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19.11.11 / Geschmacklos und aufwühlend / Der Tod in der Kunst ist das Thema zweier Ausstellungen, die derzeit in Wuppertal und Remscheid zu sehen sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Geschmacklos und aufwühlend
Der Tod in der Kunst ist das Thema zweier Ausstellungen, die derzeit in Wuppertal und Remscheid zu sehen sind

Wenn im November die Blätter von den Bäumen fallen und die Natur zu sterben scheint, dann werden viele Menschen an ihre eigene Vergänglichkeit, an den Tod erinnert. Allerheiligen, Allerseelen, Buß- und Bettag, Totensonntag und Volkstrauertag – besonders im November hat das Totengedenken Hochkonjunktur. Auch Künstler haben sich, zu allen Zeiten, mit dem Tod beschäftigt und versucht, ihm ein Gesicht zu geben. Dürer stellte in seinem Bild „Die Apokalyptischen Reiter“ den Tod als schreckenerregendes Skelett, auf einem Pferd reitend, dar. Auch Totenköpfe auf gekreuzten Knochen waren ein beliebtes Motiv zur gruseligen Darstellung des Todes auf Grabmälern und Gedenkplatten. Als ein sehr gutes Geschäft für (katholische) Kirche und Klerus erwiesen sich im Mittelalter die angsteinflößenden, monsterhaften Bilder und Phantasien vom Jenseits (zum Beispiel bei Hieronymus Bosch). Raffiniert geschürte Ängste vor dem Jüngsten Gericht, dem Fegefeuer und der Hölle verschafften den Päpsten bis zur Zeit Martin Luthers hohe Einnahmen. Dank einer Geldzahlung (Ablass), die als „gutes Werk für das Seelenheil“ galt, sollte ein nicht mehr so steiniger Weg in den Himmel möglich werden.

Die Ausstellung in der Wuppertaler Von-der-Heydt-Kunsthalle zeigt ganz andere Sichtweisen und Vorstellungen vom Tod. Direktor Gerhard Finckh hat mit den Kuratoren Birgit Richard, Professorin für Kunstpädagogik in Frankfurt, und Oliver Zybok, künstlerischer Leiter der Remscheider Galerie, eine hintergründige Mischung aus Bildern, Skulpturen, Fotos, Videos und Installationen zusammengestellt. 40 junge Gegenwartskünstler greifen das Thema aus ihrer Sicht auf. Alle Exponate stammen aus den letzten 20 Jahren. Erwin Olaf aus Amsterdam etwa spielt mit der zerbrechlichen Schönheit und deren Nichtigkeit angesichts des Todes, wenn er die makellos gestylte Lady Di (mit Diadem, Perlenkette und Diamant-Ohrringen) mit betörend durchdringendem Blick auf den Betrachter darstellt. Erst auf den zweiten Blick fällt ein in den Oberarm gebohrter Mercedes-Stern auf, der eine blutende Wunde in die Prinzessin geschlagen hat. Das Bild mutet fast wie eine moderne Variante des gekreuzigten Jesus an.

Hintergründig visualisiert die Frankfurter Künstlerin Almut Linde den (gar nicht mehr so seltenen) Tod bei Bundeswehreinsätzen: Nein, kein Zinksarg, kein durchschossener Stahlhelm, kein zerfetzter olivgrüner Anzug, sondern ovale Erkennungsmarken aus Zinkblech. Sauber, glänzend, fast wie Schmuckstücke. „Dirty Minimal, 62.4 – 1347 Lives“ nennt Almut Linde ihre Installation. Genau 1347 dieser „Hundemarken“ (Bundeswehrjargon) hängen wie ein Mobile oder wie ein Faden-Vorhang zwischen zwei Räumen. Der Ausstellungsbesucher muss ihn durchschreiten, bekommt dabei die individuelle Erkennungsnummer direkt vor die Nase gesetzt. Ein Schaudern stellt sich möglicherweise dann ein, wenn er die Bedeutung des ovalen Blechs erfährt. Die Marke besteht aus zwei Hälften, jeweils mit der Erkennungsnummer versehen. Beim Tod des Soldaten würde die eine Hälfte den Angehörigen zugeschickt, die andere Hälfte verbleibt an der Leiche.

Ebenfalls unsichtbar bleibt der Tod bei dem mondänen Ölgemälde „Ohne Titel“ von Dirk Skreber aus Lübeck. Das 1,20 mal 1,80 Meter große Bild zeigt in schon bedrohlicher Wucht ein zerfetztes Fahrgestell mit abgerissenen Reifen durch die Luft fliegend. Instinktiv zieht der Betrachter den Kopf ein, damit ihn die Teile nicht treffen. Lebende oder tote Personen? Fehlanzeige. Doch rote (Blut-)Spritzer lassen Schlimmstes erahnen.

Voll ins Absurde gleitet das Video „Beautiful“ von Ene-Lis Semper aus Reval / Estland. Zu sehen ist ein menschlicher Körper (Torso) mit weißem Pullover. Eine männliche Stimme hinter der Kamera gibt Anweisungen wie bei einem Mode-Fotoshooting (Foto schießen): „Näher ran…“, „ja, so ist es in Ordnung“, „Ok, ich bin fertig…“. Dann wird das „Schießen“ im wörtlichen Sinne Wirklichkeit. Es knallt mehrmals. Der weiße Pullover färbt sich blutrot. Einige Sekunden später verschwindet das Bild vom Monitor und der Bildschirm wird schwarz. Verwirrung und Verunsicherung beim Betrachter: Ist das Model nun tot? Was war daran schön („beautiful“)? Was soll das Ganze?           

            Siegfried Schmidtke

Die Ausstellung in der Von-der-Heydt-Kunsthalle, Wuppertal-Barmen, Geschwister-Scholl-Platz 4-6, ist bis 14. Februar 2012, dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt 3/2 Euro. Parallel läuft die Ausstellung bis zum 8. Januar 2012 auch in der Galerie der Stadt Remscheid, Scharffstraße 7–9, mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr, Eintritt 3,50 / 2 Euro.


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