26.04.2024

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05.11.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Guillotine / Warum Hans Eichel mehr verdient hat, was die Griechen sich schon wieder einbilden, und wie sich die Experten im Wald verliefen

Hauptleidtragende der Euro-Krise werden die Sparer sein und alle, welche von kapitalgedeckten Renten leben oder darin einzahlen. Warum? Weil die Notenbank die Zinsen künstlich niedrig hält. Um den verschuldeten Regierungen aus der Patsche zu helfen, werden die Zinssätze lange Zeit unter die Inflationsrate gedrückt. So verdampft man das Volksvermögen, um die Staaten zu entschulden.

Ärztefunktionäre berichten von vermehrten Anrufen besorgter Kollegen. Die freiberuflichen Mediziner sind in berufsständischen Rentenkassen organisiert. Also in jenen Töpfen, aus denen die Schuldenstaaten mit der Inflationskelle kräftig schöpfen.

Da müssen wir also schon wieder um unsere Altersversorgung bangen. Die Furcht um die ehrlich erworbenen Ansprüche zieht sich durch sämtliche Bevölkerungsgruppen. Das Zittern hat sogar die Spitze der Politik erfasst, also zumindest den Teil der Spitze, der im Ruhestand ist.

Wie Dienstag bekannt wurde, ist Hans Eichel in tiefer Sorge. Er erhält nur 8200 Euro Pension im Monat. Weil er so viel Geld allein für seine Abgeordneten- und Kabinettszeit einstreicht, kriegt er für die Arbeit davor, als er Bürgermeister von Kassel und dann Ministerpräsident von Hessen war, nichts mehr. Das findet der Sozialdemokrat himmelschreiend ungerecht und klagt nun in dritter Instanz die Erhöhung seiner Bezüge auf 14550 Euro ein.

Das ist in etwa das, was Millionen Rentner im ganzen Jahr bekommen. Hat der sie noch alle? Moment mal, das kann man doch nicht miteinander vergleichen. Hans Eichel hat Großes geleistet, das sollte ihm nun auch vergolten werden. Als Bundesfinanzminister unter Gerhard Schröder hat er Spuren in der Geschichte hinterlassen, die so schnell nicht verwischt werden. Seine Spuren haben sich stattdessen zu tiefen Furchen ausgewachsen, die sich, je länger Eichel aus dem Amt ist, nach und nach sogar zu bodenlosen Abgründen weiten.

Den Zenit seines Schaffens erreichte er 2002. In jenem Jahr riss Eichel den lästigen „Euro-Stabilitätspakt“ nieder. Bis dahin galt, dass ein Euro-Land pro Jahr neue Schulden nur bis zur Höhe von drei Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung aufnehmen durfte. Dafür hatte sich vor allem Deutschland eingesetzt, um den Euro stabil zu halten. Vielen anderen Regierungen war die Grenze von Anfang an lästig.

Daher waren alle äußerst dankbar, dass ausgerechnet ein Deutscher diese störende Hürde niederwalzte. Eichel führte die Euro-Finanzminister, insbesondere einige aus dem Süden, in ein funkelndes Reich der unbegrenzten Möglichkeiten, ein Paradies, in dem das billige Geld scheinbar nie alle wurde.

Einer indes wäre fast weinend am Wegesrand zurückgeblieben, wenn Eichel ihn nicht gerettet hätte: Griechenland wollte unbedingt mit ins Euro-Schlaraffenland. Es gab aber Knauser, die den Hellenen nicht trauten und sie nicht reinlassen wollten. Dann kam Eichel und legte sich richtig ins Zeug für seine ägäischen Freunde. So kam denn auch Griechenland 2002 in den Euro, Eichel sei Dank.

Und für all diese wegweisenden Entscheidungen soll er nun mit läppischen achtkommazwo Mille abgespeist werden? Der Eichel, der wird selbst den Enkeln heutiger Lehrlinge noch begegnen, wenn sie im Geschichtsunterricht fragen, wo „das alles“ seinen Anfang nahm. Und in Eichels Ministerzeit fallen zu alledem noch die Hartz-Reformen, Parole: „Fördern und fordern!“ „Fordern“, ja, das kann er wirklich.

Muss er ja auch, denn geschenkt kriegt man nichts. Oder doch? Dann ist zumindest Vorsicht geboten. Wer wüsste das besser als die Griechen, seit ihrem Coup mit dem Holzpferd.

