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05.11.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

wenn ich im Augenblick Selbstgespräche halte, so liegt das an fehlenden Partnern, nicht im Allgemeinen sondern im Besonderen, denn ich führe die Monologe in Platt, in der niederpreußischen Mundart meiner Heimat. Für einen unverhofften Zuhörer mag es schon seltsam klingen, wenn ich da vor mich hin brabbel: „Oaber joa doch, gewess, eck sie doch nich dammlich …“, aber Letzteres würde er wohl von mir glauben. Da müsste ich ihm doch erklären, dass ich im Augenblick die plattdeutschen Dialoge eines Buchmanuskriptes prüfe, das in der Rominter Heide spielt. Der Verfasser, der sich längst als Autor einer stattlichen Reihe von Büchern über dieses berühmte ostpreußische Jagdgebiet einen Namen gemacht hat, trat mit diesem Wunsch an mich heran. Denn Dr. Andreas Gautschi lebt zwar in der Rominter Heide, aber er stammt nicht von dort, sondern aus der Schweiz. Er studierte Forstwirtschaft in Zürich, promovierte in Göttingen und ging dann in die Romin­ter Heide, die ihn nicht mehr losließ. Dr. Gautschi dokumentiert die Forst- und Jagdgeschichte Preußens, forstwissenschaftlich fundiert und glänzend geschrieben, und verfasst Biografien über die Forstleute, deren Namen mit Rominten untrennbar verbunden sind. Seit im Jahr 1999 sein erstes Buch „Ro­minten – gestern und heute“ erschien, ist die Reihe auf 14 Veröffentlichungen angewachsen. In den nächsten Wochen erscheint seine Biografie über den Forstmeister Gustav Freiherr von Nordenflycht, der von 1877 bis 1893 Oberförster in Szittkehmen war. Sie enthält laut Untertitel „jagdliche und andere Streiflichter aus dem Leben eines Königlich Preußischen Forstmeisters“, was besagt, dass auch der „neue Gautschi“ ein facettenreiches Zeitbild bietet.

Aber nun ist Nr. 15 dran, liegt bereits als Manuskript vor und verspricht, die Reihe um ein anekdotenreiches Kapitel Rominter Forstgeschichte fortzusetzen. Handelt es sich schließlich um den „Heiligen Paul“, wie der hugenottische Name des Forstmeisters Fritz von Saint Paul in der Rominter Heide „eingedeutscht“ wurde. Und da in seinem Bereich, dem Königlich Nassawenschen Forst, die Menschen plattdeutsch sprachen, hat Andreas Gautschi viele Dialoge in Mundart geschrieben – und das als Schweizer. Natürlich hat er sich beraten lassen, aber weil er sich stets um größtmögliche Authentizität bemüht, wandte er sich an mich und bat um Überprüfung der plattdeutschen Texte. Und da meine Mutter aus der Stallupöner Gegend stammt und mir die Mundart jener Gegend vertraut ist, habe ich die Überarbeitung übernommen. Daher die Monologe, denn beim Sprechen erkennt man leichter die Fehler als beim Schreiben, das sowieso schwierig ist, denn es gibt keinen „Duden“ für das ostpreußische Platt. Das habe ich schon als 19-Jährige erfahren, als mein erstes Buch „De Läwensstruss“ bei Holzner-Tilsit herauskam. Zum Glück stand mir damals als erfahrener Ratgeber Professor Karl Plenzat zur Seite, und was ich von ihm lernte, habe ich bis heute nicht vergessen.

Und ausgerechnet dieses Erstlingswerk hat sich der russische Literaturfreund aus meiner Heimatstadt Ilya, der mich kürzlich besuchte, zur Übersetzung ausgesucht, um es neben anderen als „Bandchen“ herauszubringen. Die alten, in der Familie überlieferten Märchen, die meine Mutter mir erzählte und die ich weitergeben wollte, haben ihm so gefallen, weil sie in der ursprünglichen Natur spielen. Er selber wohnt in der Nähe vom Max-Aschmann-Park und „da gebliebene Natur kann immer einen Rat geben“. Zuerst will er aber meinen Rat, denn er kommt natürlich mit der Übersetzung nicht zurecht. Wie ich ihm da helfen kann – jedenfalls nicht in dem zeitaufwändigen Rahmen, den er vorschlägt – weiß ich noch nicht.

