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10.12.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-11 vom 10. Dezember 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

in der letzten Folge konnten wir schon Erfreuliches berichten, aber es hat sich noch viel mehr getan. Da hatte Frau Ursula Schäning-Dumke von dem steinernen „Barto“ in ihrer Heimatstadt Barten geschrieben, der in ihrer Erinnerung im Garten von Dr. Gotthardt hinter dem Zaun stand, und auch nach dem Verbleib der Familie des Tierarztes gefragt. Nun verschieben sich ja die Dimensionen, wenn man älter wird – wer kennt das nicht, wenn er die Stätten seiner Kindheit nach Jahrzehnten betritt und verwundert feststellen muss, dass manches doch anders ist, als man es in der Erinnerung hatte? So versetzte Ursula Schäning-Dumke den Barto um etwa 50 Meter: Er stand nicht hinter dem Gartenzaum des Gotthardtschen Anwesens, sondern auf einem freien Platz vor der Einfahrt zur alten Ordensburg. Wer das jetzt richtig gestellt hat, muss es schon genau wissen, denn es ist niemand anders als der Sohn des Tierarztes aus Barten, Herr Dr. Dietrich Gott­hardt aus Pattensen. Er hat sofort seine ehemalige Schulgefährtin – damals Ursula Aulich – angerufen, und das war wohl mehr, als sie auf ihre Frage, ob die Kinder des Tierarztes noch leben, erwartet hatte. Dr. Gotthardt konnte ihr mitteilen, dass alle Geschwister noch leben. Er hat sich sehr über die „Barto“-Veröffentlichung in unserer Kolumne gefreut, denn er fühlt sich mit seiner Heimat eng verbunden und ist seit 1974 schon zehnmal in Barten gewesen. Und so kann er uns Aktuelles über diese sagenhafte Figur berichten, die sich heute auf dem Schlosshof in Allenstein befindet; mit einer kleinen Hinweistafel auf ihren Ursprungsort Barten. Neuerdings steht auch eine große Nachbildung in dem neuen „Freilichtmuseum“ in der Nähe der Wolfsschanze, wie Herr Dr. Gotthardt in diesem Sommer feststellen konnte, allerdings als Frau bezeichnet. Da hat wohl die „Gustebalde“ aus Bartenstein Modell gestanden. In Barten lebt der echte „Barto“ als Abbildung des Originals in einem Schaukasten an der Kirche weiter. Und nun kommt es: Tatsächlich steht ein „Barto“ im Garten des Hauses, in dem Dr. Dietrich Gott­hardt aufwuchs, und wie Frau Schäning-Dumke sich zu erinnern glaubte – aber heute! Vor dem Haus, das von dem jetzigen Bewohner sehr gut restauriert wurde, befindet sich eine aus Ytong-Stein geschnitzte Barto-Figur. Dieses Beispiel hat die Enkelin von Dr. Gotthardt angeregt, für seinen Garten in Pattensen auch einen „Barto“ zu schnitzen. Was durch ein Foto, das Frau Schäning-Dunke in einem Ostpreußenbuch entdeckte, sich doch alles an Wissenswertem ergeben hat! Das dürfte nicht nur die Fragestellerin überrascht haben. Ich war es jedenfalls und danke Herrn Dr. Gott­hardt für sein ausführliches Schreiben.

