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19.11.11 / Hummeressen mit Sahra und Oscar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Moment mal!
Hummeressen mit Sahra und Oscar
von Klaus Rainer Röhl

An diesem Tag, dem 9. November, der in Deutschland schon früher als Tag der Bewegung gefeiert wurde, durften deutsche Fernseh-Zuschauer einen ganzen Abend lang ein Stück DDR ohne Maske sehen. „Es ist nicht vorbei“ hieß der Spielfilm von Kristin Derfler und Clemens Murath, der von einer Frau handelt, die in ganz besonderer Weise das Opfer des Stasi-Strafvollzugs wurde. Ausnahmsweise war der Film ohne die in letzter Zeit bei jeder Berichterstattung üblich gewordenen Beschönigungen unter dem Motto: „Es war nicht alles schlecht in der DDR“. Diese Einschränkungen hätten in diesem Fall auch vom eigentlichen Thema weggeführt und wären dem Versuch einer Verharmlosung von Verbrechen gleichgekommen. Der Film betont, dass die DDR ein von Stalin in seiner Besatzungszone errichtetes Zwangsregime war, regiert von linientreuen Kommunisten. Schon der Versuch, das Land zu verlassen, wurde mit Gefängnis bestraft. Frauen, die wegen einer versuchten Ausreise (= Flucht) verurteilt wurden, kamen zusammen mit Schwerkriminellen, Mörderinnen, Totschlägerinnen und Prostituierten in das berüchtigte Frauengefängnis Hoheneck. Ihre Kinder wurden ins Heim gebracht oder zu linientreuen Pflegeeltern gegeben. Dieses Frauengefängnis unterstand dem besonderen Regime der Staatssicherheit.

Das Ziel war es, die Frauen von Hoheneck zu „erziehen“, das heißt sie zu brechen, ihren politischen Widerstand, aber auch ihre ganze Persönlichkeit zu brechen – auch auf die Gefahr hin, sie an Leib und Seele irreparabel zu schädigen. Wenn Schlafentzug, Disziplinarstrafen, Arrest-, Wasser- und Dunkelzellen das Ziel nicht erreichten, halfen auch Gefängnisärzte mit Psychopharmaka, die Frauen willenlos zu machen. Die Insassen mussten in drei Schichten arbeiten. Die Umstände in dem Knast waren entwürdigend: Die Frauen mussten vor aller Augen aufs Klo, durften nur einmal in der Woche duschen. Das Essen war fast ungenießbar durch zu lange Lagerung der Zutaten: Im Grieß tummelten sich Raupen, die Kartoffeln stanken, Sauerkraut war das einzige Gemüse. Obst gab es gar nicht. Wer krank wurde, erhielt längst abgelaufene Medikamente, bei vielen Frauen blieb die Regelblutung aus, Folgen von Stress und Kälte, es war im Winter fast immer nur zehn Grad in dem düsteren Gemäuer. Wer dennoch gegen die Behandlung protestierte, bekam Arrest, Isolation und Dunkelzelle. Der Freikauf in den We-sten war für die meisten die einzige Hoffnung. Von Anfang der 50er Jahre bis 1989 waren rund 8000 Frauen aus politischen Gründen auf Hoheneck in Haft. Ein Fünftel der insgesamt 180000 politischen Gefangenen in der DDR wurde vom Westen – gegen Devisen versteht sich – „freigekauft“.

Derflers Filmfigur, Carola Weber, eine Musiklehrerin, gespielt von Anja Kling, hat ihrem Mann, einem Klinikarzt in Koblenz, nie von ihrer Haft erzählt. Als der eines Abends seinen neuen Chefarzt zum Abendessen mitbringt, erkennt Carola Weber ihn nicht sofort. Doch seine Stimme kennt sie genau. Es ist die ihres einstigen Peinigers auf Hoheneck. Ihr aus dem We-sten stammender Mann will ihr nicht glauben, der Chefarzt streitet seine Schuld vehement ab, bezichtigt sie sogar, psychisch krank zu sein. Ein spannender Psychothriller, in dem die Ehe der Frau zu zerbrechen droht, aber der Stasi-Arzt am Ende doch von seiner Vergangenheit eingeholt wird.