Vorschläge sind immer gut, aber eben nicht immer nachvollziehbar. So dürfte auch die Vorgabe von Frau Elke Schwenzfeier aus Wülf­rath, im Ostpreußenblatt eine weitere ständige Rubrik in plattdeutscher Sprache einzurichten, nicht zu verwirklichen sein. Sie hält auch schon einen Titel bereit: „Dat Sonnke schient op Platt weltweit“. Das klingt gut und für mich sehr verlockend, aber wir müssen bedenken, dass der Kreis der Leserinnen und Leser, die noch reines Platt sprechen – und es schreiben können! – immer enger wird. In Ostpreußen wurde es ja auch nicht überall gesprochen, das habe ich schon als junge Schriftstellerin bei meinen Lesungen gemerkt. Noch kürzlich wurde ich von einer masurischen Freundin gebeten, eines meiner plattdeutschen Gedichte in Hochdeutsch umzuschreiben, sie könnte es sonst nicht vortragen. Ich tat es, aber es war nicht mehr das ursprüngliche Poem, es hatte seine Eigenart verloren. Hier und heute kann ich das Thema nicht so intensiv behandeln, wie es angebracht wäre, aber ich bleibe am Ball. Und werde erst mal weiter in unserer Familien-Kolumne ab und zu „ e betke Platt schabbern“.

Na, machen wir’s doch gleich. „Vertellkes“ nennt man bei uns die kleinen amüsanten Histörchen, die anderswo im Niederdeutschen „Döntjes“ heißen. Und in denen es nicht immer so ganz ehrlich zugeht wie in der von dem mutigen Bauern, der sich in einer kalten Winternacht beim Heimgang vom Krug unverhofft einem Riesenwolf gegenüber sieht. Keine Flinte, kein Messer, nuscht zur Verteidigung des Ungeheuers, das weit den Rachen aufreißt, um ihn zu fressen. Nicht unsern tapferen, von etlichen Grogs gestählten Mann, der sich später noch einmal zurück im Krug vor den staunenden Mannslied pörscht: „Eck möt de Fuust rin en sin Muul on dorch sinem Buuk gegrapscht, bet eck dem Zoagel packe kund. Dänn hebb eck dat Beest eenfach omgedrellt. Doa mussd de Wulff ömmer no buute biete on vonne Stell käm he ook nich mehr!“ Klingt nach Münchhausen und ist es wohl auch – oaber vertellt ward de Geschicht tohuus, on dat is woahr!

Und damit habe ich einen schönen Übergang zu unserer nächsten Geschichte und die ist auch wahr, nämlich der Ritt einer nachgeborenen Ostpreußin auf der Kanonenkugel, die das Münchhausen-Denkmal in Luisenwahl in Königsberg ziert. Frau Brunhilde Krüger aus Hamburg hat davon ein Foto aufgenommen, es zeigt ihre Tochter Milena bei diesem Ritt während eines gemeinsamen Besuches von Frau Krügers Heimatstadt. Wie in der PAZ/Das Ostpreußenblatt in Folge 41 beschrieben, ist das Münchhausen-Denkmal ein beliebtes Fotomotiv, und als solches ließen es sich auch Mutter und Tochter Krüger auf ihrer Königsberg-Reise im Jahr 2009 nicht entgehen. Als nun Frau Brunhilde den Artikel über den Lügenbaron las, übersandte sie uns dazu eine kleine Geschichte – eine echte, denn sie ist in einem Briefwechsel mit dem Münchhausen-Museum in Bodenwerder belegt. Frau Krüger hatte das Bild an den Museumsleiter geschickt, aber es kam leider keine Reaktion. Keine Bestätigung oder Rücksendung – nichts. Frau Krüger schrieb dann im Juni vorigen Jahres noch einmal nach Bodenwerder und diesmal erhielt sie eine Antwort. Der Museumsleiter teilte ihr mit, dass er das Foto erhalten und unter „Russland“ archiviert hätte – und damit hatte es sich. Er entschuldigte sich, dass damals der Kontakt mit Königsberg aus mehreren Gründen nicht habe fortgeführt werden können, er wollte nun das Foto mit Milenas Ritt auf der Kanonenkugel im Museum ausstellen. Das dürfte er dann auch getan haben. Übrigens: Brunhilde Krüger hat auf jener Reise auch ihr Elternhaus in der Stägemannstraße 44A wiedergefunden, das sie als Dreijährige verlassen musste. In der Luisenkirche, in der ihre Eltern geheiratet hatten, wurde sie getauft.

