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26.11.11 / Sonnenfeuer auf Erden / Strom aus Kernfusion – eine Option für die ferne Zukunft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-11 vom 26. November 2011

Sonnenfeuer auf Erden
Strom aus Kernfusion – eine Option für die ferne Zukunft

Extremer geht’s kaum noch: Außen kühlt flüssiges Helium die Magnetspulen auf minus 270 Grad Celsius, um sie supraleitend zu machen. Denn nur so können sie im Inneren das 100 Millionen Grad Celsius heiße Wasserstoff-Plasma so lange stabil halten, bis sich die Atomkerne verschmelzen – zu Helium. Die Energie, die bei dieser Fusion freigesetzt wird, übersteigt alles, was wir uns bislang unter Energie-Effizienz vorstellen, und zwar um mehrere Größenordnungen: Ein Kilogramm Wasserstoff liefert mehr Energie als 10000 Tonnen Kohle.

Das klingt nach ferner Zukunftsvision – und reicht doch weit zurück in fernste Vergangenheit. Vor fünf Milliarden Jahren zündete in jenem stellaren Materieklumpen, den wir heute Sonne nennen, das Fusionsfeuer. Seither verschmelzen im Innern unseres Zentralgestirns bei 300 Milliarden Atmospären Druck und 15 Millionen Grad Celsius Wasserstoff- zu Heliumkernen. Die Fusionsenergie wärmt unsere Erde. Ohne sie gäbe es kein Leben – und auch keine Atomwissenschaftler, die versuchen könnten, das Sonnenfeuer auf Erden zu zähmen.

Wie man Wasserstoffkerne dazu bringt, zu Helium zu fusionieren, wissen die Wissenschaftler seit 59 Jahren. Am 1. November 1952 zündeten US-Militärs die erste Wasserstoffbombe, deren Sprengkraft um ein Vielfaches höher war als die der seit Hiroshima bekannten Atombomben nach dem Kernspaltungsprinzip.

Was die Wissenschaftler bis heute nicht wissen: Wie kann man die ungeheure Kraft, die aus den fusionierenden Atomen kommt, bändigen und kontrolliert nutzen? Wie die erforderlichen Temperaturen und Drücke erzeugen? Wie das superheiße Plasma im Vakuum so zusammenhalten, dass es mit keiner Materie in Berührung kommt? Denn ein „Gefäß“, das solche Bedingungen aushalten könnte, gibt es nicht.

Längst hat sich der Forschungszweig der Plasmaphysik etabliert und nimmt mit dem Max-Planck-Institut Garching/München eine Spitzenposition ein. 1985 regten US-Präsident Ronald Reagan und KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow weltweite Kooperation an, da nur gemeinsam das große Ziel erreichbar sei. Man rechnete damals mit 30 Jahren bis zum Zünden eines ersten kommerziellen Fusionsreaktors, eine allzu optimistische Prognose.

So sieht die Realität aus: Im südfranzösischen Cadarache entsteht für 15 Milliarden Euro der Testreaktor Iter, ein sogenannter Tokamak, der 2019 anlaufen und 2027 erstmals Energie liefern soll. Parallel zu diesem globalen Projekt (Partner sind EU, USA, Russland und China) verfolgen die Deutschen ein anderes technisches Prinzip, den Stellarator. Das Garchinger Max-Planck-Institut baut in seiner Außenstelle Greifswald den 430 Millionen Euro teuren „Wendelstein“. Schon 2015 sollen die ersten Experimente starten; 2019 hofft man, erstmals mehr Energie herauszuholen, als für das Aufheizen und Zünden eingespeist wird. Auf das erste Fusionskraftwerk aber wird man wohl noch bis 2050 warten müssen. H.J.M.


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