25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.11.11 / Als Sparsamkeit noch zur Staatsräson gehörte / Selbst wenn der preußische Staat in schweren Zeiten Schulden machte, so baute er sie doch anschließend wieder ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Als Sparsamkeit noch zur Staatsräson gehörte
Selbst wenn der preußische Staat in schweren Zeiten Schulden machte, so baute er sie doch anschließend wieder ab

Die preußische Sparsamkeit entwickelte sich unter König Friedrich Wilhelm I. als Antwort auf die Verschwendungssucht seines Vaters, unter dem 1697 gemäß dem absolutistischen Motto „Der Staat bin ich“ (L’État, c’est moi) Staats- und Hofhaushalt zusammengelegt worden waren. Sofort nach seinem Amtsantritt 1713 nahm der junge König wieder die Trennung vor, denn künftig sollten „an die Stelle des Prunks und der Verschwendung … Einfachheit und Sparsamkeit“ treten. Zur Durchsetzung und vor allem Überwachung seines Vorhabens wurde bereits 1714 eine General-Rechenkammer (seit 1723 Preußische Ober-Rechenkammer) errichtet, eine Art Vorläuferin des heutigen Bundesrechnungshofes, die bis auf den letzten Pfennig alles prüfte. Der König tat sich hierbei durch eine „große Korrektheit und oft kleinliche Sparsamkeit“ hervor, indem er „persönlich die staatlichen Etats alle Jahre revidierte und die Besoldung seiner Beamten festsetzte“, wobei ihn seine Lebensdevise „Lieber mit Honneur nichts haben als mit Deshonneur im guten Stande sein“ leitete.

Zu den sofortigen Sparmaßnahmen gehörte beispielsweise die Reduzierung des königlichen Marstalls von 600 auf 120 Pferde, entsprechend wurde auch der Etat für das Pferdefutter zusammengestrichen, außerdem erfolgte eine Kürzung der Beamtenbezüge, was dazu führte, dass deren oft üppiger Lebensstil bald von drastischen Einschränkungen gekennzeichnet war. „So mancher, der bisher mehrspännig daherkam, fand sich als Fußgänger wieder“, hieß es damals spöttisch.

1723 wurden das Kriegskommissariat und das General-Domänen-Direktorium, zwei Finanzbehörden, die oft im Streit miteinander lagen, zum neuen General-Ober-Finanz-Kriegs- und Domänen-Direktorium, kurz General-Direktorium, vereinigt. Nach einer Weisung des Monarchen waren künftig nur Beamte einzustellen, „welche die Wirtschaft verstehen …, Gewinn und Verlust, die Tendenz des Staatshaushaltes, müssen in klaren Zahlen erscheinen“. Der Domänenbesitz wurde ständig erweitert und im Ertrag gesteigert, sodass seine Einkünfte daraus bald die Hälfte der gesamten Staatseinnahmen ausmachten. Seit 1713 war der preußische Etat grundsätzlich schuldenfrei, „außerordentliche Bedürfnisse“ wie etwa ein Krieg und seine Folgen sollten allein aus den angehäuften Ersparnissen, keinesfalls jedoch durch Kredite gedeckt werden, sodass „an die Stelle der Staatsschuld … der Staatsschatz, der ‚Tresor‘“ trat.