Auch Herrn Eberhard Wever aus Hamburg hat unsere Ostpreußische Familie wieder zurück in die Heimat geführt. Als er in Folge 41 die Erinnerung von Frau Ursula Schäning-Dumke an den steinernen Bartel aus Barten las, dachte er sofort an seine Heimatstadt Bartenstein, zumal in dem Bericht auch die bekanntesten Steinfiguren erwähnt wurden, der Bartel und die Gustebalde, die sich in Bartenstein befanden. Sie sind fest in seiner Kindheit verankert, denn sein Vater, Dr. Friedrich Wever, war Landrat des Kreises Bartenstein von 1930 bis zu dessen Kriegstod Ende 1944. „Es ist schon berührend, einmal wieder den Namen ,Bartenstein‘ in unserer Zeitung zu lesen“, schreibt Herr Wever und fügt sehr liebe, anerkennende Worte über die Arbeit an meiner Ostpreußischen Familie hinzu, für die ich herzlich danke. Das tut schon sehr gut, denn manchmal drohen einen die immer schwieriger werdenden Fragen zu überrollen, zumal die meisten ein aufwändiges und sorgfältiges Recherchieren benötigen, weil die oft bruchstück­haften und fehlerhaften Angaben dies verlangen. Herr Wever hat sich gleich mit Frau Schäning-Dumke in Verbindung gesetzt und ihr Schilderungen seiner Kenntnisse übermittelt. Er selber musste als Elfjähriger Rastenburg verlassen, als seine Mutter mit ihren vier Söhnen am 21. Januar 1945 zur Flucht aufbrach. Über das letzte Weihnachtsfest zu Hause hat Herr Wever in seiner Autobiografie „Abends stell ich die Fragen“ geschrieben und mir daraus einen Auszug zugesandt. Auch dafür meinen besten Dank, lieber Herr Wever.

Ein Buch sucht Herr Hans-Otto Biedenkapp aus 35305 Grünberg, das er bisher nicht bekommen konnte. Allerdings ist es fraglich, ob es überhaupt in deutscher Sprache erschienen ist, denn es handelt sich um die Anthologie „Lebensläufe 1945–1956“, die von dem polnischen Autor Bohdan Lukaszewicz unter dem Titel „Zyciorysy 1945–1956“ herausgegeben wurde. Herr Biedenkapp wurde auf dieses Buch aufmerksam, als er las, dass Frau Hanna Schoenherr Vorträge hält, die sich auf die von dem Autor geschilderten Schicksale von in der Heimat verbliebenen Ermländern stützen. Falls es keine deutsche Ausgabe gibt, so müssten doch Übersetzungen vorhanden sein, meint Herr Biedenkapp und bittet um Hinweise, wo er diese erhalten könnte. (Hans-Otto Biedenkapp, Langer Weg 10 in 35305 Grünberg, Telefon 06401/903860, Fax 06401/903861)

Nicht immer ist es das Internet, in dem die Suchenden fündig werden. Oft sind es Nachlässe von Verstorbenen, in denen sich ein Hinweis auf ihre Herkunft findet, der für manchen Familienforscher eine neue Quelle erschließt. Das ist manchmal nur ein Brief, eine Notiz oder ein Zeitungsausschnitt, die in ein Buch gelegt und vergessen wurden. Auch Herr St. aus Hofheim war sehr überrascht, als er einen Ausschnitt aus einem alten Ostpreußenblatt fand, der ihm für seine Familienforschung wichtig erscheint. „Spät, sehr spät gelangte er in meinen Besitz“, wie er mit leichtem Bedauern schreibt. Der Ausschnitt zeigt eines der damals in jeder Folge erschienenen „Erinnerungsfotos“, die von Lesern eingesandt wurden und bei denen es sich zumeist um Klassenbilder handelte. In der Folge 30 vom 27. Juli 1974 war es das Erinnerungsfoto 478, das 1929 von einer Klasse der Cäcilienschule Tilsit mit ihrer Klassenlehrerin Fräulein Toni Stawitz gemacht wurde. Es war von einer Frau Charlotte Woll eingesandt worden, die anscheinend zu den abgebildeten Schülerinnen gehörte. Das Original wurde nach dem Abdruck an die Einsenderin zurück­gegeben, deshalb können wir die Bitte des Herrn aus Hofheim nach Überlassung einer Kopie auch nicht erfüllen. Ob die damalige Einsenderin diese Zeilen liest, ist fraglich, aber vielleicht befindet sich das Foto oder eine Kopie in einem Erinnerungsbuch oder in einer Chronik. Genauso wichtig – vielleicht sogar noch wichtiger – wären für den Schreiber aus Hofheim die Lebensdaten der Klassenlehrerin Toni Stawitz. Der Wunsch dürfte ja erfüllbar sein, wenn eine Schulchronik der Cäcilienschule oder andere Unterlagen existieren. Zuschriften bitte an die Ostpreußische Familie.

Eure Ruth Geede


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