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19.11.11 / Sonderbare Gartengestaltung / Verwendung deutscher Grabsteine als Palisaden zeugt von falsch verstandenem Geschichtsbewusstsein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Sonderbare Gartengestaltung
Verwendung deutscher Grabsteine als Palisaden zeugt von falsch verstandenem Geschichtsbewusstsein

In jüngster Zeit sind in Königsberg einige Hausbesitzer auf die Idee gekommen, ihre Gärten mit alten deutschen Grabsteinen, die sie ausgegraben haben, zu schmücken: Sie nutzen sie als Palisaden oder Torschmuck für ihre Vorgärten. Die Bürger reagieren unterschiedlich darauf: Was für die einen ein Zeugnis für ihr Geschichtsinteresse ist. ist für andere nichts anderes als Gotteslästerung.

Man sieht sie vor allem in der Hagenstraße/Kunckelstraße [heute Karl-Marx-Straße], die in die  Schötterstraße [Krasnaja ulitsa] mündet, dort, wo noch viele Vorkriegshäuser erhalten geblieben sind. Vor einem der Häuser stehen Granitplatten mit deutschen Inschriften in Reih und Glied. Findige Anwohner haben Grabsteine und Fassungen aus Granit als Elemente zur Gestaltung ihrer Vorgärten entdeckt. Wie die Erfahrung gezeigt hat, haben die Verwaltungsfachleute kein Interesse an den Steinen, deshalb behalten die Anwohner sie offenbar einfach, anstatt die Funde einem Museum oder einem Friedhof zuzuführen.

Die Grabsteine erregen bei den Passanten viel Aufmerksamkeit. Kaum jemand geht vorbei, ohne sie näher betrachtet zu haben. Dass die Stadt Königsberg achtlos mit den Relikten aus deutscher Zeit umgeht, indem sie ehemalige Friedhöfe überbaut und dabei auch nicht davor zurückschreckt, menschliche Überreste einfach zu entsorgen, ist seit langem bekannt (Die PAZ berichtete in Folge 27/2011). Dass nun auch Privatleute Funde aus deutschen Gräbern entweihen, sorgt für sehr kontroverse Reaktionen bei den heutigen Bewohnern, wie sie der Russe Igor bei einem Spaziergang beobachten konnte: „Vor einem Eingang standen ein Mann und eine Frau und sahen sich die Granitsteine an. Als ich sie fragte, seit wann diese Steine dort stünden und wer sie aufgestellt habe, antworteten sie, dass in der Nähe ein Liebhaber alter Sachen wohne, der alle möglichen Funde sammelt. Wahrscheinlich habe er sie dorthin gebracht. Das Paar fand auch nichts dabei. Für sie ist es völlig in Ordnung, wenn jemand alte und schöne Sachen liebt. Warum sollte er sie nicht mit nach Hause nehmen und aufstellen, zumal, wenn die Nachbarn nichts dagegen einzuwenden hätten. Ein weiterer Mann mittleren Alters gesellte sich zu uns. Er schimpfte und sagte, dass man solche Antiquitätenliebhaber ins Gefängnis stecken sollte, weil sie in Wahrheit nichts anderes als Vandalen seien. Meine Gesprächspartner gingen dann weiter. Einige Meter weiter entdeckte ich einen Stein mit der Aufschrift ,Königsberg 1939‘, als eine alte Frau auf den Eingang mit Torbogen zuging, den dieser Stein schmückte. Sie stellte sich mir als Natalja Iljinina vor. Sie erzählte, dass ständig Leute vorbeikämen, seit die Grabsteine dort stehen. Nein, für diese Art von Zerstreuung habe sie kein Verständnis. ‚Das ist Gotteslästerung‘, sagte die alte Dame. Eigentlich müsste man bei der Stadt Anzeige erstatten, damit diese die Grabsteine an einen Ort brächten, wo sie auch hingehörten. Da aber in der Stadt so viel gebaut und umgegraben wird, weiß wahrscheinlich auch niemand, wohin mit den Funden. Während ich noch mit Natalja sprach, kamen zwei Jungen auf Fahrrädern vorbei. Sie machten sich ein wenig über meine Gesprächspartnerin lustig und erzählten freudig, dass ihnen solche Funde gefielen und sie gerne weitere Gegenstände im Garten aufstellen würden, die mit der Geschichte zu tun haben.“  Jurij Tschernyschew


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