Große Überraschung auch für Herrn Knut Walter Perkuhn aus Wriedel – ich glaube, so langsam werden wir für ihn wirklich zu einer „wundervollen Familie“. In dem Mosaik seiner Lebensgeschichte, an der er arbeitet, fehlten einige Puzzleteilchen, aber nun weist diese Stelle keine Lücken mehr auf, im Gegenteil, sie ist überreichlich bestückt. Es ging um das Kapitel seiner Jugend, das in Königsberg spielt, als der Junge aus dem Kreis Bartenstein dort als „Pensionsschüler“ in einer Familie wohnte, die ihm eine Freundin seiner Mutter vermittelt hatte, bei der er oft zu Besuch war. Ihren Namen wusste er noch: Lilly Lüttjohann, aber wo das schöne Haus stand, in dem sie einen Kindergarten eingerichtet hatte, war ihm entfallen. Er erinnert sich nur daran, dass es einen herrlichen Garten hatte, in dem der Junge mit den Kindern spielen und toben durfte. Eigentlich wollte Herr Perkuhn nur die Adresse wissen, die er bisher nicht feststellen konnte, zumal er auch nicht genau wusste, ob der Name stimmte. Er hatte eine mögliche Anschrift bereits von mir erhalten, es war die des Kaufmanns Georg Lüttjohann – vermutlich der Vater von Lilly – in der Regentenstraße 1 im Stadtteil Amalienau. Schon das erste Telefongespräch, das er nach der Veröffentlichung seiner Frage in der Nummer 45 der PAZ mit einer Königsbergerin führte, brachte für ihn unerwartete Informationen. Die 88-Jährige konnte ihm nicht nur mitteilen, dass die Adresse stimmte, sondern wusste ihm als ehemaliges Kindergartenkind von Lilly Lüttjohann auch viel über ihre Betreuerin und das Haus zu berichten. Sie besitzt noch zwei Fotos aus ihrer Kindergartenzeit, eins zeigt Lilly Lüttjohann in dem Gartenzimmer, das zweite die betreuten Kinder auf einem Ausflug nach Cranz. Die alte Dame will Herrn Perkuhn die Fotos zum Kopieren zusenden.

War das schon mehr als erwartet, so brachte einige Tage später ein zweiter Anruf weitere Überraschungen. Frau Roswitha Kulikowski erinnerte sich ebenfalls an den Kindergarten, und sie besitzt noch ein vor 20 Jahren aufgenommenes Farbfoto von dem Haus, das noch heute steht. Sie kannte auch die Familie, in der 1942 der Junge als Schüler wohnte, und sie hat mit der Tochter seiner ehemaligen Pensionsmutter noch immer Verbindung. Und nun kommt noch Herrn Perkuhns eigene Familie ins Spiel. Vor einiger Zeit hatte Herr Perkuhn eine Kurzbiografie über seinen Großonkel Karl Ludwig Perkuhn und das Gut Groß-Ratshof geschrieben, dass dieser im Jahr 1900 an die Stadt Königsberg verkaufte. Der Oberamtmann besaß eine große Villa in der Regen­tenstraße 4-6, über die Roswitha Kulikowski ebenfalls Auskunft geben konnte. Sie kannte auch seinen Besitzer. „Frau Kulikowski wusste noch sehr viel über Amalien­au zu erzählen, und wir konnten viele Erinnerungen austauschen! So klein kann die Welt sein!“, beendet Herr Perkuhn seinen Erfolgsbericht.

Aber das ist noch nicht alles. Denn auch ich bekam Zuschriften zu diesem Thema, darunter eine längere, die nicht nur glänzend geschrieben ist, sondern in der die eigenen Erinnerungen an die Kindheit in Amalienau in eine präzise Schilderung der Kriegs- und Fluchtzeit eingefügt sind. Der Umschlag war an mich adressiert, hatte aber keinen Absender, es lag auch kein Begleitschreiben mit Adressenangabe dem Manuskript bei. Ich weiß nun leider nicht, wer diesen Bericht geschrieben hat, auf den ich gerne näher eingehen möchte. Ich nehme nicht an, dass die Schreiberin oder der Schreiber anonym bleiben will, sondern dass hier ein Versehen vorliegt und bitte deshalb um Namensmeldung. Da sich der Bericht direkt auf den Suchwunsch von Herrn Perkuhn bezieht, will ich die Stellen zitieren, die das Bild von dem Kindergarten in Amalienau ergänzen. Es ist da zu lesen:

