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24.12.11 / Streit um die Beute / Libyen: Revierkämpfe der Milizen und machtlose Regierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-11 vom 24. Dezember 2011

Streit um die Beute
Libyen: Revierkämpfe der Milizen und machtlose Regierung

Die Zwischenbilanz ein Jahr nach jener Selbstverbrennung in Tunesien, jener privaten Verzweiflungstat, die zum Auslöser des „arabischen Frühlings“ hochstilisiert wurde, ist ernüchternd: Vorbei ist die Euphorie, vor Ort geht es schlechter als zuvor, und Islamisten, die gar nicht die treibenden Kräfte waren, sind politische Nutznießer.

Libyen ist das Land mit den weitaus größten Verlusten an Leben und Sachwerten. Dass es wie in Syrien erst mit einiger Verzögerung losging, belegt ebenso wie die höchst parteiische Berichterstattung, dass schon in den Anfängen massiv von außen „nachgeholfen“ wurde. Dass dann ein Uno-Mandat „zum Schutz der Zivilbevölkerung“ von den Westmächten zum Sturz des Regimes und für Eigeninteressen missbraucht wurde, hat aber sogar den Geist des Kalten Krieges wieder wachgerufen.

Libyen ist auch das einzige Land, wo nicht nur der Mann an der Spitze entfernt wurde, sondern wo sich die Strukturen selbst dramatisch ändern. Denn die von der italienischen Kolonialmacht erstmals in der Geschichte zu einem politischen Gebilde zusammengespannten Regionen und Stämme zeigen nach Wegfall der diktatorischen Autorität Muammar al-Gaddafis überdeutlich ihre Eigeninteressen – was bis zum Staatszerfall führen könnte. Zwischen den diversen Milizen kommt es laufend zu blutigen Scharmützeln, und Berber-Milizen liefern sich sogar Gefechte mit der „Armee“ – die aus vielen Häuptlingen und wenigen Indianern besteht. Milizionäre lassen sich schon allein deshalb nicht entwaffnen, weil es angesichts der Wirtschaftslage keine zivilen Perspektiven gibt und auch die Armee sie kaum integrieren könnte.

Für Befremden sorgt auch, dass Berber in der kürzlich vereidigten provisorischen Regierung nicht vertreten sind und dass der völlig unbekannte Abd-el-Rahim El-Kib Ministerpräsident wurde: Der hatte nicht nur in den USA studiert, sondern auch meist im Ausland gelebt, unter anderem am Golf als Berater von US-Ölkonzernen. In Bengasi, wo alles begonnen hatte, führt die Wut auf Tripolis wieder zu Demonstrationen – bis hin zu Forderungen nach einer „neuen Revolution“. Zur Besänftigung soll nun Bengasi „Wirtschaftshauptstadt“ mit einigen Ministerien werden.

Mit Aufhebung der UN-Sanktionen werden jetzt auch die blockierten libyschen Milliarden-Guthaben frei. Was den Streit der Milizen um Verteilung der „Beute“ anheizen dürfte und auch notorische Schuldnerstaaten auf den Plan ruft. US-Verteidigungsminister Leon Panetta verband die Freigabe gleich mit einem Besuch in Tripolis, um „dem libyschen Volk Anerkennung zu zollen“, sprich: um Revier zu markieren, wie das zuvor schon Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premier David Cameron getan hatten. Und Italiens Premier Mario Monti, der seine Weihen bei Goldman-Sachs erhielt, hofft, dass Libyen bei der dringend nötigen Eigenkapital-Erhöhung der Unicredit mitzieht. R. G. Kerschhofer


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