18.04.2024

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24.12.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-11 vom 24. Dezember 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Wir dürfen das / Warum Havel so lästig war, wieso die EU viel demokratischer ist, und wieso Beate Zschäpe wohl mit einem blauen Auge davonkommt

Diese Typen vom Schlage Vaclav Havel sind unangenehm. Die amtlich anerkannten Helden des Kampfes für die Menschlichkeit mochten ihn im Grunde nie. Gebeugt unter der Last ihrer Friedens-, Menschenrechts- und Sonstwas-Preise empfanden sie ihn insgeheim als Zumutung. Denn als er noch in den Verliesen des sozialistischen Regimes schmachtete, standen sie lieber mit den kommunistischen Herren auf dem roten Teppich und übten sich in „Anerkennung der Realitäten“.

Diese Freiheitskämpfer hinter dem Eisernen Vorhang waren da nur lästig. Sie torpedierten mit ihrem „dumpfen Antikommunismus“ in einem fort die „Bemühungen“, waren eine ständige Störung der Verständigung und Annäherung auf höchster Ebene. Und Havel war einer der Rück­sichtslosesten. Der ging sogar auf die deutschen Vertriebenen zu und sprach lange vor dem Mauerfall öffentlich von deutscher Wiedervereinigung, furchtbar!

Nun ist er tot, und die Preisbekränzten können sich an seinem Grab versammeln und tränenvoll verkünden, dass mit Havel „einer der Ihren“ von uns gegangen sei. Sie müssen nicht fürchten, dass er wieder aufsteht und ihnen ins Gesicht blafft: Euch werd’ ich helfen, ihr Heuchler! Nein, so etwas ist leider noch nie passiert. Nur wer an Geister glaubt, darf noch hoffen, dass Havel denen auf anderem Wege einen Scheitel zieht.

Das Leben des Böhmen steht für das großartigste politische Ereignis im Europa des 20. Jahrhunderts. Die Demokratie hatte gesiegt. In letzter Zeit indes gerät sie wieder ins Gedränge, in Russland vor allem – wir machen uns Sorgen. Das EU-Parlament will nicht länger schweigen und hat den Finger tapfer in die russische Wunde gelegt: Die Parlamentswahl vom 4. Dezember habe nicht den demokratischen Standards entsprochen. Stimmt, da ging ja allem Anschein nach Etliches nicht mit rechten Dingen zu.

Auch EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso haben dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew ordentlich den Marsch geblasen, heißt es. Medwedjew ist der, der in dem Moskauer Herrschergespann immer den netten Diplomaten macht, während Sozius Putin die Keule schwingt. Medwedjew blieb denn auch einigermaßen höflich, statt freche Rückfragen zu stellen.

Putin hätte die beiden womöglich gefragt, welcher „demokratischen Wahl“ sie denn bitte sehr ihre Ämter verdanken. Was hätten die dazu sagen sollen? Etwa die Wahrheit? Rompuy: „Also, Herr Putin, ich bin das Destillat einer Kungelrunde von Staats- und Regierungschefs. Die suchten einen, der blass und bieder genug wirkt, um nie wirklich mächtig zu werden. Da fanden sie mich.“ Barroso: „Och, bei mir lief das recht ähnlich.“

So etwa? Nein, das hätten sie auf keinen Fall antworten können. Eher schon so Sachen wie: „Wir beide sind das Ergebnis eines durch und durch demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Meinungsbildungsprozesse sind in der EU immer dann demokratisch, wenn das Ergebnis stimmt. Deshalb müssen wir Volksabstimmungen gelegentlich wiederholen, weil das Volk einen Irrtum begangen hat.“

Was der dreiste Putin da wohl gekontert hätte. Vielleicht das: „Solche Ermattungskriege gegen sperrige Volksmeinungen sind zwar eleganter als unsere russische Lösung, wo die Urnen gleich mit zuvor ausgefüllten Wahlzetteln aufgestellt werden. Aber letztlich sind wir im gemeinsamen Haus Europa doch nicht so weit voneinander entfernt, wie Sie fürchten. Man muss, wie die deutsche Kanzlerin immer zu sagen pflegt, die Dinge eben ,vom Ergebnis her denken‘. Wie man dahin kommt, ist für mich ebenso zweitrangig wie für Sie, meine Herren.“

Zum Glück weiß Moskau nicht, dass bei EU-Parlamentswahlen die Stimme eines Staatsbürgers elfmal so viel wiegt wie die eines anderen, das hatten wir ja neulich erst beim Wickel. Wäre das bei russischen Duma-Wahlen genauso, wären wir alle schon heiser vom „Manipulation!“ brüllen. Bei uns in der EU aber geht das in Ordnung. Europa ist schließlich die Wiege der Demokratie, wir dürfen das.

