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22.10.11 / Durch Chauvinismus ist vieles verloren gegangen / Verleihung des Georg-Dehio-Kulturpreises 2011 – Kulturelles Erbe der Deutschen sichern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-11 vom 22. Oktober 2011

Durch Chauvinismus ist vieles verloren gegangen
Verleihung des Georg-Dehio-Kulturpreises 2011 – Kulturelles Erbe der Deutschen sichern

In einem feierlichen Festakt wurde am 22. September in Berlin der Georg-Dehio-Kulturpreis 2011 des Deutschen Kulturforums östliches Europa an D. Dr. Christoph Klein, Bischof a. D. der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien und an den Organisten und Musikwissenschaftler Jan Janca überreicht.

Nach der Begrüßung der rund 200 Gäste durch die Direktorin des Deutschen Kulturforums östliches Europa, Frau Dr. Doris Lemmermeier, wies die Abteilungsleiterin beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Frau Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel, in ihrer Rede auf die zum Teil jahrhundertealte Geschichte der Deutschen im östlichen Europa hin und auf ihre kulturellen Hinterlassenschaften, die die Regionen entscheidend mitgeprägt haben und heute ein gemeinsames Erbe der Deutschen und ihrer östlichen Nachbarn sind.

Um die Menschen für den Erhalt dieser kulturellen Schätze zu sensibilisieren, wurde auch der Georg-Dehio-Preis vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geschaffen. In dessen Namen überreichte Frau Dr. Berggreen-Merkel den Preisträgern ihre Urkunden. Die Laudationes hielten der Oberbürgermeister von Hermannstadt [Sibiu], Klaus Johannis, und der Musikwissenschaftler Prof. em. Dr. Hubertus Unverricht. Die Potsdamer Turmbläser bestritten die musikalische Umrahmung.

Eine siebenköpfige Jury unter dem Vorsitz von Frau Beate Störtkuhl hatte am 7. April D. Dr. Christoph Klein, Bischof a. D. der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (A. B.) in Rumänien den Hauptpreis zuerkannt. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass es Bischof Klein gelang, nach dem Exodus der Deutschen aus Rumänien infolge der politischen Wende 1989 die Evangelische Kirche A. B. als lutherische Diasporakirche neu zu gestalten. Sein seelsorgerisches Wirken „stand konstant im Zeichen der Überzeugung, dass den neuen Herausforderungen der Kirche nur durch den Dienst an der Gesamtgesellschaft gemeinsam mit der Mehrheitsbevölkerung und den anderen Minderheiten in Rumänien sowie mit den anderen Kirchen und Konfessionen begegnet werden kann“. Das Engagement von Bischof Klein und die Übernahme der Verantwortung für die vom rumänischen Staat rückerstatteten Kulturgüter trug wesentlich dazu bei, das kulturelle Erbe der Deutschen in Siebenbürgen zu sichern.

In seiner Laudatio charakterisierte Oberbürgermeister Johannis Bischof Klein als jemanden, „der einen starken Glauben an das Gute im Menschen und in der Welt besitzt und diesen Glauben weitergibt“. Er verwies auf die große Bedeutung der Evangelischen Kirche in Rumänien für die Identität der dort lebenden Deutschen und als Bewahrerin der kulturellen Hinterlassenschaften der Siebenbürger Sachsen. Nach der „Selbstverabschiedung“, wie er es nannte, des Großteils der Deutschen „blieb das riesige Kulturerbe einer Volksgemeinschaft (zurück), die Teil einer Kulturen- und Völkervielfalt in Siebenbürgen war, wie sie in Europa in wenigen Gebieten über mehrere Jahrhunderte hinweg bestanden hatte“. Bischof Klein gelang nicht nur die Neustrukturierung der Kirche hinsichtlich ihrer seelsorgerischen und karitativen Aufgaben, sondern auch eine weitgehende Bewahrung des kulturellen Erbes. Johannis skizzierte die Maßnahmen, die auf Initiative des Bischofs zur Sicherung der historischen Gebäude und der Gegenstände von künstlerischer, geschichtlicher, dokumentarischer oder wissenschaftlicher Bedeutung ergriffen wurden: die Einrichtung von Sammelstellen in den fünf Kirchenbezirken sowie beim Landeskonsistorium, Bereitstellung eines der Bewahrung und Sicherung dienenden Gebäudes, die Einrichtung des landeskirchlichen Museums sowie einer „Leitstelle Kirchenburgen“.

