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17.12.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-11 vom 17. Dezember 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

wer als Kind wie ich noch zu Friedenszeiten in Königsberg aufwuchs, hatte das Glück, in einer Großstadt zu leben, die damals als eine der grünsten und schönsten Städte Deutschlands galt, dank der Schleifung des starren Festungsgürtels, der die wachsende Stadt wie ein zu eng geschnürtes Korsett eingeengt hatte. In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sie neue Lungen bekommen: Die Anlagen des Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Festungsringes wurden zu einem Erholungsgebiet rund um die Innenstadt mit Spazierwegen und Rasenflächen, Baumgruppen und Wassergräben umgestaltet. Die aus ihrer Enge befreiten Stadttore wurden zu markanten Wegmalen und sind heute noch Fixpunkte auf der Suche nach vertrauten Stätten, die durch Bomben, Granaten und mutwillige Zerstörung vernichtet wurden. Besonders markant sind die im Tudorstil mit Backstein und gelbem Sandstein erbauten Tore, von denen vielleicht das Königstor das bekannteste ist, da es im Rahmen der 750-Jahr-Feier Königsbergs restauriert wurde und sich auch heute noch für Besichtigungswillige öffnet. Einer Gruppe von besonders interessierten Besuchern aber wurden die Tore weit aufgetan, als sie im April 2010 die ehemaligen Festungsanlagen der Stadt besichtigte: Es waren Teilnehmer an der Fortifikatorischen Studientour, die im Rahmen der „Baltischen Kultur- und Tourismusroute“, einem EU-Projekt für diesen Ostsee-Raum, in die Stadt am Pregel führte. Nun legt der Initiator der Studienreise, Dr. Ing. Hans Rudolf Neumann, einen umfassenden Exkursionsbericht vor, als neue Publikation der Schriftenreihe „Beiträge zur internationalen Festungsforschung“, für die er bereits mehrere Bände verfasst hat. Mit 22 Teilnehmern aus den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz international besetzt, wurde diese von russischer Seite durch die staatliche Denkmalpflege und die Immanuel-Kant-Universität unterstützte einwöchige Reise ein voller Erfolg. Herr Dr. Neumann hat uns ein Exemplar seiner Publikation „Königsberg-Kaliningrad, Fortifikatorischer Exkursionsbericht einer Studienreise“ übersandt, die wir im Rahmen unserer Kolumne leider nicht ausgiebig behandeln können – das wird an anderer Stelle der PAZ mit fachlicher Kompetenz geschehen –, aber wir wollen und müssen auf diesen Sachbericht eingehen, weil er mit Sicherheit einige Leserinnen und Leser interessieren wird. Nicht nur, weil diese auf einem Königsbergbesuch die noch bestehenden und teilweise auch genutzten Bauten der Festungsanlagen besucht haben oder als Orientierungshilfe für die Reise in die Vergangenheit benutzen, sondern auch weil der Bericht zu jenen Plätzen führt, an denen manch einer unserer älteren Leser das bittere Ende des Krieges miterlebte, ob als Zivilist oder als Verteidiger der Festung Königsberg in einem der Forts und Bunker.

