28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.12.11 / Den Damm gesprengt / EZB belässt erstmals mehr Geld auf dem Finanzmarkt, als sie nach Stabilitätskriterien dürfte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-11 vom 10. Dezember 2011

Den Damm gesprengt
EZB belässt erstmals mehr Geld auf dem Finanzmarkt, als sie nach Stabilitätskriterien dürfte

Überschüssige Liquidität gefährdet nun den Wert des Geldes und droht zur Gefahr für Arbeitnehmer, Rentner und Sparer zu werden.

Seit Mai 2010 hat die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen von Italien, Spanien und Griechenland im Wert von 203 Milliarden Euro angekauft. Nach offizieller Lesart stellen die Aufkäufe keine Inflationsgefahr dar, da die zusätzliche Geldmenge im Nachhinein problemlos neutralisiert werden kann. Ende November ist die EZB aber genau an dieser Neutralisierung gescheitert. Eine scheinbar unspektakuläre Detailfrage: Statt 203,5 Milliarden Euro hat die EZB am 29. November nur 194,2 Milliarden Euro am Finanzmarkt wieder einsammeln können. Mit der Aktion sollte die durch Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB zusätzlich entstandene Geldmenge dem Markt wieder entzogen werden.

Das Belassen von neun Milliarden Euro im Markt scheint unbedeutend zu sein, tatsächlich könnte der Schritt sich allerdings im Nachhinein betrachtet als Testlauf zu einem zweiten Tabubruch der EZB herausstellen. Bereits der Beschluss zur Finanzierung von Staatsschulden durch die EZB, der im Mai 2010 gefallen ist, stellt einen Verstoß gegen die Vereinbarungen zur europäischen Währungsunion dar. Der den Banken von der EZB nun gebotene magere Zinssatz von lediglich 0,63 Prozent, mit der überschüssige Liquidität wieder eingesammelt werden sollte, wirft die Frage auf, ob die EZB ein Scheitern des Vorhabens bewusst einkalkuliert hat. Als sicher gilt, dass mit einem etwas attraktiveren Zinsangebot durch die EZB an die Banken die überschüssige Geldmenge dem Markt problemlos wieder hätte entzogen werden können.

Falls ein Scheitern einkalkuliert war, dann ist am 29. November der Startschuss zu einer allmählichen Ausweitung der Geldmenge gefallen. Der Verdacht, dass die EZB bewusst eine inflationäre Strategie fahren will, kommt nicht von ungefähr auf. Der Ruf nach einer „aktiveren Rolle der EZB“ nach dem Vorbild von US-Federal Reserve Bank und der Bank of England wird insbesondere in den Euro-Krisenländern immer lauter. Die beiden Zentralbanken betreiben durch Ankauf von Staatsanleihen mittlerweile ausgiebig die Staatsfinanzierung per Druckerpresse.

Zur Zufriedenheit der jeweiligen Finanzminister entlastet diese Politik vom Druck der Märkte. Die US-FED hat so umgerechnet zwei Billionen Euro bereitgestellt, die Bank of England für umgerechnet 300 Milliarden Euro britische Anleihen angekauft. Beide Zentralbanken haben darauf verzichtet, die entstandene zusätzliche Geldmenge an den Märkten wieder „abzuschöpfen“. Die Kehrseite der scheinbaren Stabilisierung der Lage wird gern verschwiegen: In Großbritannien bewegte sich die Preissteigerung in diesem Jahr im Bereich zwischen vier und fünf Prozent (Ok-tober 2011: 4,98 Prozent). In den USA stieg der amtliche Verbraucherpreisindex von 1,63 Prozent im Januar auf 3,52 Prozent im Oktober.

Anzumerken ist, dass insbesondere die amtliche Teuerungsrate der USA nur unter starkem Vorbehalt zu sehen ist. Die Preissteigerungen werden anhand eines theoretischen Waren- und Dienstleistungskorbes ermittelt, dessen Zusammenstellung zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten zulässt. Diese Möglichkeiten werden auch massiv genutzt, so dass offizielle US-Statistiken inzwischen – aufgrund des aufgewendeten Erfindungsreichtums zur Verschleierung unliebsamer Tatsachen – weltweit ebenso berühmt wie berüchtigt sind.

Der Ökonom John Williams beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Problem der Manipulation amtlicher Statistiken in den USA. In seinem Informationsbrief „Shadow Government Statistics“ veröffentlicht er regelmäßig alternativ ermittelte Werte. Statt der offiziell verkündeten Teuerungsraten von weniger als vier Prozent in den USA kommt Williams zum Beispiel aktuell auf eine Rate, die weit über zehn Prozent liegt. Auf ähnliche Werte werden sich wahrscheinlich auch die Verbraucher in der Euro-Zone zukünftig einstellen müssen – zumindest wenn Lüder Gerken vom Freiburger Centrum für Europäische Politik mit seiner Prognose Recht behalten sollte. In einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ warnte der Wirtschaftsforscher davor, „dass die meisten Regierungen in der Euro-Zone und die Europäische Zentralbank politisch eine Inflationsrate von knapp unter zehn Prozent in Kauf nähmen …, in der Hoffnung, dass die Deutschen dabei nicht allzu sehr aufmucken“.

Die Aussage Gerkens ist eine Erklärung für das gescheiterte Einsammeln von Liquidität durch die EZB am 29. November. Die EZB hätte damit einen ersten Schritt getan, die Schulden der Euro-Problemländer durch die Notenpresse wegzuinflationieren. Wie so etwas funktionieren könnte, hat die Bank Morgan Stanley bereits am Beispiel der USA vorgerechnet: Bei einer Inflationsrate von neun Prozent im kommenden Jahrzehnt können die USA ihre heutige Schuldenquote weiterhin beibehalten. Erfolgreich angewendet haben die USA eine solche Strategie bereits, um die durch den Zweiten Weltkrieg entstandenen Staatsschulden verschwinden zu lassen. Neben Anleihen, die Banken und Versicherungen dem Staat zwangsweise zu äußerst niedrigen Zinsen abnehmen mussten, war eine bewusste Inflationspolitik das zweite Element zum „Abtragen“ der US-Staatsschulden. Die Leidtragenden einer solchen langfristigen staatlichen Teilentschuldung per Notenpresse sind Sparer, Arbeitnehmer und Rentner, die durch Geldwertverlust schleichend enteignet werden. Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren