19.04.2024

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10.12.11 / Volkes Wille im Bund nicht gefragt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-11 vom 10. Dezember 2011

Volkes Wille im Bund nicht gefragt

Fast alle demokratischen Staaten kennen Elemente der direkten Demokratie. In Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es dazu: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Wie dies geschieht, ist ebenfalls festgelegt, nämlich durch Wahlen und Abstimmungen. Die Reihenfolge macht deutlich, dass die Verfassungsväter die Ausübung der Staatsgewalt vor allem in Wahlen sahen. Dieser geradezu plebiszitfeindliche Charakter des Grundgesetzes wird historisch damit begründet, dass in der Zeit der Weimarer Republik demokratiefeindliche Kräfte die damals durchgeführten Volksabstimmungen propagandistisch ausgenutzt hätten. Ganz abgesehen davon, dass diese These nicht haltbar ist, müssen die damaligen Erfahrungen nicht automatisch auf die Bundesrepublik Deutschland anwendbar sein. Ein weiteres Argument gegen Abstimmungen ist, dass deren Ergebnisse zu leicht von Emotionen und momentanen Ereignissen beeinflusst werden könnten. Als Beispiel wird hier gern der Ruf nach der Todesstrafe nach spektakulären Mordfällen angeführt. Demnach müsste es in der Schweiz eigentlich die Todesstrafe geben.

Ausdrücklich sieht das Grundgesetz Volksabstimmungen nur in Zusammenhang mit der Neugliederung des Bundesgebietes vor (Artikel 29 und 118). Gleichwohl stehen diese Normen einem einfachen Bundesgesetz zur Durchführung von Volksbefragungen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene nicht im Wege, da sie nicht festlegen, dass diese plebiszitären Elemente lediglich und ausschließlich bei der Neugliederung des Bundesgebietes zulässig sind. Direkte Demokratie auf Bundesebene wäre also möglich. Es fehlt lediglich der Wille des Gesetzgebers, die dafür erforderlichen Ausführungsgesetze zu erlassen. Jan Heitmann

 

Zeitzeugen

Winfried Kretschmann – Der Sohn katholischer Ostpreußen aus dem Ermland stellte sich im Wahlkampf in Baden-Württemberg gezielt auf die Seite der Gegner des Bahnhofprojektes S21. Nach seiner Wahl zum ersten grünen Ministerpräsidenten Deutschlands bildete er mit der S21 befürwortenden SPD eine Regierungskoalition. Ein Volksentscheid sollte klären, wer Volkes Wille repräsentiert und dessen Ergebnis Ende November belegte nun, dass es nicht die Grünen waren.

Walter Scheuerl – Der Hamburger Rechtsanwalt war Initiator der Initiative „Wir wollen lernen“, die sich gegen die Schulreform-Pläne der Bürgerschaft wehrte. Diese strebte die Einführung einer sechsjährigen Primarschule an. Scheuerl setzte einen Volksentscheid durch, der bewies, dass die Mehrheit der Hamburger gegen die Pläne der Politik war.

Roger Köppel – Der Schweizer, der sich seine journalistischen Sporen bei der „Neuen Zürcher Zeitung“ verdiente und zwei Jahre Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“ war, ist seit 2006 wieder Chefredakteur der Schweizer „Weltwoche“ (davor bereits 2001–2004). Der Schweizer Volksentscheid zum Minarettverbot ist für ihn ein „leuchtendes Beispiel der Demokratie in Europa“. Köppel bekannte offen, auf der Seite der Minarettgegner gewesen zu sein.

Helmut Kohl – Die Entscheidung über die Einführung des Euro und die Auswahl der Teilnehmerländer wurde unter Bundeskanzler Kohl bewusst als rein politische Entscheidung gewertet. Eine öffentliche Debatte war nicht gewollt. „Eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro hätten wir verloren. Das ist ganz klar“, soll Kohl dem Autor des Buches „Zwangsumtausch. Wie Kohl und Lafontaine die D-Mark abschafften“, Jens Peter Paul, gesagt haben.

Hans-Olaf Henkel – Der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ist überzeugt, dass in Sachen Euro und Euro-Rettung die Politik nicht die Interessen der Mehrheit des Volkes repräsentiere. Auch gehörte er zu jenen, die Thilo Sarrazins Äußerungen über Integration verteidigten. Allerdings will er trotz aller Unzufriedenheit keine eigene wirtschaftsliberale Partei gründen.


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