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05.11.11 / Hauptsache kein Linker / Nach Verhaftung eines Autobrandstifters wird dessen ideologischer Hintergrund vertuscht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Hauptsache kein Linker
Nach Verhaftung eines Autobrandstifters wird dessen ideologischer Hintergrund vertuscht

Nach der Festnahme des Serienbrandstifters André H. geht es Politik und Medien in Berlin vor allem um eines: Der Täter darf nicht dem linken Milieu zugerechnet werden. Eine skurrile Debatte entfaltet sich.

Berlins bundesweit berüchtigte Auto-Brandstifter haben seit zwei Wochen ein Gesicht. Die Polizei hat am 21. Oktober einen Serientäter verhaftet, den 27-jährigen André H. H. hat 67 Brandattacken auf Autos gestanden. Über 100 wirft ihm die Polizei vor. In der öffentlichen Debatte geht es unterdessen weniger um das Strafregister des Täters als um die Frage, ob eine (linke) politische Ideologie ihn zu den Anschlägen ermuntert hat.

„Zur linken Szene gehörte der 27-Jährige nicht“, schrieb der „Tagesspiegel“ gleich zu Beginn seines Beitrags über die Verhaftung von André H. fast erleichtert. Wochenlang hatte die Polizei ermittelt und war dem Täter vor allem dank der (vom rot-roten Senat zuvor lange kurzgehaltenen) Videoüberwachung öffentlicher Verkehrsmittel auf die Spur gekommen. Davon nahmen Politik und Medien nur am Rande Notiz.

Fahnder der Landespolizei hatten den Mann zunächst auf Überwachungsvideos in Bussen und U-Bahnen gesehen, die kurz vor und nach einer Brandstiftung aufgezeichnet worden waren. Dann wurde auch die Bundespolizei auf ihn aufmerksam und die Identität des Mannes ermittelt. Dank der Videos fiel auf, dass der Brandleger auffällig viele „Bezugspunkte“, so die Polizei, im Umfeld von anderen bekannten Brandorten hatte. Ein weiteres Plus der Bilder ist die von ihnen gelieferte Indizienkette: André H. kehrte nachts oft kurz nach Verlassen der Verkehrsmittel zurück, was kein normaler Fahrgast tut, so Ermittler. Nach eingehender Befragung verkündete dann Staatsschutzchef Oliver Stepien: „Er gehört definitiv nicht zur linken Szene.“ Aber: „Aus Frust und diffusem Sozialneid“ habe er Autos angezündet, habe der 27-Jährige laut den Ermittlern ausgesagt.

Das Motiv war somit Klassenhass auf alle, die sich im Gegensatz zum gelernten Maler ein Auto leisten können. Anderen ging es gesundheitlich besser. „Dieses Bessergehen symbolisierte sich für ihn im Besitz von teuren Autos der drei Marken, die er sich immer wieder zum Ziel für seine Brandstiftungen suchte“, so ein Beamter. Auch Innensenator Erhart Körting (SPD) meldete sich umgehend nach der Festnahme zu Wort. Seine Annahme, „wonach hinter vielen Brandstiftungen ein Einzeltäter stecken könnte, der nicht aus der linken Szene stammt“, sei richtig.

Mitte August hatte der arbeitslose André H. mit dem Legen von Bränden aufgehört. Er hatte eine Anstellung erhalten, keine Zeit mehr, so Ermittler. Oder das „diffuse Sozialneid“-Motiv war abgeflaut. „Kein Fall für den Staatsschutz, sondern eher für den Psychiater“ urteilt der „Tagesspiegel“.

Politisch diffus sind allerdings auch die Motive jüngst auffällig gewordener Linksextremer. Die hatten – das war unter Politikern wie Polizeiexperten bisher Konsens – mit ihren Brandanschlägen gegen Politikerautos und Politikgipfel (G8) das Feuerlegen erstmals zur nächtlichen Tatsache jenseits verwirrter Einzeltäter hochlodern lassen. Bis zur Verhaftung von André H. nahmen dieses Jahr allein in Berlin 470 Autos direkt durch Brandstiftung Schaden und 183 durch übergreifendes Feuer. Über 270 Autobrände stuft die Polizei als politisch motiviert ein. Linksextreme Brandanschläge auf die Deutsche Bahn in Berlin zeigten abermals, dass die Urheber der Brände keineswegs aus unpolitischen Milieus stammen.

Der Schaden, den nun allein der 27-Jährige verursacht hat, überschreitet die Millionengrenze. Dennoch kritisiert ausgerechnet Berlins Polizei-Vizepräsidentin Margarete Koppers mögliche Verschärfungen der Sicherheitspolitik durch den neuen rot-schwarzen Senat schon im Vorwege. Koppers behauptet, gegen linke Gewalt sei die Polizei der Hauptstadt „qualitativ und quantitativ sehr gut aufgestellt“.

Die Brandstiftungen gehen derweil unvermindert weiter. In Schöneberg und Lichtenberg gingen nur Stunden nach H.s Festnahme erneut Autos in Flammen auf. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Zumindest im Fall des teuren Fahrzeugs wird „eine politische Tatmotivation derzeit geprüft“, so die polizeiliche Mitteilung. Ein anderes vierrädriges Ziel der Brandstifter war ein Altwagen – allein schon daher erfolgt erst gar keine Prüfung politischer Motive. Diese im Nachhinein zu erhärten ist aufgrund der neuen politischen Einzeltäterthese ohnehin noch schwerer geworden, als überhaupt Täter zu ermitteln. Viele Brandgeschädigte können dank jüngster politischer Festlegung, was zur linksextremen Szene passende Motive sind (Sozialneid oder gar Klassenhass offenbar nicht), keine Opfer politischer Straftaten mehr sein. Auch ein vor Tagen verhafteter 19-Jähriger, der von Zeugen beim Zündeln gestellt wurde, kommt offiziell nicht als von extrem linkem Gedankengut angetrieben in Betracht. Dafür sei er zu betrunken gewesen. André H. hingegen erinnert sich genau an seine Ziele, so die Polizei.

Die Bundesregierung stellt indes, auch mit Blick auf die Berliner Bahnanschläge, einen allgemeinen bundesweiten Anstieg der Straftaten von Linksextremisten fest. Es gebe längerfristig eine stetige Zunahme, und es seien bereits die hohen Werte von 2009 erreicht. „Das Phänomen wird uns wohl noch beschäftigen“, sagte der Leiter des Berliner Landeskriminalamts (LKA), Christian Steiof, zum Thema Brandanschläge bei der Verhaftung von André H. Sverre Gutschmidt


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