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19.11.11 / Droht Kampf um den Thron? / Nach dem Tod des Kronprinzen droht sein Nachfolger die kleinen Reformen des Königs zurückzunehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Droht Kampf um den Thron?
Nach dem Tod des Kronprinzen droht sein Nachfolger die kleinen Reformen des Königs zurückzunehmen

Nach dem Tod von Saudi-Arabiens Kronprinz Sultan könnte der erzkonservative Prinz Naif Kronprinz werden und das Land vollends vom Arabischen Frühling abkoppeln. Aber ein Machtkampf um den Thron oder gar ein Sturz des saudischen Königshauses wäre für die Weltwirtschaft und die weltweite Ölversorgung unübersehbar.

Die Nachricht vom Tod des saudischen Kronprinzen Sultan bin Abdul Aziz, dessen Alter auf 86 geschätzt wurde, erreichte den 88-jährigen saudischen König Abdullah in einem Krankenhaus, wo er sich erneut einer Operation am Rücken unterziehen musste. Kronprinz Sultan gehörte seit Jahrzehnten zu den mächtigsten Politikern im Lande, seit 40 Jahren stand er an der Spitze des saudischen Verteidigungsministeriums. Er gilt als der Schöpfer der modernen saudischen Armee, die er mit modernstem Kriegsgerät ausstattete und zu einer der schlagfertigsten der Region ausbaute. Sein Tod hat  schlagartig die fragilen Machtverhältnisse an der Spitze des ölreichen arabischen Königreiches offenbart. Ein Generationenwechsel, wie er in jeder anderen Monarchie nach dem Tod des Thronanwärters anstehen würde, ist in Saudi-Arabien laut Verfassung nicht möglich. In Saudi-Arabien wird der Herrschaftsanspruch nämlich nicht auf den jeweils ältesten Königssohn vererbt, sondern geht nach Alter gestaffelt auf alle (Halb-)Brüder des Herrschers über. Als der Gründer des modernen Saudi-Arabiens, König Abdul Aziz Ibn Saud, im Jahr 1953 starb, hinterließ er 34 Söhne, die von 17 seiner 22 Frauen zur Welt gebracht worden waren. Auf den Thron folgte ihm damals sein ältester Sohn Saud, dann kamen Faisal, Khaled, Fahd und am 1. August 2005 der damals 81-jährige Abdullah. Der Dynastiegründer wollte durch diese Regelung einen Konkurrenzkampf unter seinen Ehefrauen noch zu Lebzeiten vermeiden. Gerade dies scheint jedoch jetzt der Fall, denn von den einst 34 Söhnen von Ibn Saud sind noch zehn am Leben, nur die Hälfte von ihnen kommt aus Altergründen noch für die Thronfolge in Frage, der jüngste ist 68 Jahre alt.

Infolge der höchst komplizierten Festlegung der Thronfolge könnte Sultans ungleicher Halbbruder, Prinz Naif, als nächster zum Zug kommen. Prinz Naif ist „erst“ 78 und gilt schon seit Jahrzehnten als potenzieller Thronanwärter. Er leitet seit Jahrzehnten das Innenministerium. Der neue starke Mann in Saudi-Arabien gehört zu den Konservativen in der Königsfamilie. Er ließ vor einiger Zeit mit der Feststellung aufhorchen, dass für Parteien und Parlamentswahlen in Saudi-Arabien keine Notwendigkeit gegeben sei. Er war es, der noch Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September bestritt, dass Saudis überhaupt an den Verbrechen beteiligt waren. Auch für mehr Rechte von Frauen in der Gesellschaft sieht Prinz Naif keine Notwendigkeit. Er sträubt sich selbst gegen die bescheidensten Versuche, die beschämende Stellung der Frauen in dem islamischen Königreich zu verbessern. Seine Bestellung zum Kronprinzen im Jahr des Arabischen Frühlings wäre gegen den regionalen Trend.

Die Stürme des Arabischen Frühlings konnte König Abdullah mit enormen Sozialgeschenken an das eigene Volk und Waffenhilfe an das Nachbarland Bahrain abmildern. Dennoch werden die Diskussionen über Reformen und mehr Rechte für die Bevölkerung, vor allem für Frauen und die schiitische Minderheit im Osten, in den sozialen Medien Twitter und Facebook immer intensiver geführt. Die Proteste in Saudi-Arabien richten sich weniger gegen König Abdullah, der als „liberal“ und reformfreudig gilt, sondern vielmehr gegen Innenminister Prinz Naif. Vor kurzem führte König Abdullah das Frauenwahlrecht ein. Erstmals zur Geltung kommen soll es aber erst bei den Kommunalwahlen 2015, doch dann könnte bereits Naif auf dem Thron sitzen und die Reform wieder rückgängig machen.

2009 hatte König Abdullah wegen der Erkrankung von Kronprinz Sultan seinen Halbbruder Naif zum stellvertretenden Premierminister ernannt, ein Posten, der als Sprungbrett auf den Königsthron gilt. Die Erbschaftsfrage wurde eröffnet durch König Abdullah selbst, als er seinen Posten als Oberkommandierender der 250000 Mann starken saudischen Nationalgarde kurz vor seinem Krankenhausaufenthalt in den USA 2010 seinem Sohn Mitab (57) übergeben hatte. Diese eigenständige Machtübergabe von Vater auf Sohn ohne Berücksichtigung der Familienrangfolge hatte zu Rivalitäten mit anderen Zweigen der Familie geführt, denn die Inhabe eines hohen Staatsamtes ist neben der Zugehörigkeit zu dem Hause Abdul Aziz Ibn Saud eine der Voraussetzungen, um in den Kreis der Thronanwärter aufzusteigen. Diese Vorgänge könnten auch ein Anzeichen dafür sein, dass König Abdullah, entgegen der üblichen Praxis, zur Lösung der Nachfolgekrise auf seine eigenen Söhne – er hat davon 15 von insgesamt neun Ehefrauen –, als mögliche Nachfolgekandidaten setzen könnte.

Erst seit 1953 ist Saudi-Arabien ein zentralistischer Staat, vorher war das Königreich eine lockere Ansammlung von vielen Stammesgebieten unter der Leitung lokaler Stammesherrscher. Die hohe Anzahl von Ehefrauen der saudischen Herrscher war auch dadurch bedingt, dass durch Eheschließungen Allianzen mit den jeweiligen Stämmen der Ehefrauen begründet wurden. Viele Beobachter fürchten jetzt, dass der Nachfolgestreit im Hause Saud, der im Grunde ein Generationsproblem ist, wieder zur Herausbildung neuer lokaler Machtzentren im Lande führen könnte und am Ende die Monarchie und der Zentralstaat zerfallen könnten. Deshalb hat König Abdullah bereits 2006 einen Familienrat einberufen, dem alle noch lebenden Söhne Abdul Aziz’, 13 Enkel und je ein vom König ausgewählter Sohn des Königs und des Kronprinzen angehören. Dieser Familienrat soll laut Mandat in geheimer Wahl den zukünftigen Herrscher wählen. Hier gilt der 78-jährige Naif als Favorit.             Bodo Bost


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