Indem Friedrich Wilhelm I. „all den Prunk oder Plunder barocker Hofhaltung“ seines Vaters beiseitefegte und sich „als Pfennigfuchser“ erwies, schaffte er bald einen modernen Einheitsstaat „mit sparsamster Verwaltung und gegenseitiger Kontrolle“, denn durch die für alle höheren Behörden eingeführte „kollegiale Verfassung wurde die gegenseitige Haftung zum Prinzip erhoben“. Obwohl er sich gerne die Staatsführung seines Großvaters, des Großen Kurfürsten, zum Vorbild nahm, übertraf der Soldatenkönig diesen doch bei Weitem, denn am Berliner Hof zogen nun „spartanische Einfachheit“, ja sogar „Sparsamkeit bis zum Geiz“ ein. Und der finanzielle Erfolg der Verwaltungsreform war durchschlagend: Sie bedeutete das Ende des massenhaften Schuldenmachens, wie man es unter dem ersten preußischen König gekannt hatte. Allerdings war die Durchsetzung gegen „Gleichgültigkeit, Schlendrian und Korruption“, wie sie bis dahin beim Beamtentum üblich gewesen war, nicht einfach, sodass der König einmal äußerte: „Parol’ auf dieser Welt ist nichts als Müh’ und Arbeit“, was man durchaus als seinerzeitiges preußisches Staatsmotto bezeichnen könnte. Doch die Anstrengungen zahlten sich aus, der Herrscher erreichte Jahr für Jahr ein ausgeglichenes Staatsbudget, was damals in Europa als ungewöhnlich galt und Erstaunen hervorrief und wovon heutige Regierungen nur träumen können. Als der Monarch 1740 starb, hinterließ er seinem Sohn und Nachfolger einen Staatsschatz in Höhe von zehn Millionen Talern. Die Tugenden aber, die er seinen Untertanen eingeprägt hatte und zu denen eben auch die Sparsamkeit gehörte, die er selbst bis zur Entsagung praktizierte, „drückten dem Volk und kommenden Generationen ihren Stempel auf“.

Auch wenn die Politik Fried­richs des Großen von gänzlich anderen Prioritäten geleitet war als die seines Vaters, so bemühte er sich trotzdem, dessen fiskalische Grundsätze beizubehalten. „Niemals darf“, so schrieb er etwa in seinem Testament von 1768, „das ganze Jahreseinkommen verausgabt werden, damit der Überschuss und der Staatsschatz stets hinreichen, um … allen Notlagen, in die der Staat geraten kann, gewachsen zu sein. Gute Verwaltung der Einnahmen und gute Regelung der Ausgaben: das ist die ganze Finanzkunst.“ Und in demselben Testament heißt es an anderer Stelle: „Die Finanzen sind auf Erden leider die Grundlage des Privatlebens wie des politischen Lebens. Das Geld ist der Nerv des Staates, seine Einkünfte der Puls, an dem man seine Lebenskraft misst. … und die Völker, die unter einer guten Finanzwirtschaft leben, sind glücklicher als die, deren Herrscher eine ungeordnete Wirtschaft führen. Denn eine reiche Regierung kann und muss den Untertanen helfen, eine verschuldete aber kann niemandem beistehen.“

Friedrich Wilhelm II., Friedrichs des Großen Neffe und Nachfolger, hielt zwar nichts mehr von Sparsamkeit, doch schon bald nach seinem Tode im Jahre 1797 war Preußen von den revolutionären Umbrüchen in Europa betroffen, welche die bisherige Ordnung geradezu auf den Kopf stellten. In den nachfolgenden Befreiungskriegen häufte dann auch Preußen gewaltige Schulden an, die aber später sukzessive abgebaut wurden. Und das Staatsschuldengesetz vom 17. Januar 1820 besagte gar, dass die bestehenden Staatsschulden ohne Zustimmung der Reichsstände – also der damaligen Volksrepräsentation – nicht vermehrt werden durften. Selbst in solchen Notzeiten wurde also die Sparsamkeit zur Staatsräson erhoben – welch ein Unterschied zur ausufernden Staatsschuldenkrise der Gegenwart! Im Gegensatz zu heute gab es damals allerdings auch einen „Willen zur Sparsamkeit, der sich immer an die untere Grenze dessen hielt, was so als ‚standesgemäßes Auftreten‘ galt, denn die selbstlose Hingabe an das Amt und damit an den Staat, das war der Inhalt des spezifisch preußischen Beamtenethos“, der durch den überwiegenden Zeitgeist unserer Tage verloren gegangen ist, denn Sparsamkeit bedeutete auch, „ohne Unterschied dem stetigen Wachstum des Ganzen sich (zu) unterwerfen“ – wovon sich die bundesdeutsche Gesellschaft inzwischen weit entfernt hat. Wolfgang Reith


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren