20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.11.11 / Im Zweifel gegen die Familie / Parteien fahren bei Kinderfreibetrag, Kindergeld und Betreuungsgeld Zick-Zack-Kurs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Im Zweifel gegen die Familie
Parteien fahren bei Kinderfreibetrag, Kindergeld und Betreuungsgeld Zick-Zack-Kurs

Für Ex-Kanzler Gerhard Schröder stand Familienpolitik nicht besonders hoch im Kurs. Er verhöhnte sie im Oktober 1998 bei seiner Kabinettsvorstellung als „Gedöns“ („Frauenpolitik und so Gedöns“). Nun glänzt die SPD mit verfassungswidrigen Vorschlägen zur Familienpolitik. Doch auch CDU und FDP nehmen ihre eigenen Wahlversprechen zur Familienpolitik nicht ganz ernst.

„Einen Frontalangriff auf die Verfassung“ nennt Klaus Zeh, CDU-Landtagsabgeordneter aus Thüringen und Präsident des Deutschen Familien-Verbandes (DFV), einige der jüngsten Vorschläge der SPD zur Familienpolitik. In einem Leitantrag „Familienland Deutschland“ hatte der SPD-Vorstand kürzlich unter anderem vorgeschlagen, „die steuerliche Entlastungswirkung der bisherigen Kinderfreibeträge in den oberen Einkommensgruppen (zu) begrenzen.“ Anders ausgedrückt: Bei Eltern mit hohem Einkommen, bei denen der Kinderfreibetrag, derzeit 7008 Euro, eine Steuererstattung über das Kindergeld hinaus bringt, soll „gekappt“ werden.

Tatsächlich erhalten „reiche“ Eltern für ihre Kinder mehr Geld vom Staat als Gering- und Normalverdiener: Für das erste und zweite Kind gibt es seit dem 1. Januar 2010 jeweils monatlich 184 Euro (vorher: 164 Euro) Kindergeld. Das macht im Jahr 2208 Euro. Bei der Steuererklärung prüft das Finanzamt, ob die Eltern sich mit dem Kinderfreibetrag besser stehen als mit dem Kindergeld. Das ist bei einem Steuersatz ab etwa 32 Prozent der Fall (32 Prozent von 7008 Euro = 2243 Euro). Topverdiener mit dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent erhalten mit 2943 Euro gut 700 Euro mehr Steuererstattung vom Staat als der „Otto- Normal-Steuerzahler“.

Das findet die SPD ungerecht und will hier etwas ändern. „Der Kinderfreibetrag und das Kindergeld sind keine milden Gaben“, über die Politiker nach Gutdünken entscheiden können, wettert DFV-Präsident Zeh. Vielmehr habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgetragen, das Existenzminimum einkommensteuerfrei zu belassen. Klaus Zeh: „Wer einen besseren Familienleistungsausgleich will, muss das Kindergeld erhöhen, statt beim Kinderfreibetrag zu kürzen.“ Und DFV-Bundesgeschäftsführer Siegfried Stresing fragt provokativ: „Ob sich die SPD wohl trauen würde, den (besserverdienenden) Arbeitnehmern beim Lohnsteuerjahresausgleich einfach mal so die Steuer­erstattung für die Pendlerpauschale zu kappen?“ Ihn ärgert, dass von allen Freibeträgen im Steuerrecht „ausgerechnet der von der Verfassung vorgegebene Kinderfreibetrag immer wieder in die Schusslinie gerät.“ Das zeige, dass Familien noch immer als „Almosenempfänger und nicht als Leistungsträger wahrgenommen“ werden.

Das Bild einer launenhaften und unberechenbaren Familienpolitik zeigt sich indes ebenso bei den Regierungsparteien CDU und FDP. Beide Parteien hatten in ihren Wahl- und Regierungsprogrammen 2009 exakt den gleichen Betrag versprochen, der nach Regierungsübernahme als Kinderfreibetrag (= steuerliches Existenzminimum) Gesetz werden sollte: 8004 Euro. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP hieß es dann auf einmal nur noch: „Der Kinderfreibetrag wird in einem ersten Schritt zum 1. Januar 2010 auf 7008 Euro und das Kindergeld um je 20 Euro erhöht.“ Von einem zweiten Schritt, der erwartungsgemäß zu den übereinstimmend versprochenen 8004 Euro Kinderfreibetrag hätte führen müssen, war allerdings keine Rede mehr. Dominik Geißler, stellvertretender Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, erklärt das nicht eingehaltene Wahlversprechen mit der Haushaltskonsolidierung: „Das Finanzministerium hatte Einwände.“ Komisch: Vergangene Woche war erst mal Schluss mit dem Konsolidieren. Da kündigten Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein Ministerkollege Philipp Rösler (FDP) eine Steuersenkung an, die besonders „kleine und mittlere Einkommen“ entlasten solle. Der Grundfreibetrag wird erhöht und der Anstieg der Besteuerung (= Progression) abgeflacht. Wer nun glaubte oder hoffte, dass mit dem Grundfreibetrag auch der Kinderfreibetrag, also der Grundfreibetrag für kleine Menschen, angehoben würde, wurde allerdings enttäuscht: Silke Bruns, Sprecherin des Bundesfinanzministers, stellte klar, dass mit dem Grundfreibetrag nicht der Freibetrag für Kinder gemeint sei. Fazit: keine Erhöhung des Kinderfreibetrages, kein Einlösen des Wahlversprechens – Kinder haben nun mal keine Stimme bei Wahlen.

Familienpolitischer Zick-Zack-Kurs auch beim Betreuungsgeld, das ab 2013 gezahlt werden soll. Eltern, die ihr Kind im Alter von ein bis drei Jahren, nach der Elternzeit, zu Hause betreuen, sollen Anspruch auf monatlich 150 Euro haben. Das hatte die CSU 2009 im Koalitionsvertrag durchgesetzt, gegen eine ablehnende FDP und halbherzig zustimmende CDU. Die anderen Bundestagsparteien sind alle mehrheitlich gegen das verächtlich als „Herdprämie“ bezeichnete Betreuungsgeld.

Das Wahljahr 2013 rückt langsam näher. Nun schlägt CDU-Familienministerin Kristina Schröder vor, das Betreuungsgeld nur noch für ein Jahr zu zahlen. Als „nicht akzeptabel“ lehnt dagegen CSU-Familienpolitikerin Dorothee Bär den Vorschlag ab. Der Koalitionspartner FDP verweist auf die schwierige Haushaltslage. „Ich sehe nicht, wo die drei Milliarden dafür herkommen sollen“, äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar, in der „Bild“-Zeitung.

Familienpolitik wie gehabt: halbherzig, nicht verlässlich, nach Kassenlage, im Zweifel gegen die Familie – eben „Gedöns“-Politik.

Siegfried Schmidtke


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren