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26.11.11 / Mauer besser als Krieg / Warum US-Präsident Kennedy der Eiserne Vorhang sinnvoll erschien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-11 vom 26. November 2011

Mauer besser als Krieg
Warum US-Präsident Kennedy der Eiserne Vorhang sinnvoll erschien

Im August 1961 ließ Walter Ulbricht in Berlin die Mauer bauen, dem 50. Jahrestag dieses Ereignisses gelten zahllose Publikationen, unter ihnen scheinbar auch „Berlin 1961. Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt“ von Frederick Kempe. Tatsächlich behandelt das Buch die Mauer erst im Schluss-teil, detaillierter als viele andere, sogar mit Mitgefühl für die Berliner, das dem Autor die eigene Mutter, 1919 in Berlin geboren, einimpfte. Davon abgesehen, folgt das voluminöse Werk seiner eigenen Dramaturgie: die Vorgeschichte der Mauer als Eskalation von Drohungen, Ultimaten, Waffenrasseln ausführlich zu schildern, um dann den Mauerbau als Erlösung von Kriegsangst in Ost und West zu würdigen. Diese Sichtweise ist zynisch, nichtsdestotrotz muss man Kempe eine suggestive Art zugestehen, eine Unmenge von Fakten und Belegen so zu präsentieren, als wenn kein anderer Schluss möglich wäre.

Die Hauptakteure dieses Dramas nennt der Autor bereits im Buchtitel: den jungen US-Präsidenten John F. Kennedy, seit Januar 1961 im Amt, und den alten Kremlfuchs Nikita S. Chruschtschow. Ständig variiert Kempe den Gedanken, was Nachkriegseuropa erspart geblieben wäre, hätte der Russe den Amerikaner nicht als Feigling und Kennedy Chruschtschow nicht als rationalen Staatsmann eingeschätzt. Für Kennedy war 1961 ein Jahr blamabler Niederlagen. Die Russen schickten mit Jurj Gagarin den ersten Menschen in den Weltraum, die Amerikaner verpatzten in Kuba die Militäraktion „Schweinebucht“. Das Wiener Gipfeltreffen schien Chrusch-tschows Urteil von Kennedy als „grünem Jungen“ zu bestätigen, und der Berliner Mauerbau ließ viele Deutsche und andere glauben, Kennedy habe „die Westberliner verkaufen“ wollen.

Das habe er nicht gewollt, er habe nur weiter gesehen: „Es ist keine besonders angenehme Lösung, aber eine Mauer ist verdammt viel besser als Krieg.“ Kennedys Sicht habe die Mitte zwischen Zynismus und Realpolitik gehalten, doch wenn die DDR infolge von Millionen Flüchtlingen zusammengebrochen wäre, wäre der ganze Osten in die Krise geraten und die Sowjets wären noch aggressiver geworden – dann schon lieber die Mauer, so offenbar Kennedy. Chruschtschow dachte genauso, wie Kempe aus dessen Memoiren herauslas: Ein Konflikt mit den USA habe gedroht, „der möglicherweise zu einem Krieg geführt hätte. Das konnte und wollte ich nicht riskieren. Also blieb nur die Mauer übrig“.

„Kennedy redet wie Churchill und handelt wie Chamberlain“, höhnte mancher US-Kolumnist, aber das war unfair. Kennedy war weder ein Großmaul noch ein Appeasement-Politiker, vielmehr ein Recke, der die Niederlagen von 1961 beglich: Erst desillusionierte er die Chauvinisten im Kreml, als er sie in US-Arsenale sehen ließ: „Unsere Nation verfügt über todbringende Mittel zum Vergeltungsschlag, dass jeder Schritt des Feindes einem Selbstmord gleichkäme.“ Dann verlegte er im Oktober 1962 „die Berlin-Krise nach Kuba“ – er zwang die Sowjets, ihre Raketen aus Kuba abzuziehen und nie wieder die USA zu bedrohen.

Kempes Resümee: Anfangs wollte Kennedy Berlin in den Hintergrund schieben, dann war er von Berlin „überwältigt“. W. Oschlies

Frederick Kempe: „Berlin 1961. Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt“, Siedler, München 2011, 669 Seiten, 29,99 Euro


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