Nun steht so ein Zossen aus Brüssel vor ihren Toren. Der imposante Vierbeiner hört auf den Namen „Alternativloser Rettungsschirm“ und wiehert, er komme sie retten, die Griechen. Denen ist allerdings längst brutal klar geworden, dass die schönen Eicheltage, als die Geschenke aus dem Norden noch umsonst waren, Vergangenheit sind. Also wollen sie erst das Kleingedruckte lesen und dann ihr Volk entscheiden lassen, ob es sich lieber unangespitzt in Grund und Boden „retten“ lässt oder lieber souverän und alleine untergehen möchte.

Das Volk! Europas Chefdemokraten reagieren auf das Wort „Volksabstimmung“ mit der gleichen Mischung aus Furcht und Abscheu wie die gehobene Aristokratie des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf die Vokabel „Guillotine“. Entsprechend gewaltig ist die Wut der europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihren Kollegen Papandreou: Er hat sich an seinem Stande vergangen, die Seinen verraten, weil er den Pöbel in den Hof lassen will.

Als ein paar Nervensägen immer wieder fragten, wie um Himmels willen man ein Land wie Hellas in den Euro lassen könne, konterten Eichel und seine Kollegen: Griechenland sei die Wiege der Demokratie; die könne man wohl schlecht draußen stehen lassen, wenn es um Europa gehe.

Nun entdecken wir voller Schrecken, dass sich die Demokratie in ihrer Wiege überhaupt nicht weiterentwickelt hat. Volksabstimmung? Das finden wir gefährlich und kindisch. Bei uns ist die Demokratie nämlich erwachsen geworden und verbittet sich jedwede Bevormundung durch das „Volk“.

Das Pack darf gerne mal zur Talkshow vorbeikommen oder im Internet seinen Frust ablassen. Dann wird in Berlin nicht gespart mit dem „Verständnis für die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger“. Aber richtig abstimmen? Über Politik? Die Griechen unterminieren nicht bloß unseren stolzen Euro. Nun legen sie auch noch die Axt an das Herrschaftsrecht von Europas politischer Elite. Da hört der Spaß auf.

Vor allem, wenn man liest, was diese Frechdachse da unten im Einzelnen vorhaben: Sie möchten bitte erst alle Einzelheiten über den Rettungsschirm erfahren und dann abstimmen. Diese „Einzelheiten“ existieren aber noch gar nicht! Die gibt es erst Anfang kommenden Jahres! Und was bitteschön sollen wir bis dahin mit den Griechen machen? Das werden interessante Monate, keine Frage: Die Adventszeit wird diesmal anders als sonst. Heitere Besinnlichkeit wird sich beim einen oder anderen in Berlin nur schwer einstellen. Andererseits kann ja auch noch alles gut werden. Weihnachten ist schließlich die Zeit der Wunder, und eines wirft bereits seinen Schatten voraus.

Bislang galt: Kein Land kann aus dem Euro geworfen werden, weil der Vertrag über die Europäische Währungsunion einen solchen Schritt ausschließe. So steht das da, wie in Stein gemeißelt.

Besser, so stand es da mal, denn vergangenen Dienstag geschah das Wunder: Der harte Stein verwandelte sich unter der magischen Hand von Ruprecht Polenz in weiche Butter und der eherne Satz versank in der fettigen Masse. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages hat angekündigt, man werde sich auf den Rauswurf der Griechen aus dem Euro vorbereiten für den Fall, dass die Hellenen anders abstimmen sollten als von den europäischen Herrscherhäusern befohlen.

Auf weitere Wunder sollten wir gefasst sein. Wann zum letzten Mal tauchten plötzlich 55 Milliarden Euro auf, mit denen niemand gerechnet hatte? Der Schatzfund bei der legendären „Hypo Real Estate“-Bank hat uns wirklich gefreut. Sonst hieß es ja immer nur „zusätzlicher Finanzbedarf“, und schon waren wieder ein paar Milliarden weg. Nun lief das mal umgekehrt, wie schön.

Zudem birgt die Nachricht tiefe Einsichten in das Funktionieren all der staatlichen Rettungsbemühungen im Finanzsektor, der uns bisher immer so rätselhaft erschien. Nur die besten, die kompetentesten Experten arbeiteten Tag und Nacht, um die Probleme dort im Interesse der Bürger zu lösen, versprach uns die Politik. Nun haben wir erfahren, dass sich diese Experten in ihren eigenen Bilanzen so gut auskennen wie Hänsel und Gretel im Wald.


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