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19.11.11 / Weinselig im Norden / Im nördlichsten Bundesland gedeiht die Rebe ebenso gut wie im Rheingau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Weinselig im Norden
Im nördlichsten Bundesland gedeiht die Rebe ebenso gut wie im Rheingau

Nein, Sie haben nicht falsch gelesen. Tatsächlich machen sich seit dem letzten Jahr Nordlichter daran, Weintrauben zu ernten, um daraus Wein zu keltern. Dass Wein auch nördlich der Main-Linie wachsen und gedeihen kann, war schon länger bekannt. An warmen Hausecken oder auf einem Südhang an den Hamburger Landungsbrücken wuchsen vereinzelt die süßen Trauben. Aber nun machen sich richtige Winzer in Schleswig-Holstein an die Arbeit.

Der Wein gedeiht heute in Ostholstein, dieser hügeligen Gegend in der Nähe der sonnenreichen Insel Fehmarn, wo die Sonneneinstrahlung besonders hoch ist. Im Jahr 2009 gab die Landesregierung in Schleswig-Holstein zehn Hektar für den Weinanbau frei.

Die größte Fläche von drei Hektar konnte sich die Familie Engel, Inhaber vom Ingenhof in der Nähe von Bad Malente, sichern. Der Ferienhof, der sonst mit einem „Feld-Café“ oder seiner Erdbeer- und Himbeerernte wirbt, verfügt über beste Hügel in Süd-West-Lage mit bis zu 30 Prozent Steigung.

Im Mai 2009 pflanzten dort die „Rotwein-Pioniere“ 3000 Rebstöcke. Schon im Oktober 2010 konnten die ersten Trauben geerntet und in 1000 Flaschen „Regent“ abgefüllt werden. Über das Internet ist dieser erste Jahrgang zum Preis von 18,50 Euro zu erwerben.

In diesem Jahr wurde wegen des guten Herbstwetters erst  Ende Oktober/Anfang November geerntet. Die Engels erhoffen sich wegen der relativ späten Ernte einen Qualitätsschub. Rund 1500 Flaschen sollen abgefüllt werden. Feriengäste haben sich bereits in den Appartements des Ingenhofs angemeldet, um bei der Weinlese mitzuhelfen.

Die Touristen zeigen sich über diese neue Möglichkeit des Urlaubs begeistert und kommen daher auf den Hof in einer Zeit, in der sonst überall in Ostholstein die Ferienwohnungen leer stehen. Die umtriebigen Inhaber des Ingenhofs haben ein neues Geschäftsfeld erschlossen.

Den ersten Rotwein hofft auch der Winzer Steffen J. Montigny in Schleswig-Holstein zu ernten. Schon im vergangenen Jahr konnte er 1868 Flaschen Weißwein abfüllen, die innerhalb von drei Tagen ausverkauft waren. Dieses Jahr sollen die auf zwei Hektar gepflanzten 4000 Rotweinrebstöcke die ersten Erträge bringen. Die klimatischen Bedingungen auf seinem Hof Altmühlen (zwischen Plön und Kiel) sind nach Aussagen des Deutschen Wetterdienstes optimal. Seit über 30 Jahren scheint in Plön die Sonne genauso lange wie in der Referenzstation im Rheingau. Die Niederschlagsmenge entspricht mit 600 ml pro qm in etwa der Regenmenge im Weinbaugebiet Baden um Freiburg. Außerdem ist die Jahresdurchschnittstemperatur größer als 8,5 bis 9 Grad Celsius, womit die Grundvoraussetzungen für Qualitätsweinbau erfüllt sind.

Winzer Montigny baut den Wein bereits seit 25 Jahren an der Nahe an und bringt daher viel Erfahrung mit, die sich die Familie Engel erst mühsam erwerben muss. Mit rund 400 Flaschen Rotwein rechnet Montigny in diesem Jahr, die er für 15 Euro das Stück verkaufen will. Ein Cuvée aus den Sorten Regent und Reberger soll es werden. Ein Mostgewicht von 85 Grad erwartet der Winzer. Erstaunlich sind diese Erwartungen an die Ernte in diesem Jahr, galten doch die beiden letzten Sommer als kalt und regnerisch. Viele Winterfröste taten zudem den jungen Weinstöcken nicht besonders gut. Dennoch bringen die Weinanbauflächen nun erste, wenn auch bescheidene Erträge. 80000 Euro hat Montigny in seine Wein-„Berge“ investiert, die aber tatsächlich ziemlich flach aussehen. Bis hier einmal ein Gewinn erwirtschaftet wird, dürften noch einige Jahre ins Land gehen.

Als ambitioniert gilt im Norden besonders der Rotweinanbau, weil dort nur frühreife und pilzresistente Sorten gedeihen können, wie das Deutsche Weininstitut in Mainz mitteilt. Weiße Trauben brauchen wesentlich kürzere Reifungszeiten, weswegen auch an anderen Stellen in Schleswig-Holstein, sogar auf der Insel Sylt, einige Weinstöcke stehen.

Die Handvoll Winzer, die im nördlichsten Bundesland nun wieder mit dem Weinanbau  beginnt, kann übrigens auf eine lange Tradition verweisen. Zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert wurde im Norden in großem Stil Wein angebaut, ehe eine Klimaabkühlung das unmöglich machte. Erst jetzt ist man darauf gekommen, dass eine Klimaerwärmung, sei sie nun menschlichen oder natürlichen Ursprungs, auch ihre Vorteile hat und neue Geschäftsfelder eröffnet. Herzblut und Geduld sind für die Wein-Pioniere allerdings unerlässliche Voraussetzungen, bis der Erfolg sich einstellt.      Hinrich E. Bues


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