26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.12.11 / Im Hickhack der EU / Leszek Miller gibt Einblicke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-11 vom 17. Dezember 2011

Im Hickhack der EU
Leszek Miller gibt Einblicke

Das Buch „So war das. Polens Einzug in die EU“ des polnischen Ex-Premiers und aktuellen Sejm-Abgeordneten Leszek Miller beginnt mit einem Vorwort des deutschen Ex-Kanzlers Gerhard Schröder, das die einzige dröge Passage einer faszinierenden Chronik ist. Der vom Inhalt gefesselte und vom Stil amüsierte Leser darf „Mäuschen“ spielen im politischen Hickhack der EU vor und im Jahr 2004, als die EU mit einem Schlag von 15 auf 25 Mitglieder erweitert wurde, darunter natürlich Polen, denn „eine Osterweiterung ohne Polen war undenkbar“ (Gerhard Schröder).

Auf Seite 273 zitiert Miller die Agentur Reuters, dass Polens EU-Kurs „französische Arroganz, britischen Euroskeptizismus und spanische Rücksichtslosigkeit beim Verhandeln in sich vereint“. Die Erweiterung wurde im September 2001 beschlossen und anfänglich waren die Polen in der EU begehrt. Bald wurde jedoch deutlich, dass Polen und die EU einander mit ihren Ängsten auf die Nerven gingen: Polen fürchteten, dass Deutsche ihren Grund und Boden aufkaufen würden – „Europäer“ sahen sich schon von Scharen arbeitsuchender Polen überschwemmt. Miller hat dieses „Gezerre“ nie sehr ernst genommen, schildert es aber mit stillem Vergnügen in allen Facetten.

Wobei der Autor die bloßen Fakten als bekannt voraussetzt und lieber die EU-Bühne ausleuchtet: Offizielles Pathos und kleinliches Gezänk, Plenarverhandlungen und Vieraugengespräche versus Pressekonferenzen, Warschauer Verhandler zwischen Brüsseler Druck und Pressionen von polnischer Opposition, Konzessionen an die einen wecken Begehrlichkeiten der anderen, rücksichtsloser Ressortegoismus der Art, „dass nicht Polen in die EU eintritt, sondern nur die polnische Landwirtschaft“. Miller bedenkt seine polnischen Gegner mit spitzesten Sottisen: „Die Anti-EU-Liga in unserem Land, dachte ich, würde auch kein Einsehen zeigen, wenn wir die Änderung des Namens in ,Polnisch-Europäische Union‘ heraushandelten.“ Die Verhandlungen wurden umso härter, je geringfügiger die offenen Probleme waren: Budgetkompensationen, Milchquoten, Grenzsicherung im Osten, Diplome polnischer Krankenschwestern. Das alles schildert Miller mit dem dramaturgischen Gespür eines Krimiautors und mit dem Witz des Kabarettisten, so zum Beispiel die Einladung bei Tony Blair: „Erleichtert stellte ich fest, dass es kein englisches Frühstück war. An solchen Dingen erkennt man wahre Freunde.“

Am 13. Dezember 2002, auf den Tag 21 Jahre nach dem gewaltsamen Ende von „Solidarnosc“, hatte Polen Zugang zur europäischen Solidarität gefunden, nachdem Miller und sein Team bis zur letzten Minute verhandelt und den dänischen Premier am Kopenhagener Verhandlungsort als Boten hin- und hergehetzt hatten. Tags darauf waren sie in Warschau, Miller schenkte Präsident Alexander Kwasniewski symbolisch einen 50-Euro-Schein, was von der Opposition als Teil des deutschen Judaslohns oder „Miller’schen Euros“ ansah. Miller war es herzlich egal, bei den anderen Neumitgliedern wurden EU-Verhandler „Tölpel“ genannt, weil sie nicht so viel wie der Pole Miller erreicht hatten, den Gerhard Schröder und Günther Verheugen zum Weihnachtsschmaus besuchten und der mit sich und der Welt im Reinen war: „Polen hat die EU im gleichen Maße verdient wie die Union Polen.“ Wolf Oschlies

Leszek Miller: „So war das. Polens Einzug in die EU“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, geb., 351 Seiten, 23 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren