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05.11.11 / Wi snackt Platt – du ok? / Auch Kinder und Jugendliche kann man an die niederdeutsche Sprache heranführen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Wi snackt Platt – du ok?
Auch Kinder und Jugendliche kann man an die niederdeutsche Sprache heranführen

1999 trat in Deutschland die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen in Kraft. Ziel der Charta ist es, Minderheitensprachen, wie das Niederdeutsche, vor dem Aussterben zu schützen und ihren Gebrauch unter anderem in Schulen und Medien auszuweiten.

Seit dem Schuljahr 2010/11 hat die Hansestadt Hamburg Niederdeutsch als eigenes Fach anerkannt. Auf dem Stundenplan vieler Grundschüler steht jetzt auch „Platt“. Allerdings zunächst nur an zehn Pilotschulen im Hamburger Süden – dort, wo noch am meisten Plattdeutsch gesprochen wird. Mecklenburg-Vorpommern geht einen eigenen Weg und setzt vor allem auf eine Qualifizierung der Lehrkräfte. Inzwischen gibt es etwa 100 Platt-Lehrer, die innerhalb ihrer ursprünglichen Fächer auf die Einbeziehung des Plattdeutschen achten. Auch in Schleswig-Holstein wird in alle geeigneten Fächer Niederdeutsch integriert. Das niedersächsische Kultusministerium hat zum 1. August 2011 den Erlass „Die Region und ihre Sprachen im Unterricht“ herausgebracht. Dort wird betont, dass Niederdeutsch zum Bildungsauftrag des niedersächsischen Schulgesetzes gehört. Die Schüler sollen fähig werden, „ihre Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeiten sowie ihre Ausdrucksmöglichkeiten unter Einschluss des Niederdeutschen zu entfalten“. Schulen, die sich besonders verdient machen um Sprachbegegnung und Spracherwerb, kann der Titel „Plattdeutsche Schule“ verliehen werden.

Platt beginnt im täglichen Leben wieder eine – wenn auch noch kleine – Rolle zu spielen. So weisen immer mehr Ortsschilder unter den hochdeutschen auch den niederdeutschen Ortsnamen auf. Doch hat das Platt im Zeitalter der Neuen Medien überhaupt eine Chance?

Selbst Wikipedia, die Internet-Enzyklopädie, hat eine plattdeutsche Ausgabe. In „Dat fre’e Nakieksel“ findet man alles zum aktuellen Tagesgeschehen, nur eben auf Platt. Wie um zu beweisen, dass Niederdeutsch nicht von gestern ist, kann man dort alles nachlesen über das tragische Leben der Rock-Sängerin Amy Winehouse, die im Juli dieses Jahres tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde, nicht mal 28 Jahre alt. Historisch Interessierte werden auch bedient. Stichworte wie „Pruzzen“, „Preußen (Landschop)“, „Brannenborg-Preußen“, „Frederik Willem I.“ oder „Fredrik II.“ führen direkt hinein in die Geschichte. Dort finden sich auch Kurzartikel über bedeutende Preußen: „Immanuel Kant (* 22. April 1724 in Königsbarg; † 12. Februar 1804 ok dor) weer een vun de wichtigsten düütschen Philosophen. Sien Wark ,Kritik der reinen Vernunft‘ is en Dreihpunkt in de Geschicht vun de Philosophie un to glieke Tiet de Anfang vun de moderne Philosophie.“ Oder: „Simon Dach (* 29. Juli 1605 in Memel; † 15. April 1659 in Königsbarg) weer de Schriever vun dat bekannte plattdüütsche Leed ,Anke van Tharaw‘. Sien eenzig plattdüütsch Leed, wat noch kundig is, is ,Anke van Tharaw‘, wat he to de Hochtiet vun Anna Neander mit den Pastoor Johannes Portatius schreven hett. Dach hett 1654 de Swindsucht kregen is dor 1659 vun doodbleven.“

Apropos Musik: 2009 wurde von der Initiative „Platt is cool“, die von sieben Landschaftsverbänden in Niedersachsen ins Leben gerufen wurde, das Projekt „Plattsounds“ gegründet, um Plattdeutsch für Schüler und Jugendliche interessanter zu machen. Die Gewinner des Jahres 2011 sind acht junge Musiker im Alter zwischen 18 und 25 Jahren mit ihrer Band „Voodoolectric“ aus Aurich. „Das Oktett rekreiert den Rock-Sound der 60er und 70er Jahre mit bluesiger Gitarrenlastigkeit“, las man über die Gewinner. Die Texte sind natürlich auf Platt.

Das hat sich auch die Hamburger Band „Tüdelband“ ins Programm geschrieben. Die Chefin der Band und deren Erfinderin, Miriam Buthmann, schreibt Texte über Liebe und Freiheit, singt vom Verlassenwerden und von der Einsamkeit am Deich. Plattdeutsch ist für die 24-Jährige eine Herzensangelegenheit: „Je mehr halt nationale Grenzen aufgelöst werden beziehungsweise überschritten werden können, desto mehr braucht man so eine regionale Verwurzelung, wo man herkommt. Und in dem Sinne ist das Plattdeutsche bei uns im Verbund mit diesem internationalen, popmusikalischen Kontext ganz interessant. Es bringt beide Aspekte zusammen.“

Auch für die Kleinen gibt es kulturelle Angebote auf Platt. So präsentiert die Fritz-Reuter-Bühne am 17. November, 16 Uhr (weitere Termine 18. November, 10 Uhr, und 23. Dezember, 16 Uhr) im E-Werk des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin ein neues Kinderstück. Für die bekannte und beliebte Geschichte „Pettersson und Findus“ des schwedischen Autors Sven Nordqvist haben Ulrike Stern und Manfred Brümmer eine Version für Kinder ab drei Jahren geschrieben, in der sich Platt- und Hochdeutsch abwechseln.

Dass die ganz Kleinen Plattdeutsch-Experten werden, darum bemüht man sich in vielen Kindergärten landauf, landab mit viel Einsatz und Liebe für die niederdeutsche Sprache. So wirbt die Broschüre „Bang sünd wi nich!“ für mehr Plattdeutsch in Kindergärten und räumt mit Vorurteilen gegenüber der Regionalsprache auf. Herausgegeben wurde das Infoheft vom Beirat Niederdeutsch des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Spielerisch geht’s zu beim „Fördervereen för de plattdüütsche Sprook“ im niedersächsischen Düdenbüttel. Dort hat man jetzt ein Memory-Spiel in Platt herausgebracht. Die Motive sind in Hochdeutsch und in Niederdeutsch beschriftet. Überhaupt hat man in den Kindergärten festgestellt, dass die Lütten die plattdeutsche Sprache ohne Probleme lernen können, es erleichtert ihnen sogar den Einstieg in andere Fremdsprachen, betont die Sprachaktivistin Cornelia Nath vom Plattdütskbüro in Aurich. Also: Wi snackt Platt – du ok? Silke Osman


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