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22.10.11 / Sage mir, was du trägst ...   / Neue und alte Modetrends unter die Lupe genommen oder Wenn Designer von der Straße lernen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-11 vom 22. Oktober 2011

Sage mir, was du trägst ...  
Neue und alte Modetrends unter die Lupe genommen oder Wenn Designer von der Straße lernen

„Die Mode übt ihren Einfluss nicht bloß auf Hüte und Röcke, sondern auch auf das, was darunter ist.“ Zu dieser Erkenntnis kam bereits im 19. Jahrhundert der Erzähler und Aphoristiker Johann Jakob Mohr. Eine Ausstellung in Berlin widmet sich gerade diesem Thema.

Jeden Morgen ist es das selbe Spiel: Die Hand gleitet über die Bügel im Schrank, auf denen sich Blusen, Hemden und Kleider aneinanderreihen. „Was ziehe ich an?“ Diese Frage stellt sich wohl fast jede Frau. Sie muss sich entscheiden: Will sie sportlich-elegant oder klassisch daherkommen? Reichen vielleicht auch nur die bequeme Jeans und ein Pullover? Indem sie eine Wahl trifft, hat sie auch schon die Frage beantwortet: Wer möchte ich heute sein? Kleidung sagt schließlich viel über den Menschen aus, der sie trägt. Die neue Wechsel-Ausstellung „Fashion talks“ (Mode erzählt) im Berliner Museum für Kommunikation beleuchtet den individuellen und kollektiven Umgang mit Mode und macht die Botschaften deutlich, die über die Mode transportiert werden – bewusst oder unbewusst.

Auf 450 Quadratmetern Ausstellungsfläche nimmt die Schau alte und neue Modetrends unter die Lupe. Gleich zu Beginn trifft der Besucher auf fünf lebensgroße Figuren, die mit Abzeichen wie Sonnenbrille, Orden oder Designermarken verziert sind und die jeweiligen Modetypen darstellen sollen. In einem Spiegelgang begegnet man sich selbst und kann sein eigenes wie auch das Erscheinungsbild der anderen Besucher begutachten. Eine 21 Quadratmeter große Tafel beleuchtet schließlich die Entwicklung der Mode und berichtet unter anderem von der Befreiung der Frau vom Korsett oder dem Einfluss der Sportmode auf die Alltagskleidung.

Jugendlichen wird oftmals vorgeworfen, sie würden sich uniform kleiden. Jeans und Parka prägten lange Zeit das Straßenbild. Mittlerweile ist wieder ein wenig mehr Farbe zu sehen. Dennoch sind Merkmale einer Einheitskleidung zu entdecken. „Accessoires wie Sonnenbrillen, Schnürsenkel oder gar Kopfhörer sind moderne Rangabzeichen einer Alltagsuniform. So dominiert der ,Einheitslook‘ der unterschiedlichen Milieu-, Jugend- und Trenduniformen das Straßenbild“, erläutern die Ausstellungsmacher. Wie weit das Thema Uniform gefasst werden kann, zeigt die Auswahl der Exponate, die von einer historischen Postuniform bis zum künstlichen Fingernagel im Hahnentrittmuster reicht. Mit der Zeichensprache kann man allerdings auch spielen. So fertigten ideenreiche Designer einen Uniformmantel aus lauter Mode-Etiketten an. Auch eine „Krone“ aus Tweed, geschaffen von der avantgardistischen Modemacherin Vivienne Westwood und von der Schauspielerin Meret Becker für die Ausstellung zur Verfügung gestellt, reiht sich in dieses Thema ein.

Die Designer haben schon lange erkannt, dass Trends oft auf der Straße kreiert werden. So kopieren sie gern szenetypische Merkmale wie etwa die Hornbrille, die sich meist junge Mädchen auf die Nase setzen, obwohl sie keinen Sehfehler haben, und passen sie dem allgemeinen Geschmack an. In der Ausstellung werden authentische Abzeichen von 24 Szenen präsentiert. Und mit Erstaunen muss man feststellen, dass so manches, was ursprünglich als Protest gegen die Gesellschaft gedacht war, mittlerweile Massenprodukte ziert.