Dieser Bericht stellt keine Baugeschichte der Festung dar – die wurde den Teilnehmern in Form einer Informations-DVD vorab übermittelt, sondern belegt fast minutiös die einzelnen Stationen der Tour, sodass sich der Leser an die Hand genommen fühlt und so im Nachhinein zum Teilnehmer wird. Allerdings hat das für diejenigen, die Königsberg nicht kennen, auch einige Schwierigkeiten, denn dem Buch liegt kein Kartenmaterial bei. Als einziger Lageplan ist eine Übersichtsskizze des östlichen Festungsgürtels vom Sack­heimer Tor bis zum Dohna-Turm vorhanden. Allein die Lage der neun Forts, die besichtigt wurden, ist ohne Stadtplan schwer zu erklären. Den sollte man also zur Hand haben, wenn man in dem Buch auf Erkundungsreise geht, das schon aufgrund der Fülle von Informationen eine intensive Beschäftigung mit dem Thema verlangt. Diese wird erleichtert durch die ungewöhnlich reiche Bebilderung, mit der vor allem der aktuelle Zustand jener Anlagen, zu denen man als Tourist bisher keinen Zugang hatte, dokumentiert wird. Die Studienreise mit Besichtigung der alten Festungsanlagen stellt eben ein Novum dar, war es doch seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht möglich, als Besucher diese zu betreten oder gar zu fotografieren. So wirken viele der über 250 (!) Aufnahmen mit ihrem bröckelnden Mauerwerk, den toten Fensterhöhlen und den verfallenen Kasematten fast gespenstisch. Der Bericht liefert Kurz­infos zu den einzelnen Verteidigungsanlagen und orientiert darüber, wann und wie sie im Kampf um Königsberg fielen. Dies dürfte für ältere Leser zur Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte oder Familienchronik interessant sein. Auch für diejenigen, die zuletzt im Raum Pillau kämpften, denn im Rahmen der Reise fand eine eintägige Exkursion zu den dortigen Festungsanlagen statt. Über die Spurensuche in Pillau und auf der Frischen Nehrung berichtet Jürgen Wedemeyer, Berlin, in dem 170 Seiten starken Bericht, der im S. Roderer Verlag Regensburg erschienen ist.

Auf die Frische Nehrung führt die Frage von Ulrike Imhäuser aus Wuppertal. Sie hofft, dass unsere Leser ihr helfen können, die Frage zu klären, die sie noch immer quält: „Wo liegt mein Vater begraben?“ Sie selber hat versucht, das Grab oder wenigstens den Friedhof zu finden, auf dem er begraben wurde, leider bisher vergeblich. Die Tochter hat ihren Vater nie gekannt, er selber hat sein Kind auch nicht mehr sehen können, denn als Ulrike im Oktober 1944 geboren wurde. befand sich ihr Vater als Soldat südlich von Königsberg im so genannten „Heiligenbeiler Kessel“. Am 26. März 1945 wurde er auf der Frischen Nehrung verwundet und verstarb auf dem Verbandsplatz Kaddighaken. Er wurde auf dem Gemeindefriedhof von Möwenhaken beerdigt – so steht es in der amtlichen Mitteilung, die ihre Mutter im Jahr 1947 bekam. Der Wunsch der Tochter, einmal am Grab ihres Vaters stehen zu können, schien sich 1996 zu erfüllen. Frau Imhäuser und ihrem Mann gelang es unter großen Schwierigkeiten und mit Hilfe von russischen Begleitern, auf die Frische Nehrung zu reisen und nach dem Friedhof zu suchen. Möwenhaken lag ja, durch das Tief getrennt, nur sechs Kilometer von Pillau entfernt auf der Haffseite der Frischen Nehrung. Allerdings konnten die Suchenden weder den Ort noch den Friedhof finden. „Es war absolut nichts vorhanden, weder Mauerreste noch Grabanlagen“, schreibt Frau Imhäuser. Im vergangenen Jahr war das Ehepaar in Pillau, um an den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des dortigen Soldatenfriedhofs teilzunehmen – auch im Gedenken an die gefallenen Soldaten auf der Frischen Nehrung. Anscheinend konnte ihnen aber auch dort niemand Auskunft geben, deshalb nun die Bitte von Ulrike Imhäuser an unsere Ostpreußische Familie: „Erinnert sich jemand an den Ort Möwenhaken und weiß, wo der Friedhof gelegen hat?“ Um einen Gemeindefriedhof kann es sich wohl nicht handeln, denn Möwenhaken bestand ja nur aus einem Forsthaus, das zum Kirchspiel Pillau gehörte. Gab es da überhaupt einen Friedhof oder handelt es sich um eine während der Kämpfe errichtete Begräbnisstätte für die Gefallenen? Diese Frage dürfte sich mit Sicherheit durch unsere Leser klären lassen, damit Frau Imhäuser das Kapitel „Suche nach meinem Vater“ abschließen kann. (Ulrike Imhäuser, Graf-Adolf-Straße 41 in 42119 Wuppertal, Telefon 0202/4783765, E-Mail: gu.imhaeuser@web.de)

