29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.11.11 / Toronto feiert Deutschen Pioniertag / Seit dem Jahr 2000 wird vielerorts am zweiten Dienstag nach dem Erntedankfest der Vorfahren gedacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Toronto feiert Deutschen Pioniertag
Seit dem Jahr 2000 wird vielerorts am zweiten Dienstag nach dem Erntedankfest der Vorfahren gedacht

Seit am 23. Juni 2000 der Deutsche Pioniertag vom Ontario Parlament durch die Bemühungen des konservativen Abgeordneten Wayne Wettlaufer gesetzlich verankert wurde, wird dieser Tag im großen Rahmen im Rathaus von Kitchener, dem früheren Berlin und Zentrum der deutschen Kultur in Ontario, jährlich gefeiert. Aber auch in Toronto findet seit einigen Jahren eine entsprechende Veranstaltung statt. Es handelt sich um eine Fahnenzeremonie vor dem Parlamentsgebäude von Ontario im Queen’s Park,  bei der namhafte Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft zu Wort kommen, um an den Beitrag, den Einwanderer aus dem deutschsprachigen Kulturkreis zur Entwicklung Ontarios geleistet haben, zu erinnern.

Es dürfte leicht fallen sich für diesen Tag zu begeistern, wenn  man etwas von der Geschichte weiß. Leider findet diese in den Geschichtsbüchern der Schulen  immer noch keinen Platz. Deshalb kann das von der Propaganda des Ersten Weltkriegs bestimmte Geschichtsbild allein durch private  Initiative geändert werden. So müssen Daten bekannt gemacht werden, zum Beispiel, dass die deutschkanadische Geschichte in Ontario mehr als 200 Jahre zurück-reicht, und dass in den 1820er Jahren noch 70 Prozent der Bevölkerung deutschstämmig waren. Auch, dass das heutige Ontario durch die Proklamation des Lord Dorchester von 1788 in vier Distrikte aufgeteilt war − Lüneburg, Mecklenburg, Nassau und Hessen. Noch heute sind die Deutschstämmigen nach der englischen und französischen die drittgrößte Volksgruppe in Kanada. Ihre Errungenschaften sind überwältigend aber größtenteils unbekannt. Jedoch geben Städte und Dörfer mit deutschen Namen sowie die Inschriften auf alten Grabsteinen einen Hinweis darauf.

Zu einer Zeit, da andere ethnische Gruppen immer größere Beachtung finden, entdecken kanadische Autoren wichtige Aspekte des deutschen Beitrags neu. So der Autor Robert M. MacIntosh mit seinem Buch „Earliest Toronto“, welches 2006 erschien und in dem er,  den durch unzählige Namensgebungen vielfach geehrten damaligen Gouverneur John Graves Simcoe mit einem Mann namens William Berczy vergleicht und Letzterem wesentlich mehr Bedeutung zumißt als dem Gonerneur. Wer aber ist William Berczy? Sein deutscher Name lautet Johann Albrecht Ulrich Moll und er wurde 1744 in Wallerstein nahe der Stadt Nördlingen geboren. Woher kommt dieser seltsam klingende Name? Es wird berichtet, dass er diesen während eines Aufenthalts in Ungarn erhielt, und dass es die Übersetzung seines Vornamens Albrecht sei. Das blieb an ihm hängen und so kennt man ihn in Kanada als William Berczy. Robert MacIntosh griff in seinen Forschungen auch auf die Arbeit des aus Estland stammenden Historikers John Andre zurück, der mit seinen beiden Büchern „William Berczy, Co-Founder of Toronto“ (1967) und „Infant Toronto as Simcoe’s Folly“(1971) für große Aufregung unter der hiesigen Historikerschaft sorgte. Auf der Umschlagseite seines ersten Werkes ist zu lesen: „Berczy teilt die Ehre mit Dorchester (Vorgänger von Simcoe) als Mitbegründer einer mächtigen Metropole. Während Dorchester den ersten Plan zu Papier brachte und Simcoe ein primitives Fort nahe der vorgesehenen Stadt erstellte, baute Berczy die ersten Straßen und Gebäude innerhalb des Ortes selbst. Berczy hat auch die Yonge Street (längste Straße Torontos) gebaut, begründete den Mark-ham Distrikt und entwarf die ersten architektonisch beachtenswerten Häuser und die Don-River-Brücke. Von seinen Einnahmen als Künstler (Porträtmaler) zahlte dieser vergessene Held auch noch für einen wesentlichen Teil von Torontos Verbesserungen.“ Damit stellt John Andre die gängige Geschichtsschreibung praktisch auf den Kopf. In Toronto wird anlässlich des Pioniertages auch besonders dieses Mitbegründers der Stadt gedacht. Sein Name ist bisher nur in einem Park an der Front Street in Toronto verewigt. 

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Moll-Berczy von Simcoe um das von seinen Siedlern urbar gemachte Land betrogen wurde. Er ging nach England um sich sein Recht zu erkämpfen. Als er in New York weitere Hilfe suchte, starb er eines mysteriösen Todes. Sein Andenken und das seiner Pioniere wird jedoch auch alljährlich im Juni in dem Ort Unionville, nördlich Toronto, mit einem Siedlerfest und einer Parade gefeiert. Im benachbarten Markham haben die Nachkommen der Moll-Berczy-Siedler eine Partnerschaft mit der Stadt Nördlingen geschlossen, die schon zu mehreren gegenseitigen offiziellen Besuchen geführt hat. Weitere Informationen über die mehr als 300jährige deutschkanadische  Geschichte sind auch in den Jahrbüchern der Historischen Gesellschaft von Mecklenburg Ober-Kanada zu finden. Hat man sich diesbezüglich informiert, so könnte sich ein gewisser Stolz auf die Herkunft entwickeln, der sich auch auf Kinder und Kindeskinder übertragen ließe – wozu öffentliche Bekundungen bei Feierlichkeiten wie dem Deutschen Pioniertag eine ideale Gelegenheit bieten.  Christian Jürgen Klein

 (Historische Gesellschaft von Mecklenburg Ober-Kanada)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren