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03.12.11 / Gespart wird später / Sprudelnde Steuereinnahmen veranlassen Rot-Rot, Sparbeschlüsse zu verschieben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-11 vom 03. Dezember 2011

Gespart wird später
Sprudelnde Steuereinnahmen veranlassen Rot-Rot, Sparbeschlüsse zu verschieben

Das Land Brandenburg durchläuft derzeit die zweite Haushaltsumgestaltung innerhalb von drei Wochen. Die klammen Kommunen und der Bildungssektor bekommen von Rot-Rot mehr Geld. So versucht das Land, eine drohende Klage der Gemeinden wegen ungenügender Finanzausstattung bei zugleich vom Land erteilten Zusatzaufgaben abzuwehren. Trotz Steuermehreinnahmen lebt die Mark zunehmend von der Substanz.

Das Land Brandenburg bleibe unbeeinflusst von rot-roten Sparvorgaben und Strukturreformen, beispielsweise bei der Polizei, schlecht auf den Bevölkerungswandel vorbereitet und habe weiterhin enormen Überhang beim Landespersonal, sagen Kritiker. Rund 18 Milliarden Euro beträgt die Verschuldung des Landes. Statt langfristiger Schwerpunktsetzung durch die Politik erlebt die Mark seit dem Sommer eine Diskussion um die Rücknahme bisheriger Sparbeschlüsse. Seit Sommer nämlich weiß Finanzminister Helmuth Markov („Die Linke“) von Steuer-mehreinnahmen. Im November erhöhten sich diese geschätzten Mehreinnahmen sogar noch: Allein 2011 strömen demnach 137 Millionen Euro extra in die Landeskasse. Bis 2014 kommen zusätzlich voraussichtliche 280 Millionen Euro hinzu. Seitdem das bekannt ist, wollen einige in der Koalition den Haushalt sanieren, andere in Bildung investieren und faktisch hagelt es ständig neue Beschlüsse. Noch Ende Juni war für 2012 ein strikter Sparhaushalt beschlossen worden. Anfang November kündigte dann das Kabinett von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) an, bei der Bildung statt der in diesem Sparhaushalt festgelegten 24 Millionen nur rund 13 Millionen Euro einzusparen. Ein elf Millionen Euro umfassendes Bildungspaket ist damit beschlossen. Laut Landesregierung war dies eine der größten Umschichtungen eines Haushalts in der Landesgeschichte. Das Geld fließt in kleinere Klassen und wird auch den heftig umkämpften Schulen in freier Trägerschaft über weniger stark gekürzte Zuschüsse eine gewisse Entlastung bescheren. Währenddessen warnte Platzeck: „Wir sind gut beraten, unsere besonnene Finanzpolitik fortzusetzen.“

Doch nun schichtet Rot-Rot erneut um, verplant einen Großteil der 137 Millionen, wovor Platzeck noch vor Tagen ausdrücklich warnte. Diesmal profitiert nicht nur der Bildungssektor, sondern vor allem die finanzschwachen Gemeinden. Sie erhalten insgesamt 53,4 Millionen Euro mehr. Kleinere Gemeinden wie kreisfreie Städte hatten zuletzt wiederholt ihre ungenügende finanzielle Berücksichtigung durch die Landesregierung attackiert und drohen mit einer Klage. Das Kabinett Platzeck versucht sie zu beschwichtigen. Im Bildungssektor entlastet die Regierung nochmals die freien Schulen: Bis 2015 erhalten sie nicht 17,7 Millionen Euro weniger, sondern 14,3 Millionen.

Rot-Rot korrigiert sich laufend selbst, während die Begehrlichkeiten weiter wachsen. Nun fordern auch die Hochschulen Geld und sind damit nicht allein. Das wichtigste haushaltspolitische Ziel, nämlich die Neuverschuldung schnellstmöglich zu stoppen, gehe die Regierung nicht an, kritisiert die Opposition. Noch vor Tagen hatte die SPD klargestellt, dank Steuer-mehreinnahmen lieber weniger Kredite aufnehmen zu wollen. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher hatte sich dafür eingesetzt, den Haushalt 2012 nicht erneut nachzubessern: „Wir haben schon genug nachgelegt.“ Nun hat die Partei „Die Linke“ das Gegenteil durchgesetzt. Im zukunftsentscheidenden Bereich Investitionen hingegen schlägt der ursprüngliche Sparkurs vom Juni weiter voll durch.

Im Landeshaushalt sei für öffentliche Investitionen Jahr um Jahr immer weniger vorgesehen, kritisiert die Baubranche des Landes, die rund ein Drittel ihrer Umsätze mit öffentlichen Aufträgen erwirtschaftet. So könnten 2012 die Investitionen des Landes etwa 1,5 Milliarden Euro betragen, der Anteil von Investitionen am Gesamthaushalt beliefe sich damit noch auf 14,8 Prozent, kritisiert Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg. Er hielt der Landesregierung vor, bei 15 Prozent sei die von Experten angegebene Grenze dessen erreicht, was „unbedingt nötig“ sei.

Wunschel bemängelte weiter, dass der Personaletat im rot-roten Haushalt hingegen ständig weiter steige, und zwar im Jahr 2015 auf bald ein Viertel der Gesamtausgaben. Auch der Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, Reinhold Dellmann, forderte vom Land mehr Einsatz. Ihm liegt die Reparatur des Straßennetzes am Herzen: „Derzeit wird hier aus der Substanz gelebt.“

So scheint der Streit um die Verteilung des Kuchens erst zu beginnen. Die meisten Städte und Gemeinden werden jedenfalls wieder ohne beschlossenen Haushalt ins neue Jahr starten. Und auch 2012 will Rot-Rot wieder Schulden machen. 270 Millionen Euro will die Landesregierung aufnehmen, 2013 erneut 200 Millionen. „2014 wird dort eine Null stehen“, beteuerte der Landtagsabgeordnete Christian Görke („Die Linke“). Sverre Gutschmidt


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