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12.11.11 / Mit gespaltener Zunge / Interne Prognosen der Investmentbank Goldman Sachs überraschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-11 vom 12. November 2011

Mit gespaltener Zunge
Interne Prognosen der Investmentbank Goldman Sachs überraschen

Bereits mehrfach ist die Investmentbank Goldman Sachs dadurch aufgefallen, dass Einschätzungen der wirtschaftlichen Lage für den internen Gebrauch deutlich anders ausfallen als das, was öffentlich verbreitet wird. Ein Beispiel für diese Diskrepanz liefert ein nun bekannt gewordenes Informationspapier für institutionelle Kunden. Details aus dem 54-seitigen Papier, das nicht für die Öffentlichkeit gedacht war, hat unlängst das „Wallstreet Journal“ veröffentlicht, dem die Unterlagen zugespielt wurden.

Deutlich wird, dass Goldman Sachs im Hinblick auf die Weltwirtschaft intern deutlich pessimistischer eingestellt ist, als dies öffentlich dargestellt wird: Insgeheim scheint Goldman Sachs sogar von einem umfassenden ökonomischen Kollaps auszugehen. Der Verfasser der Analyse, Alan Brazil, geht davon aus, dass eine Lösung für das Schuldenproblem der USA nicht gefunden ist: „Die Bekämpfung von Schulden mit mehr Schulden löst nicht das zugrunde liegende Problem.“ Wenig erfreulich auch die übrigen Einschätzungen: In Europa wird für Dutzende Finanzinstitute die Gefahr eines Zusammenbruchs gesehen. Zur Rettung des europäischen Bankensystems wird in der Studie die Summe von einer Billion Dollar veranschlagt. Ebenso negativ fällt die Einschätzung zum chinesischen Wirtschaftswachstum aus, das als nicht nachhaltig angesehen wird. Außer den pessimistischen Prognosen präsentiert die Bank gleich Vorschläge, wie sich in dem kommenden Umfeld Geld verdienen lässt: Während der breiten Öffentlichkeit von den Goldman Sachs-Analysten Jan Hatzius und Dominic Wilson unlängst die Einschätzung einer kommenden „milden Rezession“ in Europas präsentiert wurde, sieht die Empfehlung an die Hedge-Fonds-Kunden doch etwas anders aus: Konkret soll auf kommende Pleiten von europäischen Unternehmen gewettet werden. Mit Bezug auf den Unternehmens-Index „iTraxx 9“ sollen fünfjährige Kreditausfallversicherungen abgeschlossen werden, die bei Firmenkonkursen fällig werden.

Dass sich derart auch an einer Wirtschaftskrise in Europa kräftig verdienen lässt, ist wahrscheinlich. Bei einer anderen Empfehlung wurde die Investmentbank allerdings auf dem falschen Fuß erwischt: Während der Schweizer Franken für die Öffentlichkeit von Goldman Sachs als die „am stärksten überbewertete“ Währung der Welt bezeichnet wurde, lautete die interne Einschätzung gegenteilig: auf die Aufwertung des Schweizer Franken spekulieren. Die Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro, den die Schweizer Nationalbank im September bekannt gegeben hatte, entzog der Spekulation allerdings die Grundlage.

Der Marktwert der von Goldman Sachs vorgeschlagenen Währungsderivate dürfte nach dem Schritt der Schweizer gegen Null tendiert haben. Damit durften auch institutionelle Anleger eine Erfahrung machen, die Privatkunden schon öfter zuteil wurde, wenn sie Empfehlungen der Bank gefolgt waren: Während Goldman Sachs 2010 im Eigenhandel mit Aktien Gewinn einfuhr, machten Privatkunden, die den Aktien-Empfehlungen der Bank gefolgt waren in sieben von neun Fällen Verluste.          N. Hanert


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