Und da wir schon am Frischen Haff sind, kommt mir das Schreiben von Frau Ute Eichler aus Hamburg gerade recht. Sie entdeckte nämlich, dass Hafffischer aus Alt-Passarge vor dem Ersten Weltkrieg an die deutsche Nordseeküste abwanderten und sich in Dithmarschen ansiedelten. Das konnte sie einem Buch entnehmen, als sie – die für Archiv, Heimatmuseum und Geschäftsstelle der Kreisgemeinschaft Lötzen verantwortlich ist – mal etwas „Nichtostpreußisches“ lesen wollte und sich dafür den neuen Roman von Jörgen Bracker „Hinter der Nebelwand“ auswählte. Aber es nützte nuscht, Ostpreußen holt sie eben immer ein! Denn in dem historischen Kriminalroman, der in den Fischerorten Schleswig-Holsteins spielt, stieß sie schon bald auf eine der Hauptgestalten, die „Nebelbraut“, die sich dann als Elsbeth Mandrukeit, Fischertochter aus Ostpreußen entpuppte, „die das Watt vor unserer Haustür besser kennt als all die, die sich vor den Kurgästen als Wattführer aufspielen“. Die Geschehnisse aus dem Jahr 1911 sind sorgfältig recherchiert, die Handlung fesselt durch die gezeichneten Charaktere wie die der Mandrukeit’schen. Deren Herkunft näher erklärt wird in dem für dieses Genre ungewöhnlichen Nachwort: „Für die Entwicklung der Fischerei, deren Entwicklung sich Kurt Winter in Büsum mit großer Sorgfalt angenommen hat, war der Zuzug ostpreußischer Fischer aus Alt-Passage von entscheidender Bedeutung. Ihnen gehörte um 1910 nahezu die Hälfte aller Büsumer Kutter.“ Frau Eichler interessiert natürlich nun die Frage, warum damals Fischer vom Frischen Haff an die Nordseeküste gingen und ob es nur Familien aus dem an der Mündung der Passarge in das Haff gelegenen Ort waren. Mich übrigens auch, deshalb wäre ich für Zuschriften dankbar.

Unsere Ostpreußische Familie erweist sich immer mehr als Fundgrube. Eine ganz besondere Entdeckung machte unser Landsmann Heinz Csallner aus Frankfurt am Main, als ihm zufällig das Buch „Aus altpreußischen Tagen“ in die Hände fiel. Geschrieben von Adelheid von Veith, die als Tochter eines preußischen Offiziers auch zeitweilig in Königsberg lebte und ihre Erinnerung an diese Jahre – etwa 1850 bis 1856 – in diesem Buch festhielt. Dadurch erhält man ein genaues Bild der Königsberger Gesellschaft, die mit besonderen Persönlichkeiten gut bestückt war. „Königsberg, überhaupt das alte Preußen, war ein Land der Originale“, schreibt die Autorin, und führt genüsslich ein paar Hochkarätige auf wie jenen Professor Hartnaken, der sich seinen Lebenstraum erfüllen wollte: Er pilgerte nach Rom – vielmehr wollte er es, denn als er schon vor den Toren der Stadt stand, sagte er zu sich selbst: „Der Mensch muss sich beherrschen können“ und kehrte nach Königsberg zurück, ohne einen Fuß in die ewige Stadt gesetzt zu haben. Die Geschichte ist als Anekdote in die Annalen der Stadt eingegangen, aber es gibt weitere, gänzlich unbekannte Histörchen. Auch tragische, die heute allerdings eher tragikomisch wirken, wie die von den beiden Generälen, die sich als Zwillingsbrüder so liebten, dass sie beide auf die von ihnen begehrte Gräfin verzichteten, um den jeweils anderen nicht zu kränken. Die Angebetete zog sich enttäuscht in ein Kloster zurück und starb bald an gebrochenem Herzen. Die Herren Generäle pflegten gemeinsam ihren Liebesschmerz und selbst im ebenfalls gemeinsam verlebten Ruhestand küssten sie allabendlich die Hände der Verstorbenen – aus Marmor gemeißelt! Und das im nüchternen Preußen! Ich freue mich darauf, die schönsten Geschichten aus der mir überlassenen Kopie dieses Buches herauszufiltern und sie für unsere Leserinnen und Leser aufzubereiten. Zuerst einmal ein sehr herzliches Dankeschön nach Frankfurt!

Eure Ruth Geede


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