Der Ehrenpreis des Georg-Dehio-Kulturpreises wurde Jan Janca für seine Erforschung der Orgellandschaft Danzigs sowie Ost- und Westpreußens verliehen. In Danzig geboren und in Krakau ausgebildet, lebt und arbeitet Janca seit 1957 in der Bundesrepublik. Auf seine Initiative restaurierten polnische und deutsche Fachleute gemeinsam mehrere historische Orgeln dieser Regionen. Janca engagiert sich nicht nur für den Erhalt des gemeinsamen Kulturerbes, sondern „er vermehrt dieses Erbe um eigene Werke, die der Idee der Verständigung und Versöhnung musikalischen Ausdruck verleihen“, so die Jury.

Unter dem Titel „Schicksal als wissenschaftliche und künstlerische Aufgabe: Jan Janca als Organologe, Orgelvirtuose und Komponist“ würdigte Prof. Dr. Hubert Unverricht die Leistungen Jan Jancas auf dem Gebiet der Erforschung und Dokumentation der historischen Orgeln in Danzig, West- und Ostpreußen, ihrer Erbauer sowie der Kompositionen, die für diese Musikinstrumente geschaffen wurden. Neben dem Wissenschaftler, dessen Arbeitsergebnisse in Vorträgen und Publikationen einfließen, stellte er den Orgelvirtuosen Jan Janca vor, der durch Rundfunkaufnahmen und Schallplatteneinspielungen dieses reiche Erbe einem großen Publikum vermittelte.

Abschließend verwies er auf den Komponisten Jan Janca. „Aus zutreffendem Grund hat Jan Janca den Ehrenpreis als international bekannter Organologe und regionaler Musikhistoriker erhalten; er war jedoch auch ein anerkannter Organist und Orgelvirtuose und ist ein sehr bedeutender und geschätzter moderner Komponist von Kirchenmusikwerken ... Der umsichtige, fleißige und gründliche Jan Janca führt damit die Bemühungen weiter, der Organologie und der regionalen Musikgeschichtsforschung im Fach Musikwissenschaft ein größeres und anerkannteres Gewicht zu geben.“

Die Leiterin der politischen Abteilung der Botschaft von Rumänien, Frau Dr. Laura Popescu, verlas stellvertretend das Grußwort des erkrankten Helge Fleischer, Unterstaatssekretär im Department für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung. Herr Fleischer hatte Bischof Klein für den Preis vorgeschlagen. In seinem Grußwort skizzierte er die große Bedeutung des Bischofs für die Siebenbürger Sachsen und dankte der Jury für ihre Wahl.

Bischof Klein dankte für seine Wahl und die Preisverleihung. Er habe die Tätigkeit, für die er mit dem Georg-Dehio-Kulturpreis ausgezeichnet wurde, stets als seine Aufgabe angesehen. In dem Bewusstsein, in einer großen Tradition zu stehen, zu der die deutsche Sprache, Kultur, die Kirchenburgen, der evangelische Glaube wie auch das Bild seiner Heimatkirche gehöre, sei es für ihn selbstverständlich gewesen. Als Christ vertraue er auf die Gnade Gottes, dass seine Arbeit nicht vergebens sei.

Jan Janca skizzierte in seinen Dankesworten die Zusammenarbeit mit Werner Renkewitz und Hermann Fischer an der mehrbändigen Publikation „Geschichte der Orgelbaukunst in Ost- und Westpreußen von 1333 bis 1944“. Er verglich diese Arbeit mit der Archäologie, da aufgrund chauvinistischer Gesinnung vieles verloren gegangen sei und beschrieb die heutige Situation der historischen Orgeln in Polen und dem Königsberger Gebiet. Abschließend verwies er auf Georg Dehio, dessen Grab sich auf einem Friedhof in Tübingen, seinem Wohnort, befindet. Claudia Tutsch


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