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19.11.11 / Nationale Netzwerke bei EZB / Studie belegt, dass manche Länder mehr Führungskräfte stellen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Nationale Netzwerke bei EZB
Studie belegt, dass manche Länder mehr Führungskräfte stellen

Ein erstaunliches Phänomen war nach dem 1. November in den Führungsgremien der Europäischen Zentralbank (EZB) zu beobachten: Genau zu dem Zeitpunkt, in dem Italien in den Fokus der Finanzmärkte geraten ist, haben italienische Vertreter an der Spitze der EZB Einfluss wie kein anderes Land. Nachdem Mario Draghi zum Monatsanfang Chef der EZB geworden war, wies das EZB-Direktorium mit Lorenzo Bini Smaghi gleich zwei italienische Vertreter – durch das Ausscheiden Jean Claude Trichets – allerdings kein französisches Mitglied mehr auf. Bislang galt das ungeschriebene Gesetz: Die „großen“ Euro-Mitgliedsländer Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sind alle im EZB-Direktorium vertreten, aber keines der Länder hat zwei Sitze inne.

Zustande gekommen ist der Tabubruch durch die Weigerung Lorenzo Bini Smaghis, gemäß einem von Berlusconi und Sarkozy gemachten Kuhhandel, mit dem Mario Draghi ins Amt gehievt wurde, „freiwillig“ seinen EZB-Posten zu räumen. Bereit gewesen wäre er dazu nur, wenn Berlusconi ihn zum Chef der italienischen Zentralbank gemacht hätte. Der gab allerdings dem stellvertretenden Generaldirektor der Banca d’Italia Ignazio Visco den Vorzug. Noch offensichtlicher als im EZB-Direktorium machte sich die Rücktritts-Weigerung Lorenzo Bini Smaghis im EZB-Rat bemerkbar: Neben Mario Draghi als EZB-Chef und Lorenzo Bini Smaghi hat dort nämlich noch Ignazio Visco für die Banca d’Italia Sitz und Stimme. Nach massivem Druck von Seiten des französischen Präsidenten Sarkozy hat Lorenzo Bini Smaghi zum 1. Januar 2012 nun seinen Wechsel an die US-Universität Harvard bekannt gegeben und damit die Verstimmung zwischen Frankreich und Italien erst einmal entschärft.

Nach offizieller Lesart sollte die nationale Herkunft des Führungspersonals ohnehin keinen Einfluss auf die geldpolitischen Entscheidungen der EZB haben. Dass diese Darstellung nichts mit der Realität zu tun hat, macht eine Studie der Professoren Harald Badinger von der Wirtschaftsuni Wien und Volker Nitsch von der TU Darmstadt deutlich. Detailliert haben die beiden Wissenschaftler die Nationalität von 190 der 210 EZB-Führungskräfte ermittelt. Zutage trat dabei, dass hochrangige EZB-Vertreter bevorzugt Landsleute in die Bank nachholen, so dass sich nationale Netzwerke in der EZB gebildet haben. Auch konnten die beiden Wissenschaftler nachweisen, dass diese Netzwerke die geldpolitischen Entscheidungen der EZB beeinflussen. Die Zinspolitik wird spürbar nach den ökonomischen Bedürfnissen der Länder ausgerichtet, die überproportional in der EZB vertreten sind.

Wie brisant das Resultat der Untersuchung ist, lässt sich daran erkennen, dass sich beide Wissenschaftler entschlossen haben, einen wichtigen Teil der Studie nicht zu veröffentlichen: Geheim bleibt die Aufstellung, welche Nationen überproportional beim EZB-Führungspersonal vertreten sind und welche Länder demzufolge von bisherigen Entscheidungen mehr als andere profitiert haben. Aufschlussreich sind aber auch die Informationen, die von der EZB selbst veröffentlicht werden: So hat die EZB in der ersten Woche unter ihrem neuen Chef Mario Draghi Staatsanleihen im Wert von 9,5 Milliarden Euro gekauft und damit das Kaufvolumen gegenüber der Vorwoche fast verdoppelt. Bei einem Großteil der aufgekauften Papiere soll es sich um italienische Staatsanleihen gehandelt haben.     N.H.


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