Dennoch haben wir auch so unsere Probleme, auf die wir unbegreiflicherweise nicht vorbereitet sind. Der FDP geht das Führungspersonal zur Neige und die Bundespräsidenten-Kandidaten werden ebenfalls nicht mehr. Berlin sollte für schlechte Zeiten einen Vorrat an Führungsliberalen und Staatsoberhäuptern anlegen, damit immer einer zur Hand ist, wenn einer ausfällt.

Als diese Zeilen entstehen, sitzt Christian Wulff noch im Bellevue. Dennoch haben wir uns in der Redaktion bereits die Köpfe zermartert, wer ihm nachfolgen könnte, wenn ihn die Medienmeute geschafft hat.

Schwierige Sache. Warum hatte sich die Kanzlerin eigentlich für Wulff entschieden? Vorgänger Horst Köhler war kein richtiger Politiker. Er war weder kantenlos genug noch besaß er das Phrasendrescher-Gen und jenes Gespür fürs politisch korrekte Ranschmeißen, dass einen erst zum weltoffenen, toleranten Staatschef macht. Außerdem war er pedantisch und verweigerte gelegentlich seine Unterschrift unter Gesetze, die ihm nicht grundgesetzkonform erschienen. Zum Schluss verlor er im Gespinst des Berliner Schranzenstadls den Überblick und schmiss entnervt hin. Trauriger Abgang.

Das sollte nicht nochmal passieren. Wulff kam als Idealbesetzung, er schien alles mitzubringen, was Köhler missen ließ. Und nun das: Ein merkwürdiger Kredit und ein paar Urlaubsreisen auf Kosten reicher Freunde. Alles nicht verboten, aber ... na, ja, Sie wissen schon.

Und wen nähmen wir, wenn Wulff auch schlappmacht? Nach langem Grübeln haben wir einen gefunden, der alles, was Wulff gegenüber Köhler auszeichnete, noch besser kann, und daher der perfekte Präsident wäre. Wir präsentieren Ihnen: Ronald Pofalla! Pofalla hat alles: Er ist glatt wie ein Zäpfchen und Ärger mit verweigerten Unterschriften hätten wir mit dem auch keinen. In bestem Fäkaldeutsch setzte uns der derzeitige Kanzleramtschef über sein lässiges Verhältnis zu Verfassung und Gewissen ins Bild. Zudem darf ausgeschlossen werden, dass sich je ein Multimillionär fände, der mit einem wie Pofalla Urlaub machen möchte. Also auch von dort kein Risiko.

Der Mann wäre ein tragender Pfeiler unserer Demokratie, die auch von innen immerzu bedroht ist. Von wem genau, wissen wir immer noch nicht. Die „braune Terrorzelle“ rückt mit jeder neuen Enthüllung tiefer ins Gehege deutscher Geheimdienste. Als die drei schon untergetaucht waren, hat ihnen der Verfassungsschutz (VS) 2000 Mark zukommen lassen, damit sie sich neue (also falsche) Pässe besorgen können. Dass Fräulein Zschäpe Zuträgerin des VS war, hatte eine sächsische Zeitung ja bereits aufgedeckt, wir berichteten. Die Nachricht hätte eigentlich eine riesen Mediennummer werden müssen. Wurde sie aber nicht.

Dafür kommt jetzt die Meldung, dass Zschäpe sich noch kurz vor dem Tod der beiden mutmaßlichen Serienmörder unmittelbar bei dem ominösen Wohnmobil aufgehalten hat. Dennoch heißt es nun, dass Beate Zschäpe wohl keine Mitwisserschaft oder gar Beteiligung an den zehn Morden nachgewiesen werden könne. Daher bleibe, leider, leider, am Ende vermutlich nur eine Anklage wegen Brandstiftung in der eigenen Wohnung. Manchmal trapst die Nachtigall derart laut, dass einem das Trommelfell schmerzt.

Mitten drin war immer Tino Brandt, Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“, wo das Trio seinen nationalsozialistischen Feinschliff erhielt, und VS-Agent. Den soll der VS sogar über seine Observierung durch die Polizei auf dem Laufenden gehalten haben. Manchmal fuhr ein VS-Auto hinter dem Polizeiwagen her, der wiederum Brandt verfolgte. Deutsche Wirklichkeit als Konvoi inszeniert – ein schönes Bild. Schrecklich schön.


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