„In dem schönen Garten – vermutlich der Douglas-Park – verbrachte ich bis zu meinem achten Lebensjahr viele, viele Stunden. Sobald es im Frühjahr etwas wärmer wurde, kletterte ich auf ,meinen Baum‘ und saß stundenlang in lichter Höhe auf einem dicken Ast. Bald wusste ich, wo das Rotkehlchen nistete, die Eichhörnchen wohnten und in welchem Laubhaufen die Igelfamilie lebte. Nachdem ich eingeschult worden war und lesen gelernt hatte, nahm ich ständig einen ganzen Stapel Bücher mit. So bepackt verschwand ich regelmäßig, insbesondere im Sommer, nach dem Schulunterricht und dem Mittagessen mit meiner Mutter und nach Erledigung der Schulaufgaben in den ,Garten meiner Träume‘, um mich in die Bücher zu vertiefen. So ab Sommer 1943 bis August 1944 konnte ich immer wieder eine große Kinderschar beobachten, die aus der Regentenstraße durch eine kleine Gartenpforte zusammen mit ihren Erzieherinnen in den Garten kam und es sich dort gemütlich machte. Es wurden Spiele miteinander veranstaltet, die Kinder saßen im Gras, sangen Lieder oder hörten den Geschichten zu, die ihnen die Betreuerinnen vorlasen. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis ich entdeckt wurde, aber ich blieb auf meinem Baum, fühlte mich absolut nicht gestört, betrachtete aus meiner Perspektive die Kinder und das Spiel.“

Es wird dann noch auf den am Hammerweg angelegten Gemüsegarten hingewiesen, der zu einer Gärtnerei in der Kastanienallee gehört, und auf den kleinen, mit Entenflott bedeckten Teich, der im Krieg als Löschteich diente.

„Ich schildere die Gegebenheiten deswegen so genau, weil ich mir vorstellen kann, dass der Herr, der Ruth Geede die Anfrage schick­te, sich daran besser erinnern kann. Denn es ist ja offen, ob es überhaupt der gesuchte Garten ist“, ist weiter zu lesen.

Die Vermutung ist berechtigt, denn Herr Perkuhn beschreibt ja den Privatgarten des Hauses Lüttjohann. Aber es ist durchaus möglich, dass Lilly Lüttjohann auch ihre kleine Schar in diesen Park geführt hat. Wie auch immer: Diese Erinnerung spricht für die – schon in der Kindheit bewusst empfundene – Liebe zur Natur, die nun einmal ein Teil unseres ostpreußischen Wesens ist.

Und das gefällt wohl auch unseren jüngeren Leserinnen und Lesern, was mir wieder in einem Brief bestätigt wurde, den ich kürzlich erhielt. Frau Anorthe Nielsen aus Göttingen hat ihn geschrieben und schon über die Anfangszeilen habe ich mich gefreut. Steht doch da zu lesen: „Bei uns wird das Ostpreußenblatt zerfleddert, wenn Tochter und Enkelin zu Besuch kommen. Enkelin nimmt sofort die ,Familie‘, Tochter die Leserbriefe als erstes, und ich fange von hinten an. Ich bin mit dem Ostpreußenblatt groß geworden. Mein Vater verteilte es im Lager Friedland an die Aussiedler und steckte ihnen die Elchschaufel an.“ Frau Nielsen ist eine geborene Czudnochowski, die Familie stammt aus dem Kreis Johannisburg, sie selber wurde in Lyck geboren. Als sie in diesem Sommer in ihrer Heimat war, besuchten sie dort das Archiv, um nach Unterlagen für ihre Familiengeschichte zu suchen, und sie wurden fündig. „Wir fanden das Grundbuch meines Großvaters Adolf Czudnochowski, geboren in Schunowen, Kreis Johannisburg, später Sadunen. Darin standen auch diese Namen: Roch, Gertrud, *1. Oktober 1922 und Roch, Siegfried, *26. Oktober 1924, beide in Schunowen. Und nun ergibt sich die Frage: Welche Verbindung besteht zwischen den Familien Czudnochowski und Roch? Vielleicht lassen sich Angehörige finden, die mir weiterhelfen könnten. Für jeden Hinweis wäre ich dankbar.“ Weil Frau Nielsen auf anderem Wege bisher nicht weitergekommen ist, hofft sie nun auf unsere Ostpreußische Familie, und da dürfte nicht nur die Enkelin gespannt sein, ob sich etwas ergibt und wenn ja, was. Bei Gertrud und Siegfried Roch handelt es sich wohl um Geschwister, die vielleicht noch leben, oder es könnten sich ihre Nachkommen finden lassen. (Anorthe Nielsen, Kopenhagenstraße 18 in 37079 Göttingen, Telefon 0551/66818.)

Eure Ruth Geede


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