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29.10.11 / Zitate hinterfragt / Ursprünge zahlreicher alltäglicher Redewendungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-11 vom 29. Oktober 2011

Zitate hinterfragt
Ursprünge zahlreicher alltäglicher Redewendungen

Amüsant, wiewohl nicht neu. Ein sprachverliebter Autor schaut dem Volk aufs Maul, notiert, was es in formelhafter Abrundung von sich gibt, und dokumentiert, woher es seine Formeln hat. Wer das tut, misst sich (und wird gemessen) an August Georg Büchmann, der 1864 mit seinen „Geflügelten Worten“ einen langlebigen Evergreen veröffentlichte. Auch bei Seidels „Zitaten“ lässt Büchmann häufig grüßen, mit gewichtigen Unterschieden. Dessen strenge Periodisierung der Wortherkunft wird bei Seidel oft zur heiteren Kraut-und-Rüben-Mixtur, seine stenografische Kürze der Wortinterpretation weitet sich zu kleinen Feuilletons. Auch ist Seidels Auffassung von „Zitat“ schwammig: Werden Slogans zu Zitaten, nur weil die Werbung sie in alle Ohren und Augen knallt? Seidel bejaht es und führt unter dem Titel „Der Duft der großen weiten Welt“ 20 Seiten Werbesprüche an. Wohlgemerkt solche, die dem heiteren „Ach ja“-Wieder­erkennen dienen, das das ganze Buch auszeichnet.

Es beginnt mit Märchen, Fabeln und Sagen („Es war einmal“), springt unvermittelt zu Filmtiteln („Vom Winde verweht“), legt den Rückwärtsgang zur Antike ein („Insel der Seligen“), prescht vor zur Literatur, die in souveräner Subjektivität abgehandelt wird, von A (wie Asterix) bis Z (wie Zorro), dabei wohl eigenen Literaturvorlieben folgend: Shakes-peare extensiv („Ein Königreich für ein Pferd“), Schiller endlos („Dolch im Gewande“), Goethe bescheidener, Brecht mit einigen Knallern („Und der Haifisch, der hat Zähne“), Heine und Tucholsky mit je einem Zitat, andere als Staffage ihrer berühmten Figuren wie Dorian Gray (Oscar Wilde), Sherlock Holmes (Arthur Conan Doyle).

Haseks „Schwejk“ steht stellvertretend für den ganzen Osten, den Seidel ansonsten übergeht: Dostojewskis „Schuld und Sühne“, Sienkiewicz’ „Quo vadis“, Wasows „Unter dem Joch“, Andrics „Brücke über die Drina“ und ungezählte mehr sind Seidel fremd. Ein Vorwurf ist das nicht, eher Anerkennung seines Muts zur Selektion: Was ich nicht als „Redewendung“ aufliste, ist eben keine!

Dafür ist sein Schlusskapitel „Zitate aus Liedern und Schlagern“ ein Perlchen, schon ob der unfreiwilligen Komik seiner Anordnung. Da stehen hinter einander „Auf zum letzten Gefecht“, „Marschiert im Geiste mit“ „Auferstanden aus Ruinen“, „Die Partei hat immer recht“ und das chinesische „Der Osten ist rot“. Aufschluss im Detail gibt ein Stichwortregister, das man beim unweigerlichen Lesevergnügen vielleicht gar nicht braucht. Wolf Oschlies

Wolfgang Seidel: „Wie kam der Sturm ins Wasserglas? Zitate, die zu Redewendungen wurden“, dtv, München 2011, 302 Seiten, 12,90 Euro.


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