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03.12.11 / Warnschuss für Belgien / Ratingagentur machte Regierungsbildung möglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-11 vom 03. Dezember 2011

Warnschuss für Belgien
Ratingagentur machte Regierungsbildung möglich

Ausgerechnet die Rating-agentur Standard & Poor’s könnte mit ihrer Herabsetzung der Kreditwürdigkeit Belgiens bewirkt haben, woran das politische Führungspersonal in Brüssel seit anderthalb Jahren gescheitert ist: eine Regierungsbildung. Nach über 530 Tagen ohne Regierung zeichnet sich nun eine Einigung ab: Erst am 21. November hatte der mit der Regierungsbildung beauftragte frankophone Sozialdemokrat Elio Di Rupo gegen-über König Albert II. seinen Rück-zug vom Auftrag angeboten. Vorausgegangen war ein Scheitern bei den Haushaltsverhandlungen für den Etat 2012. Am Freitag, dem 25. November, folgte dann plötzlich die Meldung, dass nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon eine Einigung auf milliardenschwere Einschnitte im Haushalt 2012 bis 2014 gelungen ist.

Was die erstaunliche Wende bewirkt haben könnte, wird an den Nachrichtenmeldungen der dazwischenliegenden Tage deutlich: Am Dienstag, dem 22. November, zogen die Renditen der zehnjährigen belgischen Anleihen um 28 Basispunkte auf 5,1 Prozent an: für Belgien ein seit zwei Jahren nicht gesehener Rekordwert. Der eigentliche Warnschuss, der die Kräfte mobilisiert zu haben scheint, kam aber von der Ratingagentur Standard & Poor’s: Mit Hinweis auf den politischen Stillstand im Land wurde Belgiens Kreditwürdigkeit von AA+ auf nur noch AA mit negativem Ausblick abgesenkt.

Die herabgesetzte Bonität, durch die sich die Kreditaufnahme für Belgien verteuern wird, trifft Belgien in einer äußerst unangenehmen Situation: Während das Auffangen der in eine Schieflage geratenen französisch-belgischen Großbank Dexia für Frankreich immerhin ein ernstes Problem wird, droht Belgien an der Aufbringung der Rettungsgelder zu scheitern: Die Großbank Dexia soll sich 2012 selbst mit Anleihen für 54 Milliarden Euro eindecken. Die mit einer staatlichen Garantie versehenen Dexia-Anleihen werden aber in direkte Konkurrenz zu neuen Anleihen des Staates Belgien treten. Abgesehen von den dadurch steigenden Kosten, weil die Staatsanleihen für die Investoren mit einem attraktiveren Zins angeboten werden müssen, wenn sie überhaupt losgeschlagen werden sollen, wird von Bankenvertretern geschätzt, dass der Markt ohnehin nur für 20 bis 25 Milliarden Euro Dexia-Anleihen aufnahmefähig ist.

Nach Berichten der belgischen Zeitung „De Standaard“ soll es inzwischen eine erste Anfrage an Frankreich zur Nachverhandlung des erst im Oktober vereinbarten Bank-Rettungsplans geben. Auch wenn eine neue Lösung für die Bank gefunden werden sollte, wird für eine Regierung unter dem Sozialisten Di Rupo noch genügend Konfliktpotenzial übrig bleiben: Der eigentliche Sieger der Parlamentswahlen von Juni 2010, die flämmische N-VA, mit ihrem für ein eigenständiges Flandern eintretenden Chef Bart De Wever, wird nicht mit am Regierungstisch sitzen. Stattdessen eine bunte Koalition von sechs Parteien: Sozialisten, Liberale und Christdemokraten jeweils aus Flandern und der Wallonie, die eigens dafür angelegt ist, den eigentlichen Wahlsieger von der Macht fernzuhalten. Allerdings scheint die zusammengewürfelte Koalition fast eine Garantie für zukünftige Regierungskrisen zu sein. Allein 2012 müssen 11,3 Milliarden Euro eingespart werden. Die Frage, wo genau der Rotstift im Detail angesetzt werden soll, wird noch genug Potenzial für einen zweisprachig geführten Streit unter sechs Parteien bieten. Norman Hanert


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