18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.11.11 / Peinliche Premiere / Volksabstimmung soll Koalitionsstreit in Stuttgart beenden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Peinliche Premiere
Volksabstimmung soll Koalitionsstreit in Stuttgart beenden

Am 27. November wird Deutschland eine peinliche Premiere erleben: Erstmals werden die Bürger eines Bundeslandes an die Urnen gerufen, um mit einer verfassungsrechtlich kritischen Volksabstimmung einen Koalitionsstreit beizulegen. Denn darum geht es im Kern: Die Grünen, der größere Partner der Koalition in Stuttgart, sind – wie üblich – gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“. Die SPD dagegen war immer für das Projekt. Über die Sache war es in der Koalition zu heftigstem Streit gekommen.

Verfassungsrechtlich kritisch ist die Volksabstimmung aus zwei Gründen: Einmal ist bereits das sogenannte Ausstiegsgesetz, über das formal abgestimmt wird, so widersprüchlich formuliert, dass es einer kritischen Prüfung kaum standhielte. So heißt es in Paragraf 1, die Landesregierung solle verpflichtet werden, „Kündigungsrechte bei den vertraglichen Vereinbarungen mit finanziellen Verpflichtungen des Landes Baden-Württemberg für das Bahnprojekt Stuttgart 21 auszu­üben“. Wie der Arbeitskreis Juristen der CDU (LACDJ) feststellte, ist das keine rechtliche Bindung, zu kündigen, weil wohl auch den Grünen klar ist, dass die Verträge kein Kündigungsrecht vorsehen. Das Volk solle nur das Gefühl erhalten, mitreden zu dürfen, so die LACDJ. Außerdem bezieht sich die Abstimmung in jedem Fall nur auf den kleineren Landesanteil am Bau, den Löwenanteil trägt ohnehin der Bund. Der zweite verfassungsrechtliche Kritikpunkt richtet sich gegen die Ausrichtung des Gesetzes. Der Abschluss und das Kündigen von Finanzierungsverträgen sei allein Sache der Regierung, der Landtag und das Volk seien hierfür nicht zuständig, hatte der emeritierte Freiburger Juraprofessor Manfred Löwisch in seiner Klage argumentiert. Doch der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg wies seine Klage aus formalen Gründen ab: Der Emeritus sei als einfacher Bürger nicht klageberechtigt, es handle sich um einen Organstreit, also könnte allenfalls eine Landtagsfraktion klagen. Doch CDU wie FDP wollen die Volksabstimmung um den Grünen eine öffentliche Niederlage zuzufügen. Und die SPD als Koalitionspartner wird sich hüten, gegen den eigenen Regierungschef zu klagen.

Das Projekt hat alle Instanzen und alle Genehmigungsverfahren völlig korrekt durchlaufen. Das Baurecht der Bahn besteht. Sogar eine gesetzlich nicht vorgesehene nachträgliche Schlichtung aufgrund der gewaltsamen Proteste hat stattgefunden. Doch all diese Fakten scheren die Projektgegner überhaupt nicht. Sie marschieren weiter. Nicht nur die CDU erregt sich darüber, dass die Grünen in der Anti-S21-Kampagne völlig bedenkenlos mit der Linkspartei zusammenarbeiten, die in Baden-Württemberg auch weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Gleichzeitig verbieten die Grünen dem Koalitionspartner SPD die offizielle Mitarbeit im Pro-S21-Bündnis. Nur Wirtschaftsminister und SPD-Chef Nils Schmid als Person unterstützt die Kampagne.

Kritik richtet sich auch gegen die trickreiche Konstruktion des Volksentscheids: Es wird über ein Ausstiegsgesetz abgestimmt, das die Landtagsmehrheit von CDU, SPD und FDP gegen die Grünen abgelehnt hat – also muss jeder, der für „Stuttgart 21“ ist, mit „Nein“ stimmen, Projektgegner müssen mit „Ja“ stimmen. Bei diesem psychologischen Trick stand möglicherweise die grüne Hoffnung Pate, dass mancher gutmütige Bürger, der sich nur oberflächlich informiert, für das Projekt stimmen will und fälschlicherweise „Ja“ ankreuzt. Anton Heinrich


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren