteuerte, war allein er für die Auswahl der Lehrinhalte verantwortlich und hatte somit freien Handlungsspielraum. Dies ist wohl dem Seminar zum Verhängnis geworden. Da Herr Heidtmann in dieser Rolle offensichtlich eine glatte Fehlbesetzung ist, sollte meiner Meinung nach in Zukunft eine Persönlichkeit dieses Thema vorstellen, die erstens mit Anregungen aus dem Auditorium umzugehen versteht und zweitens keine antipreußische Haltung hat, sondern damit geschichtswissenschaftlich neutral, facettenreich und wahrheitsgemäß umgehen kann.         Iris Chochoiek


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