Ist nun alles vorbei? Leider nicht. Gefängnis-Wächter, -Ärzte und Stasi-Mitarbeiter setzten nach der Wiedervereinigung ihre Berufskarrieren fort. Es gilt, bis hin in die Nachfolger-Partei der damals herrschenden SED, immer weniger als ein Makel, geschweige denn ein Berufshindernis, an führender Stelle der DDR oder sogar bei der Staatssicherheit mitgearbeitet zu haben. Im Gegenteil, ehemalige Stasi-Mittäter, deren Bezüge gekürzt, nicht etwa gestrichen wurden, organisieren Widerstand, der von den Mitgliedern der Partei „Die Linke“, wie die SED sich nach Vereinigung mit einigen Splittergruppen aus der alten Bundesrepublik und Einzelpersönlichkeiten wie Oskar Lafontaine nun nennt, getragen wird. Eine erst vor kurzem innerhalb der Partei anerkannte Fraktion, die „Kommunistische Plattform“, bekennt offen ihre Bewunderung für Stalin, seinen deutschen Statthalter Walter Ulbricht und verteidigt die von ihm errichtete Mauer als notwendig. Auch die Stasi wird von der „Kommunistischen Plattform“ lebhaft verteidigt.

An diesem 9. November lief nicht nur der kompromisslos DDR-kritische Film „Es ist nicht vorbei“ mit der von keiner Musik- und Blödelschau erreichten Einschalt-Quote von 18,2 Prozent. Am Abend ergänzte die Dokumentation „Die Frauen von Hoheneck“ den Bericht über die Wirklichkeit in Ulbrichts Staatsgefängnis. Am gleichen Tag bringt die größte seriöse deutsche Tageszeitung, die „Frankfurter Allgemeine“, an besonders auffälliger Stelle ein ganzseitiges Porträt von Sahra Wagenknecht, nachdem der „Spiegel“ bereits am Montag zuvor eine ebenfalls überdimensionale Geschichte mit vielen Fotos über die schöne Kommunistin gebracht hatte.

Erst zwei Tage später wurde der Grund für dieses auffällige Interesse sichtbar. Es war die öffentliche Verkündung der Liebesgeschichte des Parteivize Lafontaine mit seiner aufstrebenden Aktivistin Sahra Wagenknecht. Glückwunsch für das junge Paar! Wo die Liebe hinfällt. Doch Anlass, ein paar Fragen zu stellen. Wie gerne hätte man zum Beispiel gewusst, ob sich die Befürworterin von Stalin, Ulbricht, seiner Mauer und dem „Schild und Schwert der Partei“, der Stasi, den Film über die Frauen von Hoheneck angesehen hat. Wer ist die heute 42-jährige Frontfrau?

Sarah Wagenknecht wurde 1969 in Jena als Tochter einer Deutschen und eines nur besuchsweise in die DDR einreisenden Persers geboren: Ihren Vater lernte sie nie kennen. 1988 machte sie in Ost-Berlin Abi-tur und trat 1989 ein halbes Jahr vor dem Mauerfall in die SED ein. Den Staat, in dem sie geboren wurde, hätte sie gern länger erhalten. Die Wiedervereinigung heißt für sie heute noch „Anschluss“. Von Deutschland spricht sie im DDR-Jargon gern als von der „BRD“. 1991 bis 1995 war sie Mitglied des Parteivorstands der PDS, seit 1991 ist sie auch Leiterin der „Kommunistischen Plattform“. Im Juni 2007 wurde sie in den Vorstand der Partei „Die Linke“ gewählt.

Gern gibt sie sich neuerdings politisch gewandelt. Ihre Mitgliedschaft in der „Kommunistischen Plattform“ „ruht“ zur Zeit, wie es heißt. Sie selbst bleibt umtriebig. Ihr Ziel ist, dass alle Großunternehmen verstaatlicht werden sollen, die Reichen schlicht mehr zahlen und die Armen mehr erhalten. Einfacher geht’s nicht. Damit dieses Ziel noch schneller erreicht wird, steuert die Linkspartei eine neue Führungsspitze an. Der linke Parteiflügel will offenbar eine Doppelspitze für die Bundestagsfraktion wählen. Das Führungs-Duo soll wenn möglich mit einem Mann und einer Frau, jeweils aus dem Osten und dem Westen, bestehen. Nach der neuen, soeben verkündeten Love-Story wären die Genossen Oskar und Sahra das ideale Paar.

Die Verteufelung des Kapitalismus ist eine Hauptbeschäftigung der fast täglich in Talkshows auftretenden Vorzeige-Linken. Ähnlich wie Lafontaine liebt sie das gute Leben auch schon vor dem Endsieg des Kommunismus. Mit Porschefahren und Hummeressen hat die langjährige Europa-Abgeordnete, die seit 1994 mit einem Filmproduzenten verheiratet ist, jedenfalls kein Problem. „Ich bin für eine Gesellschaft, in der alle Menschen Hummer essen können“, sagt sie in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Da freuen wir uns aber.


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