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31.12.11 / Kind seiner Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Jan Heitmann:
Kind seiner Zeit

Einhundertundacht Jahre. Was für ein Leben, was für eine Zeit, die Johannes Heesters erlebt hat. Eine Zeit, in der zwei Weltkriege tobten, Reiche stürzten, Wirtschaftskrisen die Welt erschütterten. „Jopie“ hat das alles erlebt. Sein Leben und seine Karriere verliefen dagegen ohne Brüche. Nach ersten Erfolgen als Schauspieler und Sänger zog er 1936 nach Deutschland. Hier eroberte er nicht nur die Herzen des Publikums, sondern auch die der NS-Machthaber.

Seine niederländischen Landsleute haben ihm diese Form der „Kollaboration“ nie wirklich verziehen. Aus deren Sicht mag das sogar verständlich sein. Wie aber hierzulande immer wieder versucht wurde, ihm eine Verstrickung in das NS-Regime anzudichten, ist abstoßend. Über Sympathiekundgebungen von ihm für den Nationalsozialismus ist nichts bekannt. Die deutsche Staatsbürgerschaft hat er nie angenommen, noch war er je NSDAP-Mitglied. Heesters hat sich selbst stets als unpolitischen Künstler bezeichnet. Er wollte nie etwas anderes, als die Menschen mit seiner Kunst unterhalten. Dass Goebbels ihn für seine Propagandazwecke missbraucht hat, scheint ihm niemals aufgegangen zu sein. Selbstreflexion war ihm fremd. Uns Nachgeborene mag das irritieren, aber wir müssen es ihm als Kind seiner Zeit zugestehen.

Es ist schon auffallend: Künstler, die in einer roten Diktatur Karriere gemacht haben, gelten so lange als unbefleckt, bis ihnen das Gegenteil nachgewiesen wird. Wer dagegen im „Dritten Reich“ aufgestiegen ist, muss seine „Unschuld“ beweisen. Selbst dann, wenn es keine Hinweise auf eine Schuld gibt. Wir werden ihn jedenfalls vermissen, den eleganten Gentleman mit Zylinder und Seidenschaal.


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