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26.11.11 / Kreditgeber wider Willen / Ungefragt, unbegrenzt und legal »leihen« sich andere Zentralbanken Milliarden von der Bundesbank

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-11 vom 26. November 2011

Kreditgeber wider Willen
Ungefragt, unbegrenzt und legal »leihen« sich andere Zentralbanken Milliarden von der Bundesbank

Drohende Belastungen, die durch den Euro-Rettungsschirm entstehen können, werden in der deutschen Öffentlichkeit heftig diskutiert. Kaum beachtet wird hingegen die Bundesbankbilanz. Schleichend haben sich dort Risiken von fast einer halben Billion Euro angesammelt.

Mit sicherem Gespür für juristische Grauzonen nutzen Länder wie Irland und Griechenland eine Lücke in den Vereinbarungen zu europäischen Währungsunion. Sie verschaffen sich Kredit bei der Bundesbank: Ungefragt, unbegrenzt und legal über das „Echtzeit-Bruttozahlungssystem“, auch Target-2-System genannt. Etwas sperrige Begriffe, die ein System benennen, mit dem die Zentralbanken der Euro-Zone untereinander grenzüberschreitende Zahlungen verrechnen. In der Vergangenheit haben sich bestenfalls einige Währungsexperten damit beschäftigt, inzwischen hat die Thematik aber das Interesse von immer mehr Volkswirten erregt. Ursache für diesen Wandel ist, dass sich seit einigen Jahren bei dem Verrechnungssystem ein massiver Missbrauch durch einige der eingebundenen Zentralbanken abzeichnet.

Wie simpel der Trick funktioniert, mit dem sich ein Kredit auch gegen den Willen des Kreditgebers beschaffen lässt, macht ein Blick auf die Zahlungswege deutlich, die ein Exportgeschäft nach sich zieht: Der Kauf eines irischen Kunden bei einem deutschen Hersteller führt zum Beispiel dazu, dass zur Bezahlung des Produkts der entsprechende Betrag vom Konto des irischen Käufers bei seiner Geschäftsbank abgebucht und an die irische Zentralbank überwiesen wird. Der Verkäufer in Deutschland wieder­um erhält auf seinem Bankkonto durch die Bundesbank die entsprechende Gutschrift. Abgeschlossen wird der Vorgang damit, dass die irische Zentralbank den von der Bundesbank quasi vorgestreckten Betrag an die Bundesbank überweist. Diese Ausgleichszahlungen bleiben allerdings im zunehmenden Maße aus. Erstaunlich ist, dass dieses Vorgehen nicht einmal illegal ist. In den Regelungen des Maastricht-Vertrages zur Währungsunion wurde – trotz der Bezeichnung Echtzeitsystem – nicht festgesetzt, wann der Ausgleich zu erfolgen hat.

Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, beschreibt den erstaunlichen Vorgang so: „Das ist so, wie wenn sie in einem Laden permanent anschreiben lassen.“ Dieses „Anschreiben“ hat dazu geführt, dass bei der Bundesbank die Forderungen an andere Euro-Zentralbanken mittlerweile fast das Volumen einer halben Billion Euro erreichen. Im September war bereits der Stand von 449,6 Milliarden Euro erreicht. Bis zum Ende des Oktobers sind die offenen Forderungen auf 465 Milliarden Euro gestiegen, bis zum Jahresanfang 2012 ist mit dem Erreichen von 500 Milliarden Euro zu rechnen.

Die Bank of Ireland nutzt diese Art von erzwungenem Kredit mit 141 Milliarden Euro zwar am massivsten in der Euro-Zone aus, steht mit ihrem Vorgehen aber bei weitem nicht mehr allein. Bis Ende September hatten auch Griechenland mit 100,7 Milliarden Euro, Spanien mit 88,6 Milliarden Euro und Portugal mit 57,3 Milliarden Euro Schulden bei anderen Euro-Zentralbanken. Brisant sind aber zwei andere Zahlen: Frankreich mit 97,7 Milliarden Euro und Italien mit 103,5 Milliarden Euro Defizit im September waren inzwischen ebenso gezwungen, in die Trickkiste zu greifen, wie man es bisher nur von der griechischen oder der irischen Zentralbank gewohnt war.

Auch die Bundesbank ist mittlerweile nicht mehr allein in ihrer Rolle als Kreditgeber wider Willen. Bei der niederländischen Zentralbank stapelten sich im September Forderungen in Höhe von über 88 Milliarden Euro. Selbst Luxemburg wird inzwischen zur Ader gelassen. Der Saldo, im September 84,3 Milliarden Euro, lenkt den Blick auf eine weitere Tatsache, die sich neben unterschiedlicher volkswirtschaftlicher Leistungskraft in den Target-2-Salden widerspiegelt: Kapitalflucht. Die Luxemburger Banken werden zurzeit förmlich überschüttet von Kapital, das aus der EU-Südschiene abgezogen wird. Völlig offen ist, wie die per Target-2-System zusätzlich aufgehäufte Quasi-Staatsverschuldung zurückbezahlt werden soll. Wie illusorisch dies ist, wird am Fall Griechenland deutlich: Zusätzlich zu den offiziellen Staatsschulden von zirka 350 Milliarden Euro waren im September noch 100,7 Milliarden Euro bei der griechischen Zentralbank aus dem Target-2-System offen. Eine Pleite Griechenlands könnte auch eine erste Probe dafür sein, wie belastbar die Aussagen der EZB bezüglich Target-2-Thematik sind: Juristisch gesehen bestehen die Verbindlichkeiten nämlich gegenüber der EZB, so dass die Bundesbank bei einem Ausfall nur gemäß ihrem EZB-Anteil von zirka 19 Prozent haften würde. Ob diese Aussage allerdings auch noch gültig sein wird, wenn es zu einem Totalkollaps der europäischen Währungsunion kommt, ist fraglich.

Von der deutschen Politik ist die Problematik um die Target-2-Forderungen der Bundesbank bisher mit Schweigen bedacht worden: Einerseits ist das handwerkliche Versagen bei der juristischen Ausarbeitung des Maastricht-Vertrages in den 90er Jahren zu offensichtlich. Andererseits ist der massive Missbrauch des Verrechnungssystems zu Lasten der Bundesbank mittlerweile fester Bestandteil der Rettungsmaßnahmen für das eigentlich gescheiterte Eliten-Projekt „Euro“. Norman Hanert


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