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03.12.11 / Ausnahme bereits die Regel geworden / Schon jetzt müssen Stromerzeuger Kraftwerke zuschalten, um den Stromfluss stabil zu halten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-11 vom 03. Dezember 2011

Ausnahme bereits die Regel geworden
Schon jetzt müssen Stromerzeuger Kraftwerke zuschalten, um den Stromfluss stabil zu halten

Ohne Strom läuft in unserer modernen Gesellschaft nichts mehr. Es brennt kein Licht, der Herd bleibt kalt, die Heizung aus, der Verkehr und die Infrastruktur brechen zusammen, Lebensmittel verderben, das Telefon ist tot, und der Zapfhahn an der Tankstelle gibt auch nichts mehr her. Dieses Szenario, so fürchten die Bundesnetzagentur und die Netzbetreiber, könnte schon in den kommenden Wintermonaten Realität werden.

Die Wende der Bundesregierung in der Energiepolitik stellt die Strombranche vor große Herausforderungen, denn durch die Abschaltung von sieben Atomkraftwerken kann es zu gravierenden Engpässen bei der Stromversorgung kommen. Deshalb hat die Bundesnetzagentur schon vor Monaten vor einer zu schnellen Abschaltung der Atomkraftwerke gewarnt, ohne gleichzeitig ein tragfähiges Konzept für eine sichere Alternativversorgung zu haben. Dieses Konzept fehlt jedoch. Eine Erhebung der Bundesnetzagentur bei den Kraftwerksbetreibern, die selbst Kleinanlagen erfasst, hat eine sogenannte Kaltreserve, also die Zuschaltung von nicht unter Volllast laufenden oder abgeschalteten Anlagen, von 520 Megawatt ergeben. Um über den Winter zu kommen, wäre jedoch eine Reservekapazität von mindestens 1000 Megawatt erforderlich.

Schon jetzt müssen die Betreiber regelmäßig eingreifen und Kraftwerke zuschalten, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Was eigentlich die Ausnahme sein sollte, ist zum Normalfall geworden. Im Sommer ist das noch kein Problem, im Winter jedoch, wenn der Energieverbrauch am höchsten ist, reicht das nicht mehr. Die Netzbetreiber warnen, dann könne es in den Lastzentren, also den Regionen mit einem besonders hohen Energieverbrauch, Versorgungsengpässe bis hin zum totalen Stromausfall geben. Daher fordern die Bundesnetzagentur und die Netzbetreiber die Bereithaltung von Reservekraftwerken für den Notfall.

Dies erfordert gewaltige Investitionen in den Kraftwerksneubau, die Energieexperten mit 18 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 beziffern. Zwar sind derzeit 85 neue Kohle- und Gaskraftwerke vorgesehen, aber erst 21 im Bau. Ob und wann die anderen Projekte überhaupt realisiert werden können, ist noch vollkommen offen. Und selbst diese Kapazitäten würden nicht ausreichen, um die Versorgungslücken vollständig zu kompensieren. Hinzu kommt, dass die Betreiber Emissionszertifikate kaufen müssen, was die Investitionsfreude hemmt und den Strom erheblich verteuert.

Nun rächt es sich, dass die Bundesregierung der Förderung der „Erneuerbaren Energien“ Vorrang vor allen anderen Energiequellen einräumt. Windkraft und Sonnenenergie sollen es richten. So geht der Bau staatlich subventionierter „Ökokraftwerke“ zügig voran, jedoch ohne dass der Ausbau dieser Anlagen am Bedarf ausgerichtet ist. Die Sache hat nämlich einen Haken: Wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht, kann man aus diesen Quellen nun einmal keinen Strom gewinnen. Hinzu kommt, dass es an Höchstspannungsleitungen fehlt, die den ökologisch erzeugten Strom dorthin transportieren, wo er gebraucht wird.

Deutschland ist auf einen großflächigen Stromausfall nicht vorbereitet. Es existieren keine Pläne für ein einheitliches Risiko- und Krisenmanagement von Staat und Energieversorgungsunternehmen. Regionale Notfallpläne, wie sie derzeit in Hamburg vorbereitet werden, sind die Ausnahme. Stattdessen sieht die Politik als eine Möglichkeit, die Netzstabilität zu gewährleisten, die Strommengenkontingentierung für Großverbraucher vor. Dazu erarbeitet das Bundeswirtschaftsministerium bereits eine Verordnung, nach der ab Januar kommenden Jahres bei Stromknappheit Industriebetriebe vorübergehend vom Netz getrennt werden können. Die Betreiber sollen für den Produktionsausfall mit einer sogenannten Lastabwurfprämie entschädigt werden. Ein weiterer Schritt zur Stromrationierung könnte so aussehen, dass die Privathaushalte nur noch zeitweise versorgt oder auch gar nicht mehr mit Strom beliefert werden.

Einzig das Bundesumweltamt (UBA) wiegelt ab. Es befürchtet weder gravierende Versorgungslücken noch einen Anstieg des Strompreises. Die zum Geschäftsbereich des atomausstiegsfreudigen Bundesumweltministers Norbert Röttgen gehörenden Umweltexperten erklären sogar, überschüssige Energiereserven ermittelt zu haben. Ab dem Jahr 2017 sei selbst der vollständige Ausstieg aus der Kernkraft möglich, ohne dass es zu Versorgungsengpässen kommen würde. Und für den Fall, dass Strom doch einmal knapp werden sollte, hat das UBA den Stein der Weisen gefunden: „Stromlücke adé durch neue Haushaltgeräte“ heißt die bestechend einfache Lösung. Die Stromkunden sollen einfach effizientere Geräte anschaffen und schon brennt das Licht wieder. Nicht minder originell ist die Idee einiger EU-Abgeordneter. Sie wollen alle Fitnessstudios verpflichten, die dort erstrampelte Energie ins Netz einzuspeisen. Jan Heitmann


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