„In einer in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Jugendkulturen e.V. entstandenen Datenbank sind mehr als 60 Jugendszenen und deren Style Codes in Form von Kurzprofilen abrufbar“, erläutern die Ausstellungsmacher. „Und wer eine noch nicht erfasste Jugendszene kennt, kann gleich vor Ort einen Antrag auf Aufnahme stellen – auf einer mechanischen Schreibmaschine versteht sich.“

Wie werden Trends überhaupt gemacht? Diese Frage stellt sich der Verbraucher nicht zuletzt beim Besuch der Berliner Ausstellung. „Modekonzerne sind Nachahmer und Trendsetter zugleich. Sie bewegen sich am Puls der Zeit und absorbieren gesellschaftlich relevante Themen. Die Interessen ihrer Zielgruppe stets im Blick docken sie geschickt an aktuelle Themen und Inhalte an.“ Manche setzen auch auf die Kreativität der Kunden, als Beispiel dient ein weißer Turnschuh von Adidas aus dem Jahr 1983, zu dem man gleich auch Acrylfarben mitgeliefert bekam, um ihn dann nach eigenem Geschmack zu gestalten.

Wer nun beim Blättern in der Modeillustrierten oder gar beim Besuch einer Modenschau ein Déjà-vu hat, also meint, es ist doch so alles schon einmal dagewesen, der muss auf die Details achten. Gewiss, Jeans zum Beispiel gibt es schon seit Jahrzehnten. Ursprünglich als derbe Arbeitshose erfunden, ist sie heute Teil einer globalen Alltagsuniform. Doch Jeans ist noch lange nicht gleich Jeans. Der Schnitt ändert sich, die Farben, manchmal auch die Oberfläche des Stoffs. Und natürlich die persönlichen Gebrauchsspuren, sie machen die Jeans zu einem unverwechselbaren Kleidungsstück. Doch mittlerweile sind die Designer auch diesem Phänomen auf der Spur und haben diese Spuren industriell erzeugt. Auch Löcher und Risse am Knie waren eine Zeitlang „in“.

Camouflage, sogenannte Tarnmuster, waren ursprünglich den Soldaten vorbehalten. Über die Subkultur gelangten sie sogar bis in die Haute Couture, wo sie auf Abendroben oder Handtaschen Furore feierten. In der Ausstellung treibt ein aus 4800 Wäscheklammern kreiertes Tarnkleid dieses Thema auf die Spitze, da mutet ein gestrickter Ganzkörpertarnanzug noch harmlos an.

Schöner wird’s in der Abteilung „Tartan“. Die karierten Stoffe, die man in Großbritannien „Tartan“ nennt, gibt es schon seit mehr als 250 Jahren. In Schottland zeigen die unterschiedlichen Farben und Größen der Karos, zu welchem Clan der Träger gehört. Heute sind sie wieder en vogue. Vom Schulmädchen über den Punk bis hinein in die Oberschicht wird Karo getragen. Die Ausstellung „Fashion talks“ erzählt die Geschichte und Geschichten rund um das Karomuster und bietet sogar die Möglichkeit, am PC ein eigenes zu entwickeln und auf eine Papierkrawatte zu drucken.

Neu und für das modebegeisterte Publikum aufregend dürften auch die monatlich wechselnden Präsentationen junger noch unbekannter Modemacher sein. Sie zeigen hier ihre Kreationen von morgen.      Silke Osman

Die Ausstellung „Fashion talks“ im Museum für Kommunikation, Leipziger Straße 16, Berlin, ist bis zum 26. Februar 2012 dienstags von 9 bis 20 Uhr, mittwochs bis freitags von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 3/1,50 Euro.


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